Die Schadensentwicklung dauert allein deshalb noch an, weil die Verfahren noch fortdauern, die Sanktionen noch fortdauern. Auf was sich das dann in summa am Ende des Tages beziffert, das wird man dann sehen. Allenfalls kann unsere Seite die Klage im laufenden Verfahren umstellen oder erst später eine Leistungsklage erheben.

Ein wesentlicher Bestandteil des Schadens wäre, wenn Sie zeigen könnten, dass Herr Usmanov im ursächlichen Zusammenhang mit den Verdachtsmeldungen der Bank sanktioniert wurde. Können Sie das gerichtsfest beweisen?

Der Prozess wird zeigen, ob das Gericht die von uns vorgelegten Beweise als ausreichend ansieht. In der Beweiswürdigung wollen wir dem Landgericht Frankfurt, das einen Termin ansetzen muss, nicht vorgreifen. Aber wir sind sehr, sehr zuversichtlich.

Fürchten Sie nicht, dass Sie im aktuellen politischen Klima in Sachen Ukraine/Russland mit Ihrer Klage auf Granit beissen?

Im aktuellen Klima sind wir dabei, in ganz Europa den Rechtsstaat zu verteidigen. Dazu passt diese Klage sehr gut.

Kommen wir zu Ihrem Mandanten. Herr Usmanov greift die aus seiner Sicht rechtsstaatlich fragwürdige Sanktionierung an vielen Fronten an. Ein usbekisch-russischer Oligarch, dem gemäss EU-Sanktionsliste «enge Verbindungen» zur Regierung von Vladimir Putin nachgesagt werden.

Ist jemand, dem das Etikett «usbekisch-russischer Oligarch» angehängt wird, in der Bundesrepublik Deutschland rechtlos? Ist dann alles erlaubt? Diese Frage zu stellen, heisst, sie zu beantworten: Nein, es ist nicht alles erlaubt. Das widerspräche den Ewigkeitswerten unserer Verfassung, allem voran den Garantien des Rechtsstaats. Es gibt Prozessgrundrechte und Verfahrensgrundrechte: das rechtliche Gehör, keine Strafe ohne Gesetz, keine Strafe ohne Urteil…

Gegen all dies wird im Sanktionsverfahren Usmanov täglich verstossen. Es gibt immer mehr namhafte Rechtswissenschaftler, die sagen: So geht es nicht mehr weiter. Interessant ist beispielsweise auch der Gastbeitrag von Frau Professorin Juliane Kokott, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof und Titularprofessorin an der Universität St. Gallen, in der Legal Tribune Online vom 6. Februar 2023.

Bislang ist Herr Usmanov mit dieser rechtsstaatlichen Argumentationslinie nicht durchgedrungen. Auch nicht vor dem Europäischen Gerichtshof, wo er gegen die Sanktionierung an und für sich vorgegangen ist.

Das ist, um mit dem Soziologen Max Weber zu sprechen, wie das Bohren dicker Bretter. Interessanterweise fängt der Europäische Gerichtshof jetzt an, in seinen Urteilen von der bisherigen Linie abzuweichen. Es äussern sich auch mehr und mehr Verbände. Zwischenzeitlich klagt sogar die deutsche Notarkammer gegen bestimmte Regelungen des Sanktionsregimes.

Denken Sie nur daran, dass in der Anfangsphase Anwaltskanzleien von Verteidigern, auch von Herrn Usmanov, auf Anweisung des Staatsanwalts rechtsgrundlos durchsucht worden sind. Hier waltet ein Unsegen und das merkt man immer mehr.

Worin liegt in Ihren Augen der Zweck der Sanktionen?

Sanktionen haben dann eine Berechtigung, wenn sie Sicherheitscharakter haben, wenn sie ganz bestimmte Personen mit nachprüfbaren Argumenten daran hindern, im Angriffskrieg gegen die Ukraine, gegen das angegriffene Land, weiter vorzugehen, wobei es sich um eine anhaltende Gefahr handeln muss.

Genau darauf weist die verfassungsrechtliche Untersuchung von Professor Dietrich Murswiek hin, dessen europarechtliche Argumentation sich das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren seit seiner Entscheidung zum Lissabon Vertrag immer wieder angeschlossen hat.

Auch vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht ist Herr Usmanov unterlegen, wo er Beschwerde gegen die Beschlagnahmung der Yacht in Norddeutschland erhoben hatte.

Die Durchsuchung der Yacht im Zusammenhang mit dem Geldwäscheverdacht war rechtswidrig, was zwischenzeitlich vom Landesgericht Frankfurt rechtskräftig festgestellt ist. Die Kausa, die vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wurde, betraf einen steuerrechtlichen Vorwurf und wurde abgewiesen, weil nach Meinung des Senats der Instanzenweg noch nicht abgeschlossen war. Das sind fachliche Einwände, über die kann man ja durchaus reden.

In der juristischen Gesamtstrategie von Herrn Usmanov: Ist diese neue UBS-Flanke jetzt die wichtigste oder ist das ein Nebenschauplatz?

Sie ist weniger wichtig als die Grundfragen der Auseinandersetzung über die Rechtmässigkeit der Sanktionen. Aber als Anhänger des rechtsstaatlichen Prinzips verwendet Herr Usmanov die Mittel, die ihm der Rechtsstaat zur Verfügung stellt.

Wie sieht sein wirtschaftlicher Alltag als Sanktionierter aus?

Das müssen Sie ihn selber fragen. Ich bin nicht zuständig für seine Alltagsgestaltung.

Vor zwölf Jahren haben Sie im Fall Leo Kirch einen aufsehenerregenden Sieg gegen die Deutsche Bank errungen. Aufgrund unvorsichtiger Äusserungen von deren Vorstandssprecher Rolf Breuer, welche die Kreditwürdigkeit von Kirch in Zweifel zogen, sprach die Justiz einen Schadenersatz von 900 Millionen Euro zu. Sehen Sie Parallelen zum aktuellen Fall?

Es bedurfte eines langen juristischen Kampfes, sich da durchzusetzen… Jeder Fall ist anders. Die Gemeinsamkeit beider Fälle liegt in inkriminierten Äusserungen beziehungsweise Mitteilungen von Bankseite. Ich halte allerdings das, was Herrn Usmanov von der UBS angehängt worden ist, für nochmals gravierender als die damalige Äusserung von Herrn Breuer.

Weil es um den strafrechtlichen Vorwurf der Geldwäscherei geht?

Ja. Es wäre viel geholfen gewesen, wenn die UBS nach der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt ein Wort der Entschuldigung gefunden hätte. Das hätte etwas Entspannendes gehabt.

Wäre es auch juristisch klug gewesen?

Was heisst klug? Es wäre anständig gewesen. Das sollte zum moralischen Violinschlüssel der Bank gehören.

Wir haben natürlich auch versucht mit der UBS zu sprechen. Sie will sich bislang überhaupt nicht zum Fall äussern.

Jeder verhält sich so, wie er es für richtig hält.

Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung, die Auswirkungen des Usmanov-Falles könnten für die UBS mit einem Tsunami vergleichbar werden. Was meinen Sie mit dieser Unwetterwarnung?

Ich glaube, das Wort Tsunami ist allgemein bekannt. Wir wollen keine Drohungen in die Welt setzen, sondern legen die Fakten einem unabhängigen Gericht vor. Und das Gericht wird entscheiden. Und das wird möglicherweise nicht die letzte Instanz sein. Wie bereits gesagt: Die Schadensentwicklung hält immer noch an. Der Schaden wird immer grösser.


«Ich lasse die Frage, inwieweit sich die Beteiligten strafbar gemacht haben, ausserhalb meiner Betrachtung»


Das Anliegen des Prozesses wird es sein, die schadenauslösenden Tatsachen sowie deren Ursache und Wirkung festzustellen. Das geht nach gesetzlichen Beweisregeln, die in unserer Zivilprozessordnung festgehalten sind. Ich lasse jetzt mal die Frage, inwieweit sich die Beteiligten strafbar gemacht haben, ausserhalb meiner Betrachtung.

Herr Gauweiler, Sie gelten als einer der kampferfahrensten und gewieftesten Prozessanwälte in Deutschland. Mit ihren zahlreichen Klagen gegen die Euro-Rettungspolitik haben Sie einige beachtliche Punkte verbuchen können. Jetzt nehmen Sie sich eine der grössten Banken Europas vor. Dennoch: Sie sind 74 Jahre alt. Wie lang wird Ihre juristische Streitlust noch andauern?

Eigentlich habe ich keine Lust, mich zur Ruhe zu setzen. Einen schönen Prozess zu führen, ist die beste Verjüngungskur.


Der promovierte Rechtsanwalt Peter Gauweiler ist nicht nur in juristischer Hinsicht – er erstritt den Erben des verstorbenen Medienmoguls Leo Kirch 900 Millionen Euro Schadensersatz von der Deutschen Bank –, sondern auch in politischer Hinsicht ein Phänomen. Seine Tätigkeit für die CSU reicht zurück bis in die 1980er-Jahre, an deren Ende er im Kabinett von Franz Josef Strauss als Staatsminister das Landwirtschafts-Ressort betreute. Parlamentarisch war er auf dem Niveau Gemeinde, Bundesland und Bund aktiv. Zwischen 2002 und 2015 gehörte er bis zum selbst gewählten Abschied aus der Parteipolitik dem Bundestag als CSU-Abgeordneter an. Seit 2010 machte er vor allem als kreativer Kläger gegen die Euro-Rettungsmassnahmen der EU auf sich aufmerksam. Gauweiler gehört zu den Gründern der Anwaltskanzlei Gauweiler & Sauter in München.