Eine Studie der Bankiervereinigung beleuchtet die Risiken, welche die wachsenden internationalen Spannungen für den Bankenplatz Schweiz mit sich bringen. Darin wird eine klare Positionierung gegenüber Sanktionen gefordert, ohne sich inhaltlich festzulegen.
Die Geopolitik erlebt spätestens seit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine im Februar 2022 ein Revival. Es gibt kaum ein grösseres Unternehmen, dessen Exponenten es versäumen, geopolitische Entwicklungen als erhebliches Risiko für das künftigen Geschäftsverlauf zu erwähnen. Vor kurzem ergab eine Umfrage, dass sich auch zwei Fünftel der kleineren und mittleren Unternehmen um «aussenpolitische Entwicklungen» sorgen. Und die mit dem Revival der Geopolitik verbundene Renaissance der Zölle vergällt offenbar sogar den Chinesen die Lust auf ausländische Spirituosen.
Am Donnerstag hat nun die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen zeb eine Studie vorgelegt, bei der ebenfalls die Geopolitik im Zentrum steht – oder genauer die Auswirkungen der internationalen Konflikte auf den Bankenplatz Schweiz. Ein wenig überraschendes Ergebnis der Publikation «Der Schweizer Finanzplatz im Spannungsfeld geopolitischer Risiken» lautet, dass Banken mit einer internationalen Kundschaft stärker darunter leiden als solche, deren Geschäftsmodell national ausgerichtet ist.
«Komplexe Interdependenzen» und sicherer Hafen
Etwas konkreter, aber immer noch recht allgemein, sind die fünf wichtigsten Erkenntnisse und die damit verbundenen Forderungen, die der SBVg erhebt.
Erstens erzeugen geopolitische Risiken «komplexe Interdependenzen», die das Risiko für Schweizer Banken erhöhen. In solchen Zeiten ist der Status als sicherer Hafen für die Stabilität des Finanzplatzes besonders wertvoll.
Strategie gegenüber internationalen Sanktionen neu definieren
Zweitens identifiziert die Studie die Haltung der Schweiz gegenüber internationalen Sanktionen als wichtigsten geopolitischen Risikofaktor. Die Folgerung: In einer multipolaren Weltordnung müsse unser Land seine Rolle und Strategie in Bezug auf Sanktionen neu definieren und zudem seine Neutralität klären. Umgekehrt komme auch den Banken bei der Beeinflussung und Ausgestaltung der Sanktionspolitik eine entscheidende Rolle zu. Für die Banken sei ein proaktives Risikomanagement unerlässlich.
Drittens sind laut SBVg das internationale Grosskundengeschäft und das Asset Management am stärksten von den geopolitischen Spannungen betroffen und könnten durch die volatile Lage an den globalen Märkten Einbussen erleiden. Hingegen profitieren das nationale Wealth Management und das Retail Banking vom Ruf der Schweiz als sicherer Hafen.
Erheblicher Investitionsbedarf bei der Technologie
Viertens wird die Fähigkeit des Finanzplatzes, sich rasch und effektiv an neue Herausforderungen anzupassen, als ein bereits in der Vergangenheit entscheidender Erfolgsfaktor identifiziert, der heute wieder besonders aktuell ist.
Fünftens wird die Digitalisierung, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), für die Wettbewerbsfähigkeit ein Schlüsselfaktor sein. Schweizer Banken müssten deshalb erheblich investieren, um sich auf einem zunehmend globalen und technologiegetriebenen Markt zu behaupten, hält die SBVg fest –die Studie subsumiert Cyberbedrohungen unter geopolitische Risiken, so dass auch die Technologieseite betrachtet wird.
Geopolitik auch auf dem Programm des Bankiertags
Die Studie basiert auf der Analyse von über 130 Publikationen (wobei dafür auch KI eingesetzt wurde) und 22 Interviews mit Bankern und Akademikern. Die Ergebnisse wurden anschliessend von Experten ausgewertet, wobei die Wechselwirkungen zwischen Makrorisiken und dem Einfluss auf die Geschäftsmodelle im Zentrum standen. Abschliessend wurde die Wirkung auf sechs Geschäftsmodelle über drei Zeiträume simuliert, diese Resultate wurden dann nochmals mit Bankexperten validiert.
Die Geopolitik wird an dem vom SBVg organisierten Bankiertag 2024 ebenfalls ein gewichtiges Thema sein. Dort steht nämlich auch eine Ansprache von Botschafter Christoph Heusgen, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, auf dem Programm. Der Bankiertag geht heute Nachmittag in Genf über die Bühne, passenderweise im Maison de la Paix.