Jordan Belfort, der echte «Wolf of Wall Street», merkte bald, dass hinter dem Film dubiose Produzenten standen, die auch Leonardo DiCaprio über den Tisch zogen, wie er im Interview mit finews.ch erzählt. 


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Herr Belfort, war Ihnen seinerzeit bewusst, dass es mit Ihrer Firma Stratton Oakmont schief gehen könnte?

Ja, absolut. In dieser Hinsicht ist der Film «Wolf of Wall Street» inakkurat. Ich habe meine Aktien verkauft und stieg aus. Im Film hingegen bin ich bis zuletzt dabei. Die Firma existierte nach meinem Abgang noch vier Jahre, wovon ich während einem hinter den Kulissen aktiv blieb. Aber operativ führte damals bereits mein Geschäftspartner Danny Porush den Laden.

Am Ende war es weniger die Gier, die mich noch eine Weile zum Bleiben bewog, als vielmehr der Umstand, dass das Unternehmen mein Baby war.

Es stimmt auch nicht, dass wir die Leute dauernd über den Tisch gezogen haben, wie das der Film darstellt. Wäre dies der Fall gewesen, würde ich es heute zugeben, denn mittlerweile ist mir die Zeit von damals egal. Ich bin heute ein anderer Mensch. Ich habe eine Vergangenheit verarbeitet und überwunden. Was mich am ganzen Film stört ist die Tatsache, dass man die Geschichte viel besser hätte erzählen können.

Wie haben Sie sich schliesslich von Ihrer Firma losgesagt?

Die letzten zwei Jahre ging ich kaum mehr zur Arbeit. Die Journalisten, die später mit mir zu tun gehabt haben, glaubten mir das nicht, weil sie eine vorgefasste Meinung hatten. Aber es ist so.

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Heute kümmert es mich überhaupt nicht mehr, was die Medien über damals schreiben, weil es mein jetziges Leben nicht länger tangiert. Doch wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, dann kann ich Ihnen sagen, dass ich meinen Job eigentlich von Anfang an gehasst habe.

Warum haben Sie ihn dann trotzdem gemacht?

Weil ich süchtig auf das Geld war, das ich dabei verdienen konnte, und auf die Macht und die Bewunderung, die ich genoss – von all diesen Leuten um mich herum, die mich «The King» nannten. Natürlich habe ich immer versucht, legale Dinge zu tun, ich hab’s versucht...

Sie haben später behauptet, Sie hätten Stratton Oakmont ohne betrügerische Absichten gegründet. Warum kamen Sie von diesem Weg ab?

Irgendwann habe ich festgestellt, wie schwierig es ist, wirklich gute Firmen zu finden (um mit deren Aktien zu handeln; Red.). So viele CEOs haben mich einfach angelogen. Ja, das haben sie, als sie mir ihre Aktien andrehten. Jeder erzählt Dir eine wundervolle Story.

Ok, wenn Sie so wollen, bin ich durchaus leichtgläubig. Ich bin ein Trottel. Bis heute kann man mich mit etwas Geld leicht verführen.

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Damals wollte ich einfach diesen Geschichten glauben, die mir die CEOs erzählten. Mit diesem Anspruch hatte ich auf die übrigen Mitarbeiter bei Stratton Oakmont eine riesige Strahlkraft und Glaubwürdigkeit. Das verlieh uns eine einzigartige Einkaufsmacht in der ganzen Branche. Das war neu. Wir konnten riesige Mengen von Aktien kaufen und etwas bewegen. Doch leider haben wir allzu oft die falschen Aktien erworben.

Wie meinen Sie das?

Ich gebe Ihnen ein fiktives Beispiel: Stellen sich die Firma Apple mit ihrem iPhone vor. Alle wollen ein iPhone haben. Weil Apple aber nicht so viele Stücke liefern kann, beschliesst das Unternehmen, eine etwas schlechtere iPhone-Version auf den Markt zu bringen, die mit der selben Energie und mit den selben Argumenten verkauft wird. So war es mit den Aktien, die Stratton Oakmont seinen Kunden andrehte. Sie waren einfach schlechter.

Nach Ihrer Verhaftung wurden Sie zu 22 Monaten Haft verurteilt. Mit welchem Erkenntnisgewinn kehrten Sie danach in die Freiheit zurück?

Eine Erkenntnis war zweifelsohne, dass meine Mutter Recht hatte, als sie mir sagte, wer sich zu den Hunden legt, muss sich später nicht wundern, wenn er Flöhe hat. Die Leute, mit denen man sich umgibt, färben auf einen ab.

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Ich habe tatsächlich den grossen Fehler gemacht, dass ich mich mit den falschen Menschen einliess. Bis ich Anne (seine Verlobte und heutige Geschäftspartnerin Anne Koppe) traf. Das war ein Glücksfall, weil Anne sehr, sehr bedacht ist, mit wem man sich einlässt. Sie besitzt einen moralischen Kompass. Es ist gut, jemanden an seiner Seite zu haben, der darauf achtet, dass man sich nur mit wundervollen Menschen verbündet.

Wie oft bin ich doch früher in Schwierigkeiten geraten, weil ich mich mit den falschen Personen zusammengeschlossen hatte. Nicht grundsätzlich schlechte Menschen, doch solche, die der Gier des Geldes verfallen waren.

Wenn man Sie so reden hört, wirken Sie reflektiert und auch selbstkritisch. War das früher anders?

In meiner Kinder- und Jugendzeit schien es bei uns zu Hause immer zu wenig Geld zu geben. Das hat mich dann besonders als Teenager besonders gestört, als ich sah, wie andere Leute wesentlich mehr Geld besassen.

Ich war ein Spätzünder, und wollte ein Mädchen haben. Also begann ich, Geld mit dem Erfolg bei Mädchen zu assoziieren. Und ich bin nicht der Erste, der sich auf der Jagd nach Frauen ins Verderben ritt. Oder?

Und auch nicht der Letzte...

Ich denke, als Heranwachsender ist es wichtig zu wissen, worin man gut ist und worin nicht, seine Stärken zu kennen und seine Schwächen, ehrlich und selbstkritisch. Natürlich sind auch nicht alle Menschen gleich, manche haben den Hang dazu, hereingelegt zu werden.

Wo stehen Sie heute?

In meinem jetzigen Alter (53 Jahre) bin ich gereifter und erfahrener. Ich habe viel Lehrgeld bezahlt, so dass ich heute nicht in irgendwelche Schwierigkeiten geraten will. Da habe ich einen Strich gezogen. Man kann ja auch nicht ein bisschen schwanger sein.

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So ist es auch mit Prinzipien. Entweder man hält sich daran oder halt nicht. Das ist meine Überzeugung. Fragen Sie Anne. Sie wird es Ihnen bestätigen, dass ich heute ein Leben führe, das meilenweit von den Schwierigkeiten entfernt ist, in die ich mich seinerzeit hineingeritten habe.

Können Sie dafür ein konkretes Beispiel aus Ihrem heutigen Alltag erzählen?

Klar, schauen Sie sich «The Wolf of Wall Street» an. Der Film war ein Riesenerfolg, und dann stellt sich heraus, dass die Typen, die ihn finanziert haben, kriminell sind. Dieser Jho Low (einer der Drahtzieher, die mit veruntreutem Geld den Film finanziert haben) hat «Leo» (Leonardo DiCaprio, der die Rolle von Jordan Belfort spielte) in diese Sache reingezogen.

Glauben Sie mir, Leo ist ein ehrlicher und anständiger Bursche. Aber all die anderen, die mir im Zusammenhang mit diesem Film begegnet sind... Ich habe zu Anne gesagt: Das ist ein Haufen verdammter Krimineller.

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Ich traf diese Leute erstmals bei einer Launch-Party für den Film. Man flog uns nach Cannes ein, vier oder fünf Monate, nachdem sie die Filmrechte erworben hatten. Das wollten sie in Cannes öffentlich bekanntgeben. Zu dem Zeitpunkt war der Film erst ein Projekt. Trotzdem veranstalteten sie eine Riesenparty. Sie müssen mindestens drei Millionen Dollar dafür ausgegeben haben. Sie flogen sogar Kanye West ein. Ich sagte zu Anne: Das stinkt zum Himmel, das ist ein verdammter Beschiss. Wer sein Geld selber verdient hat, der gibt es nicht so aus.

Was geschah später, als die zweifelhafte Produktionsfirma Red Granite mit den veruntreuten Millionen aus dem malaysischen Staatsfonds 1MDB den Film drehte?

Die Filmarbeiten begannen, und ich verbrachte eine Menge Zeit mit Leo. Die Leute von Red Granite wollten mich nach Las Vegas einladen – mit Leo. Sie boten mir Geld an und alles nur Erdenkliche, bloss damit ich mit ihnen nach Las Vegas ging – es war enorm viel Geld, bestimmt eine halbe Million Dollar. Doch ich habe mir gesagt: Das kannst Du nicht tun.

Leo ging nach Las Vegas, Margo (Margot Robbie, welche die weibliche Hauptrolle im Film spielt) ging ebenfalls. Ich habe mich geweigert.

Darum fiel ich dann später aus der Produktion heraus, wurde nicht mehr erwähnt. Aber ich habe meine Lehren gezogen. Sie wollten mich kaufen. Aber es ist ihnen nicht gelungen. Ich habe mir gesagt, ich brauche diese verdammten Bastarde nicht. Ich wusste, dass das nicht gut herauskommen würde. Es war offensichtlich.


Weitere Auszüge aus dem Exklusiv-Interview mit Jordan Belfort bringt finews.ch in den nächsten Tagen.