Die ungewisse Zukunft des Londoner Finanzplatzes nach dem Brexit-Votum veranlasst diverse Finanzinstitute, sich nach alternativen EU-Standorten umzuschauen. Ganz zur Freude der Standortförderer.
Der Chef der Schweizer Börse SIX, Urs Rüegsegger, will Nägel mit Köpfen machen. Anstatt abzuwarten, wie die britische Regierung den Austritt aus der Europäischen Union zu gestalten gedenkt, schaut er sich nach alternativen Standorten innerhalb der EU aus.
Deshalb hat die SIX Gespräche mit der deutschen Finanzaufsicht Bafin aufgenommen, wie auch finews.ch berichtete. Ebenso spielt UBS-Chef Sergio Ermotti mit dem Gedanken, an die 1'500 Jobs von London in andere Regionen Europas zu verschieben.
Unter grossem Druck stehen auch die Wall-Street-Banken. Die grosse Mehrheit ihrer Angestellten in Europa ist in der «City» stationiert.
Buhlen um Londons Banker
Standortförderer von Dublin bis Madrid reiben sich ab solchen Verlagerungsplänen die Hände – sie wollen die Londoner Banker zu sich holen. Dafür rühren sich kräftig die Werbetrommeln.
Allerdings scheinen sie dabei einen wichtigen Faktor vergessen zu haben: ein ausreichendes Platzangebot. Zu diesem Schluss kommt der in Dublin ansässige Immobilienmakler Savills, wie die irische Tageszeitung «Independent» am Donnerstag berichtete.
Mangel an Infrastruktur
So haben laut Bericht Dublin, Madrid oder Amsterdam derzeit kein Bürokomplex, der Platz für 5'000 Mitarbeiter bietet. Zwar seien entsprechende Bauprojekte in den drei Städten aufgegleist worden. Bezugsbereit seien die Gebäude aber frühestens in eineinhalb Jahren, hiess es weiter.
Derzeit böten einzig Paris und Frankfurt Kapazitäten in dieser Grössenordnung, so Savills. Ausreichend Platz habe es im Pariser Distrikt La Defense (siehe Bild). Dort stünden acht Gebäude leer, die je rund 2'000 Mitarbeiter unterbringen können. In der deutschen Finanzmetropole sind es laut Bericht fünf Gebäude.
Zu früh gefreut?
Ob überhaupt europäische Städte vom Brexit im erhofften Masse profitieren, ist ohnehin alles andere als gewiss. Geht es nach dem UBS-Präsidenten Axel Weber, wird die britische Regierung denn auch alles daran setzen, ihren Finanzplatz – notabene der weltweit grösste – zu verteidigen, wie auch finews.ch berichtete.
Hinzu kommt, dass die Arbeitsmärkte innerhalb der EU teils sehr stark reguliert sind – insbesondere in Frankreich. Die Banken werden sich somit hüten, Kapazitäten in einem Land aufzubauen, die sich danach kaum mehr verändern lassen.