Nach acht Jahren im Amt übergibt Thomas Ulrich als Präsident des Zürcher Bankenverbands das Zepter demnächst an einen Kollegen von der Credit Suisse. Im Interview mit finews.ch zieht Ulrich Bilanz und sagt auch, wo es noch hapert.


Herr Ulrich, Sie haben den Zürcher Bankenverband (ZBV) acht Jahre lang präsidiert. Was hat sich in dieser Zeit in der Branche am meisten verändert?

Anfang 2012 war die Branche noch stark von der Bewältigung der Finanzkrise gekennzeichnet. Inzwischen hat sie die Hausaufgaben meines Erachtens gemacht. Ausserdem hat die Regulierungsdichte kontinuierlich zugenommen, was sicher eine grosse Herausforderung bleiben wird.

Aber auch die Kundenbedürfnisse haben sich stark gewandelt – nicht zuletzt durch die Möglichkeiten der Digitalisierung. Und damit einhergehend hat sich auch das Berufsbild der Kollegin und des Kollegen an der Kundenfront stark verändert.

Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Anforderungen an das Bankpersonal, um den Herausforderungen von morgen zu begegnen?

Lernfähigkeit und der unbedingte Wille, sich ständig weiterzubilden. Die Veränderungen nicht nur nachvollziehen, sondern diese aktiv mit zu gestalten. Und noch etwas mehr Mut und Risikobereitschaft, wenn es um Innovationen geht, würde uns manchmal auch gut tun.

Wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückschauen, was haben Sie erreicht?

Es wäre vermessen zu sagen, was ich erreicht habe. Als Team haben wir im Vorstand, im Vorstandsausschuss und auch mit unserem Geschäftsführer immer ausgezeichnet zusammengearbeitet. Wir haben wirklich immer den gemeinsamen Nenner gesucht – und meist auch gefunden.

«Wir haben es geschafft, einen guten und sachlichen Dialog mit der Zürcher Politik zu etablieren»

Das war äusserst befriedigend und hat grosse Freude bereitet. Wir haben es geschafft, einen guten und sachlichen Dialog mit der Zürcher Politik zu etablieren und zu unterhalten. Unsere Stellungnahmen und Veranstaltungen finden Beachtung, unsere Positionen werden gehört.

Ich bin stolz, meinem designierten Nachfolger Daniel Hunziker ein Top-Team zu hinterlassen, das ausgezeichnet zusammenarbeitet und so noch viel erreichen wird. Im ZBV kann man tatsächlich etwas bewirken!

Welche Stärken weist Zürich im Vergleich zu anderen Finanzplätzen auf?

Zürich ist in Europa hinter London der zweitgrösste Finanzplatz und stark auf das grenzüberschreitende Vermögensverwaltungsgeschäft ausgerichtet. In diesem Bereich hat er eine führende Stellung. Er profitiert von ausgezeichneten Fachkräften, politischer und gesellschaftlicher Stabilität und gleichzeitig grosser Innovationskraft.

«Man kann die Bedeutung von offenen und frei zugänglichen Märkten nicht genug betonen.»

Eine wesentliche, leider oft unterschätzte Stärke Zürichs und der Schweiz ist zudem die ausgezeichnete internationale Vernetzung. Wir müssen alles daran setzen, diese zu erhalten und weiterzuentwickeln. Marktzugang, vor allem auch in Europa, ist absolut zentral.

Mehr oder weniger jeder zweite Arbeitsplatz in Zürich hängt direkt oder indirekt davon ab, dass wir weiterhin den Zugang zu ausländischen Märkten haben und Kundinnen und Kunden aus der Schweiz heraus beraten dürfen.

Man kann die Bedeutung von offenen und frei zugänglichen Märkten nicht genug betonen. Für eine dienstleistungsorientierte Volkswirtschaft, die Know-how als einzigen Rohstoff hat, ist dies absolut überlebenswichtig. Das gilt nicht nur für die Banken.

Wo besteht noch Handlungsbedarf?

Wir haben es noch viel zu wenig geschafft, unsere Anliegen nach Bern zu tragen. Wir haben auch viel zu wenig «Bänkler», die in Bern im Parlament die Anliegen unserer Branche vertreten.

«Möchten Sie Ihre Unternehmensnachfolge mit einem Roboter debattieren?»

Und wir können noch besser und intensiver mit anderen Verbänden zusammenarbeiten. Da bin ich mit dem Erreichten nicht gänzlich zufrieden und sehe noch ein ordentliches Stück Arbeit auf uns zukommen.

Welche Weiterbildungsthemen sollten noch verstärkt behandelt werden?

Man muss natürlich das Bank-Handwerk beherrschen. Weiter müssen «Bänklerinnen» und «Bänkler» absolut fit in Sachen IT und Digitalisierung sein. Wer in der Beratung tätig ist, braucht weiterhin entsprechende Kommunikationsfähigkeiten.

Für anspruchsvolle Beratungssituationen wird es immer Menschen brauchen, die mit Menschen sprechen. Oder möchten Sie Ihre Unternehmensnachfolge mit einem Roboter debattieren?

Was wünschen Sie Ihrem designierten Nachfolger Daniel Hunziker?

Dieselbe Freude und Befriedigung, die ich in den vergangenen acht Jahren im Rahmen dieses Mandats erleben durfte.


Von 2009 bis Oktober 2017 verantwortete Thomas Ulrich als Regionaldirektor und Leiter Wealth Management das Marktgebiet Zürich der UBS. In der Folge übernahm er die Leitung des Bereichs Governmental Affairs in der Abteilung Group Regulatory & Governance. In den vergangenen acht Jahren präsidiert er zudem den Zürcher Bankenverband (ZBV), dem rund 40 Finanzinstitute sowie die wichtigsten Versicherungen angehören. Der promovierte Ökonom startete seine Laufbahn in den 1980er-Jahren beim Schweizerischen Bankverein (SBV) und übte diverse Funktionen im Privat- und Firmenkundengeschäft der UBS aus.