Ein ehemaliger Hedgefonds-Manager hat mit Lattice80 in kürzester Zeit den grössten Fintech-Hub der Welt aufgebaut. So ungewöhnlich die Philosophie dahinter ist, so hoch sind die Ziele – auch in der Schweiz.
Es ist eine Traum-Location für einen Fintech-Hub – für Startups wie auch für Besucher: Mitten im Finanzdistrikt von Singapur, keinen Steinwurf von den Grossbanken UBS, Deutsche Bank, DBS oder OCBC entfernt, besetzt Lattice80 auf zwei Stockwerken knapp 3'000 Quadratmeter Fläche für Arbeitsplätze und Veranstaltungen.
Bei einem Augenschein von finews.ch herrschte rege Betriebsamkeit in Lattice80. Seit der Gründung im November letzten Jahres haben sich 85 Fintech-Startups dort eingemietet. Es könnten deutlich mehr sein, aber das Platzangebot sei leider noch beschränkt, sagt Gründer und CEO Joe Seunghyun Cho entschuldigend.
Regierungsvertreter gehen ein und aus
So oder so: Cho hat Lattice80 aus dem Nichts zum grössten Fintech-Hub der Welt geformt. Das Konzept erregt Aufsehen. Über 100 Länder hätten ihn in den vergangenen Monaten kontaktiert, Regierungsvertreter aus Australien, Luxemburg sowie der Premierminister der Niederlande waren zu Besuch wie auch Bundesrat Ueli Maurer (Bild unten) im vergangenen April, wie finews.ch berichtete.
Lattice80 ist mit seinem Konzept eine Macht in der globalen Fintech-Welt, die über Jungunternehmen, Daten, Know-how und Netzwerke verfügt. Neben Regierungsvertretern gehen auch Regulatoren und Banker bei Lattice80 ein und aus – holen sich Rat, Input und Kontakte.
Kein richtiges Unternehmen
Lattice80 ist eine besondere Kategorie von Fintech-Hub. Cho erklärt: «Wir sind weder ein Anbieter von Arbeitsplätzen noch ein Fintech-Accelerator. Wir sind eigentlich auch kein richtiges Unternehmen, sondern eine private, unabhängige Organisation, die am Puls der Fintech- und Startup-Community in Singapur und weltweit sein möchte.»
Das klingt nicht nach dem Hedgefonds-Manager, der Cho vor der Gründung von Lattice80 war. Zwar hat der Südkoreaner für den Fintech-Hub auch ein Geschäftsmodell entwickelt, doch dieses dient der Deckung der Kosten.
Andere unterstützen, um vom Fintech-Boom zu profitieren
Profit und Rendite zu erzielen, gehört nicht in die Lattice80-Philosophie. «Wir wollen von den Fintechs in Lattice80 nicht profitieren», so Cho. Er verlangt von den Startups keine Anteile oder exklusiven Rechte. «Unser Ziel lässt sich am besten so beschreiben, dass wir andere dabei unterstützen, um vom Fintech-Boom zu profitieren.»
Man könnte auch sagen: Cho baut um sich herum eine Fintech-Gemeinschaft auf, deren Zentrum zunächst noch Singapur ist, die aber bald ein globales Netzwerk in Städten auf allen Kontinenten bilden soll.
Schweiz hat Potenzial zum europäischen Fintech-Hub
Sein Ziel ist eine rasche Expansion von Lattice80, indem er das Konzept in einem Franchise-System vervielfältigt. Dabei hat Cho auch die Schweiz auf dem Radar, deren Fintech-Regulierung er lobt. «Wir glauben, dass die Schweiz das mitunter grösste Potenzial hat, zum führenden Fintech-Hub Europas zu werden», ist Cho überzeugt. Gespräche seien im Gange, ein Lattice80 in der Schweiz zu eröffnen.
Skalieren ist auch bei Lattice80 das Wort der Stunde. Zehn Fintech-Hubs unter dieser Marke mit jeweils 100 Startups würden dem Unternehmen einen theoretischen globalen Marktanteil von 10 Prozent in der Fintech-Branche bescheren.
Wobei Cho Wettbewerb- und Konkurrenzdenken weit von sich weist. «Wir glauben nicht an Wettbewerb. Wir sind hier, um zu helfen.»
Ein Dreieck, in dem alle profitieren
Fintechs erhalten billige Arbeitsplätze und Zugang zur Finanzindustrie und zu Regulatoren. Behörden können bei Lattice80 Innovations-Know-how anzapfen, und Banken erhalten einfachen und direkten Zugang zu Ideen und Konzepten für ihre eigenen Entwicklungen.
«Goldman Sachs oder Hedgefonds haben schlicht nicht die Strukturen, um in Fintechs zu investieren», sagt Cho. «Darum kommen sie zu uns, denn wir haben den engen Kontakt und verfügen über Daten, um eine einfache Due Diligence durchzuführen.»
Mit dieser Kundenstruktur deckt Lattice80 die Interessen der Fintech-Branche in aller Breite und Tiefe ab, sollten die Expansionspläne von Cho aufgehen. Ganz ohne Wettbewerbsgedanken kommt er aber doch nicht aus, wenn er sagt: «Auf diese Weise können wir die Wertschöpfungskette der Fintech-Industrie dominieren.»