Jahrelang galt der asiatische Markt als das grosse Eldorado für die Schweizer Privatbanken. Nun scheint dieser Trend zu kehren, wie verschiedene Vermögensstudien dokumentieren. Und er zeigt in eine Richtung, die für die Schweizer Institute höchst ungelegen kommt.
In diesen Wochen haben die alljährlichen «Wealth Reports» Hochkonjunktur. Dabei handelt es sich um zumeist höchst umfangreiche Studien, die der globalen Wohlstandsentwicklung nachgehen, sprich, analysieren, wo sich die grössten Vermögen befinden, und wie die Prognosen für die nächsten Jahre aussehen.
Diese Reports von Beratungsfirmen wie Boston Consulting Group, EY, Cap Gemini oder auch von Grossbanken wie die UBS oder Credit Suisse sind in der Privatbanken-Szene höchst beliebt. Denn sie liefern recht klare Indizien dafür, wie und wo sich die Schweizer Privatbanken am besten positionieren sollen.
Trendumkehr vollzogen
In den vergangenen zehn Jahren war die Stossrichtung ziemlich klar: Zwar gibt es bis heute noch immer am meisten private Vermögen in den USA, doch das höchste Wachstum war in den aufstrebenden Regionen Asiens zu beobachten, wo die meisten neuen Millionäre und Milliardäre bislang entstanden.
Wer die bisherigen Studien genau liest und sich in Finanzkreisen etwas herumhört, wird jedoch bald einmal feststellen, dass sich im Zuge der Corona-Pandemie eine Trendumkehr vollzogen hat. Zwar legt der Wohlstand in Asien weiter zu. Doch die USA weisen mittlerweile wieder grössere Wachstumsraten aus.
Asien wegen Corona unter Druck
Das kommt nicht von ungefähr. Beides illustriert sehr gut auch der am (gestrigen) Dienstag veröffentliche «Global Wealth Report» der Credit Suisse. Nächste Woche will auch Cap Gemini eine Studie vorstellen, die thematisch in die gleiche Richtung geht.
Tatsächlich wurden viele Länder in Asien von der Corona-Krise respektive von deren wirtschaftlichen Auswirkungen viel stärker getroffen als die USA. Und in China, wo zwar die Rückkehr zur Normalität rascher vonstatten ging, blieb die Vermögensentwicklung aufgrund innenpolitischer Restriktionen, dem fortdauernden Zwist mit den USA und der Schwäche der umliegenden Länder, die zweite und dritte Covid-19-Welle zu meistern, moderat.
«Lässt man den Anstieg der Vermögenspreise beiseite, dann könnte das Vermögen vieler privater Haushalte durchaus gesunken sein», sagt Anthony Shorrocks, Ökonom und Verfasser des CS-Reports.
Alarmsignal für Schweizer Banken
Im Gegensatz dazu konnten gerade während der vergangenen 18 Monaten in den USA viele Superreiche ihre Vermögen dank der enormen Börsenhausse, dem Boom in der Private-Equity-Branche sowie den Wertsteigerungen im Bereich der Kryptowährungen massiv Geld scheffeln.
Für Schweizer Banken sollte dies ein Alarmsignal sein. Denn bislang orientierten sich die meisten international ausgerichteten Finanzinstitute vorwiegend nach Osten, also nach China, Hongkong, Singapur und Japan. Demgegenüber blieben und sind bis heute ihre Aktivitäten jenseits des Atlantiks sehr beschränkt.
Paranoide Grundhaltung
Die Credit Suisse zog sich 2015 mit dem Verkauf ihrer Private-Banking-Aktivitäten an Wells Fargo zurück; auch Julius Bär ist onshore nicht präsent, obschon immer wieder die Spekulation kursiert, ein Standort in Miami stünde zur Debatte. Natürlich haben manche Schweizer Institute ein Präsenz in den USA, aber keine Buchungsplattform.
Natürlich hängt das zum einen von den sehr strengen Bestimmungen und Gesetzen in der US-Finanzbranche zusammen, zum anderen aber auch mit einer paranoiden Grundhaltung, die von den traumatischen Erfahrungen in den Jahren 2009 und 2010 herrührt.
Ein Schatten von früher
Damals setzte auf Geheiss einiger US-Politiker eine eigentliche Treibjagd auf Schweizer Bank ein, die letztlich darauf hinaus lief, dass viele, der einstmals in den USA tätigen Institute hohe Geldbussen der US-Justiz bezahlen mussten und ihre früheren Geschäfte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten einstellten.
Zwar haben manche Privatbanken eine Spezialabteilung für US-Kunden, die von der amerikanischen Börsenaufsicht auch lizenziert ist. Doch diese Geschäfte sind zumeist bloss ein Schatten dessen, was manche Banken in früheren Zeiten umsetzten.
Heikles Unterfangen
Wie schwer sich die Banken heute auf Druck der amerikanischen Justiz mit US-Kundinnen und Kunden tun, zeigt sich auch darin, dass selbst Schweizerinnen und Schweizer bei den meisten Bankgeschäft immer wieder ausdrücklich bekunden müssen, dass sie keine US-Staatsbürgerschaft besitzen.
Insofern ist für die hiesigen Geldhäuser das Geschäft mit US-Amerikanern ein überaus heikles Unterfangen. Und so besitzen auch viele von diesen Instituten auch keine Buchungsplattform in den USA – dies im Gegensatz zur Präsenz in Asien.
Swiss Banking in Gefahr
Nun jedoch das Vermögenswachstum wieder verstärkt in den USA stattfindet und weniger in Fernost, sind die Schweizer Banken tatsächlich falsch positioniert, so dass ihnen in den nächsten Jahren erkleckliche Erträge entgehen werden. Insofern wird es seitens der Bankenlobby noch erhebliche Informations- und Aufklärungsarbeit brauchen, damit die Schweizer Geldhäuser wieder im grösseren Stil den amerikanischen Markt bearbeiten werden.
Bis dahin läuft die Branche oder das ruhmreiche Swiss Banking Gefahr, bedeutende Marktanteile an die Konkurrenz zu verlieren, namentlich an US-Finanzgiganten wie J.P. Morgan, Goldman Sachs oder Morgan Stanley, die als traditionelle Investmentbanken nun auch ihre Vermögensverwaltungs-Sparten ausbauen, wie finews.ch verschiedentlich berichtete.