Die Schweizer Privatbanken fordern eine differenziertere Sanktionspolitik, die auf mehr Eigenständigkeit beruht, wie der oberste Privatbankier am Donnerstag in Basel erklärte.
Unerwartet scharfe Kritik gab es am diesjährigen «Private Banking Day», der am Donnerstag in Basel stattfand. Zentrales Thema des Anlasses war die Zukunft der Schweizer Neutralität in einer polarisierten Welt.
Dass in diesem Kontext die Schweizer Banken mit ihrer exportorientierten Ausrichtung eine wichtige Rolle spielen, brachten verschiedene Redner zum Ausdruck. Dabei erwies sich vor allem die Praxis der Sanktionen gegen Russland als ein besonders heikler Punkt.
Russische Bevölkerung unter Generalverdacht
Grundsätzlich sind die Schweizer Privatbanken nicht gegen die erlassenen Sanktionen seit der Invasion Russlands in der Ukraine. «Die Schweizer Banken setzen die vom Bundesrat erlassenen Sanktionen strikt um, ebenso wie die rund 20 anderen Sanktionsregime, die auf dem Embargogesetz von 2002 basieren», betonte Grégoire Bordier, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken.
«Doch während die Sanktionen grundsätzlich gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtet sind, wurde zum Teil die gesamte russische Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt, was zu weit geht und in der Praxis weiterhin zahlreiche Anwendungsprobleme aufwirft», machte Bordier weiter klar.
Nur negative Auswirkungen
«Ich denke dabei an die Begrenzung der Einlagen auf 100’000 Euro für viele russische Bürger und Einwohner, eine Massnahme, die weder die USA noch das Vereinigte Königreich übernommen haben und die daher nur negative Auswirkungen hat», gab der Genfer Privatbankier unmissverständlich zum Ausdruck.
Vor diesem Hintergrund forderte Bordier, dass die Schweiz eine eigenständige Sanktionsstrategie entwickle und dabei vom ersten Tag an in die internationale Koordination eingebunden werde. «Zu diesem Zweck müssen die Organisation und die Ressourcen des SECO gestärkt werden», sagte er.
Konfiskation von Vermögenswerten
Im Übrigen habe der Nationalrat kürzlich eine Motion angenommen, die den Bundesrat auffordere, eine «kohärente, umfassende und eigenständige» Sanktionspolitik zu betreiben. «Man könnte sich sogar vorstellen, eine schweizerische Instanz ähnlich der amerikanischen OFAC (Office of Foreign Assets Control) zu schaffen», erklärte Bordier.
Die Schweiz mit ihrer langen Tradition als Rechtsstaat sollte auch ihre Stimme erheben, wenn einige dazu aufrufen, Grundrechte wie die Eigentumsgarantie oder die Unschuldsvermutung mit Füssen zu treten, wie am «Private Banking Day» weiter zu hören war. Am 15. Februar 2023 erinnerte der Bundesrat daran, dass die entschädigungslose Konfiskation privater Vermögenswerte nur dann möglich sei, wenn ihre Herkunft illegal ist.
Russische Argumente
«Diese Position ist eigentlich mit der der EU oder der USA vergleichbar, auch wenn ihre Rhetorik darauf hindeutet, dass sie gerne weiter gehen würden. Die Konfiskation von Privatvermögen würde in künftigen Verhandlungen mit Russland ein Druckmittel verschwinden lassen, und Russland könnte zudem argumentieren, dass die westlichen Länder das Völkerrecht nicht einhalten», warnte Bordier.
Der alljährliche «Private Banking Day» wird von der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken sowie von der Vereinigung Schweizerische Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken (VAV) organisiert. Den beiden Organisationen sind insgesamt 30 Finanzinstitute angeschlossen, die mit 28'300 Mitarbeitenden (davon 16'800 in der Schweiz) rund 2'400 Milliarden Franken verwalten.