Das Renditekalkül lässt für heimische Investoren kaum einen anderen Schluss zu, als von Anlagen in US-Staatsanleihen abzusehen und das Pulver im Trockenen zu halten, so Investmentexperte Franz Wenzel.

Franz Wenzel ist Anlagestratege für institutionelle Kunden bei Axa Investment Managers. Er schreibt abwechselnd mit Richard Mooser eine Kolumne für finews.ch.

Höhere Ölpreise und sich stabilisierende Wirtschaftsdaten haben die Zinsen von 10-jährigen US-Staatsanleihen über die 3-Prozent-Marke geliftet. Derartige Renditen waren letztmalig Ende 2013 zu verbuchen, nachdem der damalige Notenbankchef Bernanke mit dem wenig rühmlichen «Taper Tantrum» das Ende von Quantitative Easing (QE) eingeläutet hatte.

Viel interessanter ist die Tatsache, dass sich die Zinsabstände zu Schweizer Eidgenossen und deutschen Bundesanleihen (gemessen an 10-jährigen Laufzeiten) auf Niveaus bewegen, die weitaus länger zurückliegen. Schweizer Investoren verbuchten ähnliche Zinsvorteile zuletzt vor 20 Jahren auf dem Börsenticker. Im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen muss man sogar bis Ende der 1980er-Jahre zurückblicken. Das weckt sicherlich Interesse bei europäischen Investoren.

Vermeintlicher Zinsvorteil

Während das absolute Niveau von über 3 Prozent für US-Investoren verlockend erscheinen mag, sind europäische Investoren gehalten, Währungsüberlegungen als zentralen Entscheidungsparameter in die Anlageentscheidungen einzubeziehen. Unter diesem Blickwinkel kehrt sich der vermeintliche Zinsvorteil sehr schnell in einen deutlichen Malus. Währungsabsicherungen sind naturgemäss eher kurzfristiger Natur und reichen kaum über ein Jahr hinaus.

Angesichts der Zinsdifferenz am kurzen Ende bedeutet dies aber für einen Schweizer Investor Absicherungskosten von aktuell zirka 320 bis 350 Basispunkten, während im Segment der 10-jährigen Laufzeiten eine Zinsdifferenz von lediglich 300 Basispunkten zu erwirtschaften ist. Das rechnet sich nicht.

Steigende Absicherungskosten

Erschwerend kommt hinzu, dass seitens der US-Geldpolitik ein Ende der Zinserhöhungen nicht in Sicht ist. Wir erwarten noch mindestens drei Zinserhöhungen dieses und vergleichbar viele nächstes Jahr. Dies bedeutet einfach gesprochen wenigstens 3 Prozent am kurzen Ende. Europäische Investoren sind daher gut beraten, sich auf weiter steigende Absicherungskosten über die kommenden 12 bis 18 Monate einzurichten.

Damit stellt sich die Frage, wie sich der Renditeverlauf in den kommenden 12 bis 18 Monaten für US-Staatsanleihen darstellen wird. Gemessen am Realzins-Niveau haben die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen noch Luft nach oben. Bei 3 Prozent Nominalzinsen und einer aktuellen Inflation um die (grob gerechnet) 2 Prozent ergibt sich ein Realzins von zirka 1 Prozent.

Die neue langfristige Norm?

Möglicherweise ist das angesichts des allgemein niedrigeren weltweiten Wachstums und eines moderaten Inflationsumfelds die neue langfristige Norm. Allerdings waren seit Beginn dieses Jahrtausends auch Realzinsniveaus von 2 Prozent und mehr zu verzeichnen.

Mitte 2006, Anfang 2007 lagen die (US-)Realzinsen zwischen 2 Prozent und 3 Prozent. Damit liegen Nominalrenditen von 4 Prozent für 10-jährige US-Staatsanleihen im Rahmen des Möglichen.

Negatives Überraschungspotenzial

Die Erfahrung zeigt aber auch, dass sich gegen Ende des Konjunkturzyklus die Renditestruktur-Kurve abflacht oder, je nach Datenlage, sogar gegen respektive unter null bewegt. Mit anderen Worten, die Investoren erwarten eine deutliche Abkühlung der Konjunktur – möglicherweise initiiert durch eine zu straffe Geldpolitik ‒ und setzen vermehrt auf sinkende Renditen, wenn sich die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Abkühlung durchsetzt.

Bei einem Geldmarktniveau von etwa 3,5 Prozent bis Ende 2019 würde dies dann ein ähnliches Zinsniveau am langen Ende implizieren. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass die Märkte im Moment US-Zinsen von lediglich 3,2 Prozent handeln und damit genügend negatives Überraschungspotential bieten.

Keine leichte Aufgabe

Das reine Renditekalkül lässt daher für den heimischen Investor kaum einen anderen Schluss zu, als von Anlagen in US-Staatsanleihen abzusehen und das «Pulver» im Trockenen zu halten ‒ angesichts negativer Zinsen im Bereich kurzer Laufzeiten sicherlich keine leichte Aufgabe.

Eine rein auf die Rendite abzielende Wertung kann sich allerdings als zu singulär erweisen für breit diversifizierte Portfolios. Eine solide aufgesetzte Anlagestrategie sollte weitere Faktoren ins Kalkül einbeziehen. Augenfällig sind etwa der politische Rahmen, die Diversifizierung oder die Liquidität der jeweiligen Vermögensklassen.


wenzel franz 134 192Franz Wenzel gehört seit Oktober 2016 dem Team ‹Multi Asset Client Solutions› von Axa Investment Managers an. Seit Mai 2012 koordinierte er als Chefstratege die Abteilungen makroökonomische Forschung und Investment-Strategie. Zwischen 2005 und 2010 war er stellvertretender Direktor der Abteilung Research & Investment. Wenzel stiess Ende 1997 als Senior Investment Strategist zu Axa IM und war verantwortlich für die makroökonomische Analyse der Eurozone und daran angrenzender Länder. Ab 2000 beschäftigte er sich schwerpunktmässig mit dem weltweiten Aktienmarkt und Rohstoffen als Anlageklasse.

Zuvor hatte er drei Jahre als Chief Investment Officer für das Bankhaus Metzler in Frankfurt/Main gearbeitet. Zu Beginn seiner Karriere war er als Marktstratege und Produktentwickler bei der Commerzbank in Frankfurt/Main tätig gewesen. Von 1985 bis 1988 hatte er einen Lehrauftrag im Fach Banking and Finance an der Universität Würzburg, Deutschland, wo er 1989 in Betriebswirtschaft promovierte.