«Banknoten wurden schon früher totgesagt, aber das hat sich bis heute nicht bewahrheitet», sagt Daniel Link, CEO von Orell Füssli, dem Hersteller der Schweizer Banknoten. Im Interview mit finews.ch spricht er über die Bedeutung von Bargeld, und wie das Unternehmen vom Digitalisierungsschub profitieren will.
Herr Link, was macht eine Banknote zu etwas Speziellem?
Das Besondere ist sicherlich die Schönheit des Produkts, es ist ein Kunstwerk. Schweizer Banknoten etwa sind auch ein Stück Schweiz, ein Teil unseres Landes, der Kultur, der Geschichte. Zum anderen stehen Banknoten als Bargeldmittel heute noch generell für Sicherheit. Sie funktionieren als vertrauenswürdiges, hochliquides und zuverlässiges Zahlungsmittel im Alltag immer, auch ohne Technik jederzeit.
Gibt es eine Notenserie, die Ihnen besonders gut gefällt?
Die jüngste Notenserie von Costa Rica, die wir teilweise mitgestaltet haben, ist farbenfroh, passt gut zum Land, hat schöne Motive und gute Features, sie gefällt mir. Oft sind es nicht die grossen, sondern die kleinen Länder, die sehr schöne Noten herausgeben. Technisch gesehen ist die Schweizer Banknote sicher die anspruchsvollste.
«Indonesien produziert so viele Banknoten wie ganz Europa»
Der digitale Zahlungsverkehr nimmt stetig zu. Sind Banknoten noch zeitgemäss?
In Mitteleuropa gibt es einen starken Trend zu bargeldlosen Transaktionen. Aber global betrachtet bleibt die Nachfrage nach Banknoten hoch, Bargeld ist im Alltag nach wir vor das wichtigste Zahlungsmittel. Indonesien zum Beispiel produziert so viele Banknoten wie ganz Europa.
In der Schweiz sehen wir seit mehr als 50 Jahren, dass der Notenumlauf wächst. Schon in den Sechzigerjahren, als die Kreditkarten aufkamen, hiess es, physisches Geld würde verschwinden. Das hat sich nicht bewahrheitet, im Gegenteil. Es braucht in einem gut funktionierendem Zahlungssystem beide Formen. Banknoten wird es daher auch in Zukunft geben.
Was würde der Wegfall von Bargeld für Gesellschaft und Wirtschaft bedeuten?
Es wäre vor allem ein grosser Verlust an Privatsphäre. Bargeld ist immer noch das einzige Zahlungsmittel, das wirklich keine Spuren hinterlässt. Sie können den Bitcoin nehmen, aber er bietet keine vollständige Anonymität.
Deswegen ist Bargeld immer noch das einzige Zahlungsmittel, das Selbstbestimmung und Privatsphäre ermöglicht. Wichtig ist zudem der Sicherheitsaspekt. Er zeigt sich besonders stark in Krisenzeiten.
«Ohne physisches Geld wären Gesellschaften wahrscheinlich instabiler»
Während der Corona-Pandemie wurde weltweit Bargeld gehortet. In der Ukraine wird viel Bargeld benötigt, weil zum Beispiel die Infrastruktur nicht mehr funktioniert. Ohne physisches Geld wären Gesellschaften wahrscheinlich instabiler.
Ist das nicht auch eine Generationenfrage? Gerade bei den Jüngeren hat sich der Umgang mit Scheinen und Münzen doch stark verändert. Spätestens seit der Corona-Krise wird oft nur noch mobil und digital bezahlt.
Die junge Generation ist zwar digital unterwegs. Aber wehe, das Handy wird zuhause vergessen, geht kaputt oder verloren, dann bricht schon mal Panik aus. Manchmal fehlt es mit Blick auf die Vorzüge von Bargeld wohl noch ein bisschen an Lebenserfahrung.
Zudem bin ich mir nicht so sicher, ob sie ganz darauf verzichten wollen. Mit Bargeld ist man einfach unabhängig, von einem Handy, von einer Dienstleistung, von einem Server, oder auch im Ausland flexibel unterwegs.
Wie wird sich die Einführung digitaler Zentralbankwährungen (CBDC) auswirken?
Ich zweifle, dass das digitale Zentralbankgeld bald kommen wird, womöglich so in einem Jahrzehnt in einigen Ländern. Im Moment scheint es mir noch eine weit entfernte Vision zu sein. Kommt es als Wholesale- oder Retail-Modell? Generell sind da noch einige Punkte offen.
«Die Notenbanken werden nicht in Konkurrenz zu den Geschäftsbanken treten und ihnen das Kundengeschäft wegnehmen wollen»
Als Konsument frage ich mich auch: Was habe ich als Nutzer davon, welches Problem wird gelöst? Ich kann heute schon digital Geld herumschicken. Die Notenbanken, so denke ich, werden auch nicht in Konkurrenz zu den Geschäftsbanken treten und ihnen das Kundengeschäft wegnehmen wollen. CBDC wird physisches Bargeld nicht so schnell verdrängen.
Ihr britischer Konkurrent, der Banknotenhersteller De La Rue, hat dieses Jahr erklärt, dass die weltweite Nachfrage nach Banknoten auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren ist. Spüren Sie das auch?
Das Marktumfeld trifft die beiden Unternehmen unterschiedlich. Wir haben eine Kapazität von etwa 600 Millionen Banknoten und eine Produktionslinie, De La Rue vier bis sechs.
Eine Marktschwäche trifft unseren Mittwettbewerber härter, weil er mehr Mühe hat, die Linien auszulasten, vielleicht auch technisch nicht auf dem neuesten Stand ist. Als Qualitätsanbieter mit klarer Marktpositionierung können wir unsere Produktion gut auslasten.
Welchen Herausforderungen muss sich Orell Füssli im Notendruck stellen?
Da es sich bei der Auftragsvergabe oft um Ausschreibungen handelt, besteht der Druck vor allem darin, preislich mithalten zu können. Im Zuge des starken Schweizer Franken haben wir wie viele andere Schweizer Firmen unser Unternehmen auf Effizienz getrimmt.
Wir verfolgen auch keine Volumenstrategie, sondern wollen lukrative Aufträge mit möglichst vielen Prozessschritten, die zu uns passen: hochwertige Banknoten, die eine hohe Wertschöpfung haben.
Welche Wachstumsfelder sehen Sie?
Der Gelddruck bleibt ein sehr wichtiges Standbein, denn dieses Geschäft wird in den nächsten zehn Jahren sicher nicht wegfallen. Natürlich beschäftigt uns, wie das Geld der Zukunft aussehen wird. Deshalb beobachten wir Entwicklungen wie CBDC sehr genau. Aber digitale Zertifikate dürften viel schneller kommen, zum Beispiel digitale Pässe, Personalausweise, Identitätskarten oder Führerscheine.
«Verifizierbare digitale Nachweise sind ein neues Geschäftsfeld mit grossem Potenzial»
Unsere Stossrichtung liegt in diesem Bereich. Wir wollen das Wachstumspotenzial für digitale Nachweise nutzen. Wenn in der Schweiz der vom Staat herausgegebene elektronische Identifikationsnachweis (E-ID) kommt, dürfte das einen richtigen Schub auslösen.
An der Börse scheint diese Botschaft nicht anzukommen. Der Aktienkurs ist in den letzten Jahren gefallen.
Ich denke, die Investoren brauchen noch mehr Zeit. Im Moment schlägt sich dieses Geschäft noch nicht so sehr in unseren Zahlen nieder, zumal es im Aufbau ist. Verifizierbare digitale Nachweise sind aber ein neues Geschäftsfeld mit grossem Potenzial. Das wird sich früher oder später im Aktienkurs widerspiegeln.
Daniel Link leitet seit November 2019 die Geschäfte der Orell Füssli Holding. Zuvor war er seit 2018 CEO bei der Gebr. Loepfe AG in Wetzikon und davor acht Jahre CEO der Firma Bräcker. Link hat einen Abschluss als dipl. Mikrotechnik-Ingenieur der ETH Lausanne und einen Executive MBA in General Management der Universität St. Gallen.