Die Aufsicht geht bei den Regeln für die Online-Kontoeröffnung erneut über die Bücher. Doch die Neuerungen bringen immer noch nicht den Durchbruch, sagt Karim Nemr vom Gesichtserkennungs-Startup PXL Vision.
Es ist wohl das Rundschreiben mit dem höchsten Anpassungsbedarf: Im Frühling 2016 regelte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) erstmals die Online-Kontoeröffnung. Das so genannte digitale Onboarding spielt bei vielen Fintech-Geschäftsmodellen eine zentrale Rolle – und die Technologie entwickelt sich derart rasant, dass die Behörde ihre Vorgaben letzten November nun schon das zweite Mal in die Revision schicken musste.
Die Neuerungen sollen insbesondere für eine bessere Skalierbarkeit des Onboarding sorgen; das Rundschreiben zur Video- und Online-Identifizierung erlaubt dazu neu die Verwendung biometrischer Chips, wie sie etwa in der neuesten Version der Schweizer Passes integriert sind. Die Anhörung zur Neuerung läuft noch bis am 1. Februar 2021 – und sorgt wie schon bei der erstmaligen Festlegung von vor vier Jahren für lebhafte Diskussionen.
«Kaum massentauglich»
Dies mittlerweile sogar ausserhalb der Finanzbranche: Karim Nemr, Mitgründer und Manager beim Zürcher Startup PXL Vision, gehen die Erweiterungs-Vorschläge der Finma zu wenig weit. «Die Erweiterung hin zu biometrischen Chips ist zu begrüssen; allerdings verfügt ein Grossteil der Nutzer noch nicht über entsprechende Ausweise, warum auch dieser Vorschlag kaum massentauglich ist.»
Das eigentliche Ziel, die breite und effiziente Anwendung der Online-Kontoeröffnung, bliebe damit erneut ausser Reichweite. Laut Nemr haben zudem die bereits seit 2016 genutzten Identifikationswege ihre Schwächen.
Ein Huhn-Ei-Problem
«Das Video-Onboarding ist für die Finanzakteure teuer und kaum skalierbar», erklärt der Jungunternehmer. Zudem hätten sich in der Praxis Probleme mit der Verständigung sowie mit der Qualität gezeigt. Die Online-Identifikation wiederum erweise sich für gewisse Kundensegmente als nicht nutzbar: Da der Erkennungs-Prozess eine Mikro-Transaktion beeinhaltet, können Nutzer ohne bestehendes Konto gar kein neues solches eröffnen.
Bei der Erstellung eines provisorischen Kontos für die Transaktion sind sich Finanzdienstleister bezüglich des Rechtsrahmens offenbar nicht ganz einig. «Gerade mit Blick auf eine jüngere Kundschaft ist dies problematisch», erklärt Nemr.
Er weiss, wovon er spricht, ist doch die digitale Identifikation das Kerngeschäft des ETH-Spinoffs, dass in letzten Jahren mit Auszeichnungen überhäuft worden ist: 2019 holte PXL Vision den Jungunternehmer-Preis Swiss Economic Award und den Swisscom Startup Challenge Award, dieses Jahr den Entrepreneur of the Year Award im Bereich Startups.
SIX und ZKB als Sponsoren
Vergangenen Mai, also kurz nach dem Corona-Shutdown, sammelte das Zürcher Startup 4,6 Millionen Franken an frischem Kapital ein. Die Geldgeber kommen auch aus der Finanzwelt: Zu den Investoren zählen der Wagniskapital-Fonds der Börsenbetreiberin SIX, die Zürcher Kantonalbank (ZKB) und die Arab Bank. Die ZKB ist auch Kundin von PXL Vision. Mit diversen Banken und Finanzdienstleistern sei man im Gespräch, sagt Nemr.
Er plädiert nun für eine erleichterte Online-Verifikation, die den Menschen «aus dem Loop» nimmt. Die Online-Identifikation sei auf die gleiche Stufe zu stellen wie das Onboarding über Video, das heute als präferierte Variante der Banken bei der digitalen Kontoeröffnung gilt. PXL Vision arbeitet auch mit Swiss ID zusammen, der privaten Schweizer Initiative hin zu einer staatlich anerkannten Schweizer elektronischen Identität.
Arbeiten Maschinen genauer?
Für die ZKB hat das ETH-Spinoff die erleichterte Online-Identifikation bereits umgesetzt. Für den Zutritt zur deren Vorsorge-App Frankly laden die Nutzer eine Kopie eines Ausweises hoch sowie ein Video-Selfie, das für die Gesichtserkennung genutzt wird. Weil die App nicht den Bestimmungen des Geldwäscherei-Gesetzes unterstellt ist, kann die Identifikation ohne die sperrige Mikrotransaktion auskommen.
Für Nemr ist das der Weg in die Zukunft. «PXL Vision ist der Überzeugung, dass Maschinen bei der Identifikation genauer und besser arbeiten, gerade etwa, was den Gesichtsabgleich betriff», sagt er.