ESG – immer mehr Banker verdrehen die Augen, wenn sie nur schon die drei Buchstaben hören. Eine Studie zeigt nun erstmals auf, weshalb Nachhaltigkeit bei Banken  fast nur noch ein regulatorisches Muss-Thema ist.

Nachhaltigkeit war auch in der Finanzbranche mal ein grosses Thema. Noch vor ein paar Jahren konnte kein Finanzinstitut grün genug sein und ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) wurde zum neuen ABC jedes modernen Finanzinstitutes. Eine Vielzahl nachhaltiger Fonds wurde auf den Markt geworfen. Heute stehen den Kunden fünf Mal mehr grüner Fonds zur Verfügung als noch 2018.

Der Wind hat unlängst gedreht. Banken sehen ESG heute vor allem als Pflichtaufgabe und weniger als Geschäftschance. Das hängt auch den steigenden regulatorischen Vorgaben zusammen. Seit Anfang Jahr sind die Banken zur Erhebung der Nachhaltigkeitsvorlieben ihrer Kundschaft verpflichtet: Hat die Kundschaft nachhaltige Anlagepräferenzen, müssen Banken zukünftig sicherstellen, dass die angebotenen Anlageprodukte mit diesen in Einklang stehen. So sieht es die Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung vor. Auch im Hypothekargeschäft sind die Banken angehalten, Sanierungsbedarfe und Energieeffizienz aktiv zu thematisieren. Und Banken mit über 500 Mitarbeitenden müssen ab diesem Jahr öffentlich über Klimabelange Bericht erstatten.

Wer mehr macht, profitiert kaum davon

Dies ist nur ein Aspekt. Eine Studie vom zeb, das auf die Beratung von Unternehmen aus Finanzdienstleistungsbranche spezialisiert ist, zeigt nun auf: Die Banken haben das Interesse an dem Thema auch verloren, weil es für sie damit wenig zu holen gilt. Oder wie es Wieland Weinrich, Senior Manager von zeb in der Schweiz formuliert: «Wer mehr macht, profitiert kaum davon. Denn die Nachfrage der Kunden nach ESG-Produkten und Beratung bleibt hinter den Erwartungen zurück.»

Erfahrungen aus der Praxis  zeigen, dass weniger als 10 Prozent der Schweizer Privatkunden streng nachhaltige Anlageprodukte wählen. Die Kredite für energetische Sanierungen machen deutlich weniger als 5 Prozent an den finanzierten Liegenschaften aus.

Für die internationale Studie wurden Regional- und Grossbanken aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein befragt. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Für 97 Prozent der von zeb befragten Institute ist zwar eine positive ökologische Aussendarstellung mindestens ebenso wichtig für ihren Ruf wie Seriosität oder solide Geschäftszahlen. Aber nur 17 Prozent beschreiben ein grünes Image als prägenden Faktor für die Aussenwahrnehmung.
  • Bei ihrem ESG-Engagement sind für die Mehrheit der befragten Institute die regulatorischen Vorgaben wichtiger als die Erwartungen von Stakeholder.
  • Die Verfügbarkeit von ESG-relevanten Daten wird als das grösste Hemmnis für den Ausbau des ESG-Risikomanagements und die Formulierung von belastbaren ESG-Zielen bezeichnet
  • Nur 25 Prozent der befragten Institute sehen in ESG aktuell einen positiven Treiber für die Erfolgsrechnung, ebenso viele sehen klar negative Effekte.

Nur Beratung für Firmenkunden lohnt sich

Insbesondere das letzte Fazit mag aus dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ernüchternd sein. Aber laut Wieland Weinrich ist es letztlich nicht weiter erstaunlich: «Banker sind Geschäftsleute. Wenn sich ESG für sie lohnen würde, hätten sie längst grössere Anstrengungen unternommen», sagt er. Insofern sei es richtig, dass nun Politik und Branchenverbände über die Regulatorik Mindestanforderungen setzen, die für alle gelten.

Um in Zukunft den ESG-Reifegrad zu erhöhen und in Einklang mit den Stakeholdern zu kommen, sieht zeb drei zentrale Stellhebel: Banken müssen sich konsequent auf die Verbesserung ihrer ESG-Datenkompetenz konzentrieren, ESG in den Management-Prozessen und Governance-Strukturen verankern und alle Stakeholder nach der Devise «nicht predigen, sondern informieren» einbeziehen.

Das grösste Potenzial für Banken laut zeb liegt derzeit in der ESG-spezifischen Beratung für Firmenkunden. Durch steigenden Finanzierungsbedarf ist hier mit einem jährlichen Zusatzerttrag von rund 700 Millionen Franken zu rechnen.