Nach dem Zwangsverkauf der Credit Suisse drängen verschiedene Investorengruppen auf Entschädigung. Die Fälle hängen juristisch in der Schwebe – und beginnen, sich gegenseitig zu beeinflussen. Das ist keine gute Entwicklung, wie sich zeigt.
Die Position der UBS sei «mit Vorsicht zu geniessen»: Das empfiehlt das Lausanner Rechts-Startup Legal Pass seiner Klientel mit Bezug auf die Klageantwort, welche die Anwälte der UBS Ende Februar beim Zürcher Handelsgericht eingereicht haben.
In der 147-Seiten-starken Schrift stellt sich das Geldhaus auf den Standpunkt, die Credit Suisse (CS) sei unterkapitalisiert und so schwach unterwegs gewesen, dass die Rettungsmassnahmen vor knapp einem Jahr zwingend notwendig gewesen seien. Wie zuletzt die Tageszeitung «Blick» aus der Klageantwort zitierte, hätte sonst ein Totalausfall für die CS-Aktionäre und eine globale Finanzkrise gedroht.
Viel zu wenig bezahlt?
Mit dieser Argumentation will die UBS belegen, dass sie beim Zwangsverkauf vom 19. März 2023 keinesfalls ein Schnäppchen gemacht hat. Just das ist es, was Legal Pass und weitere Sammelkläger der Grossbank vorwerfen. Zur Erinnerung: die UBS zahlte bei der Zwangsübernahme rund 3 Milliarden Dollar für das ausstehende Aktienkapital der Konkurrentin. An der Börse war die CS zuletzt aber noch das Zweieinhalbfache wert gewesen.
Hunderte einstige CS-Aktionäre fühlen sich deswegen geprellt.
Wie ein juristisches Mikado-Spiel
Die Musterklagen bilden dabei nur den einen Komplex, der nach der Zwangsübernahme der CS juristisch aufgearbeitet werden muss. So ist vor dem Bundesverwaltungsgericht auch eine Beschwerde im Namen von mehr als 1’000 Investoren hängig, die beim Totalabschreiber auf Pflichtwandelanleihen (AT-1-Bonds) der CS zu Schaden gekommen sind.
Wie sich nun zeigt, beginnen sich die beiden laufenden Rechtshändel gegenseitig zu beeinflussen. Die Argumentationslinien vor dem Zürcher Handelsgericht könnten die Waage vor dem Bundesverwaltungsgericht in die eine oder andere Richtung drücken – zu denken ist an ein juristisches Mikado-Spiel, bei dem nach dem Zug eines Arguments eigentlich sachfremde Komplexe unvermittelt in Bewegung geraten.
Und dies erst noch in einer für die Schweizer Steuerzahlenden möglicherweise bedrohlichen Art und Weise.
Nur am Rande mit der UBS zu tun
Auf den ersten Blick hat die Beschwerde der AT-1-Halter zwar nur am Rande mit der UBS zu tun. Die Bank wird in dem Verfahren als Partei gehört, die Vorwürfe der Investoren richten sich aber gegen die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma). Diese habe unverhältnismässig gehandelt, als sie bei der CS-Rettung Pflichtwandler im Umfang von fast 16 Milliarden Franken abschreiben liess, so die Beschwerdeführer.
Die per Notrecht durchgedrückte Massnahme erweiterte das vom Bund und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gespannte Rettungsnetz bei der CS-Rettung, führte aber umgehend zu einem Aufschrei an den weltweiten Finanzmärkten. Die AT-1-Investoren pochen seither darauf, dass die Krisenbank eben gerade nicht unterkapitalisiert gewesen sei und deswegen eine wichtige Vorbedingung für die Aktivierung der Pflichtwandler gefehlt habe.
Die Krux mit dem Kernkapital
Tatsächlich war die Kernkapital-Quote der CS auch während der heissen Phase im März nicht unter das regulatorische Minimum gesunken. Nach dem AT-1-Abschreiber schnellte die Quote gar auf über 20 Prozent hoch und bescherte der UBS später einen enormen buchhalterischen Quartalsgewinn.
Damit zeigt sich: die UBS-Klageantwort vor dem Handelsgericht nimmt den AT-1-Haltern Wind aus den Segeln. Denn wenn die Grossbank argumentiert, sämtliche Rettungsmassnahmen seien zwingend nötig gewesen, weil die CS bereits unterkapitalisiert gewesen sei, widerspricht das ihrer Argumentation diametral. Dem Vernehmen nach ist die Klageantwort bei den Beschwerdeführern denn auch auf entsprechende Aufmerksamkeit gestossen.
Höheres Ziel bemühen
Die Aussage der UBS-Anwälte, es habe an jenem 19. März gar Gefahr für das weltweite Finanzsystem gedroht, erweist sich eventuell als Steilpass für die Finma. Diese könnte vor dem Bundesverwaltungsgericht argumentieren, sie habe mit dem Abschreiber ein höheres Ziel erfolgt – nämlich, eine Eskalation in eine Bankenkrise zu verhindern.
Die Finma hat ihre Replik bei der Instanz bereits vergangenen August eingereicht, die UBS ihre Stellungnahme im Oktober. Seither ist es still geblieben um die Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht nennt keinen Zeithorizont für seinen Entscheid.
Sollte die Instanz der Argumentation der Finma folgen, könnten die Beschwerdeführer jedoch einen «Plan B» aktivieren.
Milliardenrechnung aus der Vergangenheit
Dieser würde in der Feststellung beruhen, dass mit dem Abschreiber eine materielle Enteignung der AT-1-Eigner stattgefunden hat. Bestätigte das Gericht diesen Vorwurf, dann müsste der Staat für den entstandenen Schaden haften. Angesichts des Volumens, dass die in der Beschwerde vertretenen Investoren vereinigen, wird mit einer Entschädigung von bis zu 4 Milliarden Franken gerechnet.
Dieser enorme Schadenersatz wäre dann vom Steuerzahler zu leisten.
Noch ist es nicht soweit. Aber ein knappes Jahr nach der CS-Notrettung zeigt sich einmal mehr, dass weder ein Strich unter die Episode gezogen ist, noch die Gefahren für die Schweiz gebannt sind. Eher im Gegenteil: während sich der Bund überlegen muss, wie er sich zukünftig gegenüber der viel grösseren «neuen» UBS schadlos halten kann, könnten dem Staat unvermittelt eine Milliardenrechnung aus der Vergangenheit ins Haus flattern.