Wer am Finanzplatz auch nur den Anschein erweckt, mit Russen im Geschäft zu sein, muss mit Ablehnung rechnen. Eine Zuger Vermögensverwalter mit prominentem Team richtet sich deshalb neu aus.
St. Gotthard Fund Management in Zug wird sich künftig – und vorbehaltlich der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde – St. Gotthard Wealth nennen. Das teilte die junge Vermögensverwalterin, die von einem Team prominenter Ex-Banker geleitet wird, ihren Kunden mit. «Wir sind der Ansicht, dass wir mit unserem neuen Namen die Mission unseres Unternehmens besser vertreten», erklärte die 2019 gegründete Finanzboutique den Schritt.
Kein Routine-Rebranding
Ein Markenwechsel wie jeder andere, möchte man meinen. Doch die weitere Begründung des Rebranding lässt aufmerken. «Aufgrund der geopolitischen Entwicklungen mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine beschloss St. Gotthard Wealth, seinen Fokus und sein Dienstleistungs-Angebot neu zu positionieren, mit einem stärkeren Schwerpunkt auf der Schweiz, Europa und ausgewählte Schwellenländer, und weg von Osteuropa.»
Denn wie sich zeigt, hat das Unternehmen seit dem Angriffskrieg Russlands mit einem Stigma zu kämpfen. Dieses ergibt sich aus den Anfängen der Vermögensverwalterin. Sergey Radchenko, ein vermögender Russe mit Wohnsitz in Zypern, wollte in der Schweiz ein Family Office für die liquiden Teile seines Portfolios gründen. Dabei gelang es ihm, zwei am Finanzplatz bekannte Profis zu finden: Stefan Bollhalder, ehemals Investmentchef (CIO) der einstmaligen Falcon Private Bank, und Daniel Egger, früher CIO bei der Zürcher Privatbank Maerki Baumann.
Der Osten im Fokus
Man kam anschliessend überein, die Plattform für Dritte zu öffnen und als unabhängiger Vermögensverwalter an den Start zu gehen. Anfang diesen Jahres hat St. Gotthard Wealth auch die ab 2023 dazu nötige Lizenz der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) erworben. Die Fokusmärkte waren dabei von Anfang an Osteuropa, wo man auf das Netzwerk des Gründers zählen konnte, sowie der Nahe Osten.
Die Bearbeitung dieser Regionen erwies sich aber ab 2020 herausfordernd. Die Corona-Massnahmen schränkten die nötige Reisetätigkeit massiv ein. Das Team blieb faktisch «gegroundet». Mit der Öffnung zahlreicher Destinationen in diesem Jahr bot sich dann endlich die Chance zur Akquise. Doch seit vergangenen Februar stiess St. Gotthard Wealth erneut und unerwartet auf Hindernisse. Im Zuge der Sanktionen gegen Kreml-nahe russische Unternehmen und Privatpersonen zeigten sich die Depotbanken aber zurückhaltend.
Wenn das R-Wort fällt
Das passt zum Eindruck, welche die mit der Kontrolle der Sanktionen beauftragten Behörden von der Branche gewonnen haben. Fällt das R-Wort, also Russland, dann gehen die Akteure am Schweizer Finanzplatz auf Distanz. Dies ganz unabhängig davon, ob sich eine russische Person tatsächlich auf einer Sanktionsliste wiederfindet oder über einen Pass anderer Staaten verfügt. Dieselbe Zurückhaltung gilt übrigens auf dem Arbeitsmarkt für talentierte Kundenberater.
Da nützt es wenig, dass die Truppe um Bollhalder und Egger mit manchen ihrer Anlagestrategien in diesem schwierigen Börsenjahr Gewinne eingefahren haben. Dem Wachstum stellen sich Hürden in den Weg. Derzeit verwaltet die Finanzboutique mit einem Kernteam von drei Personen weniger als 100 Millionen Franken.
«Ausschliesslich Schweizerinnen und Schweizer»
Deshalb unternehmen sie nun mit dem Rebranding einen Befreiungsschlag. Der Gründer, Mehrheitsaktionär und Präsident Radchenko hat sich dazu gar entschlossen, gemeinsam mit Igor Vishnevskiy den Verwaltungsrat der Firma zu verlassen. Das Verwaltungsrats-Präsidium wird nun von CEO Bollhalder übernommen. Neu zum Gremium stossen vorbehältlich der Finma-Bewilligung ausserdem René Kurmann und Daniel Gerber. «Der Verwaltungsrat besteht nun ausschliesslich aus Schweizerinnen und Schweizern, und auch die Geschäftsleitung setzt sich ausschliesslich aus Schweizerinnen und Schweizern zusammen», hält St. Gotthard Wealth ausdrücklich fest.
Damit, so hofft man bei der Firma, kann nach Jahren von Verzögerungen aufgrund externer Faktoren der Wachstumshebel umgelegt werden. Die Vermögensverwalterin will insbesondere in Schwellenland-Regionen zulegen, wozu auch «unternehmerisch denkende Kundenbetreuer» an Bord geholt werden sollen.
Ebenfalls sind andere Vermögensverwalter willkommen, die sich der Firma anschliessen und von deren Finma-Lizenz profitieren möchten – und umgekehrt ist man auch auf der Suche nach Akteuren, die sich mit Kapital beteiligen.