Am Montag gab die Kanzlei von Peter Gauweiler bekannt, dass sie im Auftrag des usbekisch-russischen Oligarchen Alisher Usmanov die Europa-Tochter der UBS in Frankfurt am Main auf Schadenersatz verklagt. Nun hat finews.ch exklusiv mit Anwalt Gauweiler gesprochen. Er winkt sogar mit dem Zaunpfahl des Strafrechts. Die UBS äussert sich bislang nicht zu dem Fall.
Herr Gauweiler, Sie haben im Auftrag von Herrn Usmanov die Europa-Tochter der UBS in Deutschland auf Schadensersatz verklagt – finews.ch berichtete. In Zürich reibt man sich die Augen. Rechtsexperten, mit denen finews.ch gesprochen hat, würden der Klage in der Schweiz keine Chance einräumen.
(lacht) Danke für den Hinweis. Wie gut, dass wir in Deutschland geklagt haben.
Solange eine Bank Geldwäsche-Verdachtsmeldungen im guten Treuen veranlasst – weil sie glaubt, zu Recht so handeln zu dürfen – gäbe es in der Schweiz nichts zu beanstanden. Es heisst ja auch «Verdachtsmeldung». Muss es nicht genau so funktionieren?
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht eine Reihe von Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz vor, sowohl bei Schäden aus Vertragsverletzungen als auch aus unerlaubter Handlung. Ich kann mir als Bewunderer des Schweizer Systems nicht vorstellen, dass in der Schweiz eine Bank sanktionslos ihre Kunden mit ungerechtfertigten Verdachtsanzeigen überziehen dürfte.
Man darf als Bankangestellter nicht einen Nachbarn böswillig der Geldwäsche bezichtigen, der einem persönlich nicht passt. In den meisten anderen Fällen kann sich der Kunde in der Schweiz weder auf Berufs- und Geschäftsgeheimnisse noch auf Vertragsverletzung berufen.
Nochmal: Ich kann mir nicht vorstellen, dass gerade in der Schweiz, dem grossen und weltberühmten Bankenstandort mit Kunden aus aller Welt, eine Bank ihre Kunden so vorführen darf, wie es die UBS gegenüber Herrn Usmanov, den sie mehrfach umworben hat, gemacht hat. Das wäre eher ein Alarmzeichen für Ihre Bankenaufsicht als für uns.
Sprechen wir über den konkreten Fall. Wann ereignete sich die erste Verdachtsmeldung durch die UBS Europe?
Die Verdachtsmeldungen erfolgten zwischen 2018 bis 2022, teilweise eskalierend. Sie haben dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen Herrn Usmanov ein grotesk aufgebauschtes Geldwäscherei-Ermittlungsverfahren im auffallenden Zusammenhang mit den Sanktionen geführt hat. Mit spektakulären Durchsuchungen, wo die Journalisten schneller am Tatort waren als die Polizei.
«Grotesk aufgebauschtes Geldwäscherei-Ermittlungsverfahren im auffallenden Zusammenhang mit den Sanktionen»
Nachdem das Landgericht Frankfurt die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Unterlagen geprüft hatte, urteilte es, dass diese Durchsuchungen rechtswidrig waren, weil überhaupt kein Anfangsverdacht vorgelegen habe. Also nicht nur kein Verdacht. Das fällt natürlich auf denjenigen zurück, der die denunziatorische Rolle gespielt hat. Das gilt insbesondere, wenn die behauptete Information nicht stimmte.
Haben Sie Anhaltspunkte dafür, was der Auslöser für die allererste Verdachtsmeldung war? War das ein Medienbericht oder etwas anderes?
Von Herrn Usmanovs Konto – er ist ja weltweit als Milliardär bekannt – sollen beispielsweise in einem Zeitraum von drei Monaten über 100’000 Euro abgehoben worden sein. Und das war natürlich so furchterregend, so ungewöhnlich: «Um Gottes Willen, ein Milliardär hebt mehr als 100'000 Euro im Vierteljahr ab, da muss ja sofort die Polizei eingeschaltet werden.» Das wurde dann als «auffällige Transaktion» der Aufsicht gemeldet.
Wissen Sie, wann die Financial Intelligence Unit (FIU) der Generalzolldirektion dann aktiv wurde, die der Schweizer «Meldestelle für Geldwäscherei (MROS)» im deutschen Kontext entspricht?
Ich kann Ihnen die Frage leider nicht beantworten. Die Akten der Financial Intelligence Unit liegen uns nicht vor, die sind unter Verschluss. Aus den Ermittlungsakten, die die Strafverteidiger zur Einsicht erhalten haben, ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Financial Intelligence Unit überhaupt aktiv wurde.
Laut der Zeugenaussage eines Mitarbeiters der UBS Europe soll es trotz der vielen Verdachtsmeldungen seitens der Financial Intelligence Unit vielmehr nie zu einer Rückmeldung gekommen sein. Im Zentrum unserer Aufklärungsbemühungen steht die – unerlaubte – Instrumentalisierung der Ermittlungsbehörden für Sanktionszwecke und welche Informationen zwischen den dafür verantwortlichen Behörden auf nationaler Ebene mit der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt gewechselt wurden.
Ist es unüblich, dass diese Akten unter Verschluss gehalten werden? Oder ein singuläres Ereignis?
Wenn ein Gericht feststellt, und zwar mittlerweile rechtskräftig, dass es in einem Ermittlungsverfahren nicht einmal einen Anfangsverdacht gegeben hat, ist es absolut unüblich, die Akten nicht dem Verteidiger in ihrer Gesamtheit vorzulegen.
Rechnen Sie damit, dass Sie früher oder später zu diesen Akten kommen?
Die Sache kommt an den Tag. Natürlich dauert das lang und ist mühselig. Aber ich denke, dass sich die UBS da mit dem Falschen angelegt hat. Herr Usmanov ist schwer getroffen von dieser Intrige. Er hat die nötige Zähigkeit, die nötige Standfestigkeit und die nötigen Mittel, um sich durchzusetzen.
«Usmanov hat die nötige Zähigkeit, Standfestigkeit und die nötigen Mittel»
Es ist schon traurig, dass man die Justiz gegen eine Bank aus dem Land des Kundengeheimnisses mobilisieren muss.
Vorliegend diente die Denunziation letztlich anderen Zwecken: Lesen Sie, was die deutsche Presse über den eigentlichen Hintergrund dieser Durchsuchungsaktion geschrieben hat: Der eigentliche Hintergrund war, den umstrittenen Sanktionen gegen Herrn Usmanov durch die Zwangsmittel eines Strafverfahrens Nachdruck zu verleihen.
Es hätte Auswirkungen weit über die UBS Deutschland hinaus, wenn die in den Akten dokumentierten Zusammenhänge der staatlichen Seite geöffnet werden.
Bewirkten die Meldungen der UBS eine Sperrung des UBS-Kontos von Herrn Usmanov oder kam es dazu erst später im Zusammenhang mit den Sanktionen?
Erst später. Die UBS hat über einen Zeitraum von 2018 bis 2022 ein Dutzend Verdachtsanzeigen erstattet und dann passierte erst lange nichts. Wir wissen, dass sich das Bundeskriminalamt erst im Sommer 2022 damit befasst hat.
Wenn eine Bank eine Verdachtsmeldung macht, dann schaut die deutsche Meldestelle FIU das an. Wenn sie der Ansicht ist, dass der Verdacht vermutlich berechtigt ist, wird normalerweise das Konto sofort eingefroren. Zumindest wäre das so in der Schweiz.
Ich kann mir auch Konstellationen vorstellen, wo schneller reagiert wird. Hier hat es sehr lange gedauert, nämlich bis zu dem Zeitpunkt, da Herr Usmanov auf der Liste der von der EU sanktionierten Personen stand. Gegen diese Sanktionierung wehrt sich Herr Usmanov mit Nachdruck vor dem Europäischen Gerichtshof.
Sie verklagen die UBS in Deutschland auf Schadenersatz. Wo ist der Schaden? Nennen Sie in Ihrer Klage eine Zahl?
Wir haben eine Feststellungsklage erhoben und das aus gutem Grund. Der Schaden kann aktuell noch nicht beziffert werden, weil die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Unser Klageantrag lautet sinngemäss: Es wird festgestellt, dass die UBS Europe verpflichtet ist, Herrn Usmanov alle Schäden zu ersetzen, die ihm aus den Verdachtsanzeigen entstanden sind.
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