In Saudiarabien treffen sich ab Dienstag die Mächtigen der Finanzindustrie zum Investorenanlass. Ganz anders als noch im Jahr 2018 reist auch viel Wallstreet-Prominenz an – die Wüstenmonarchie ist für sie offensichtlich kein Pariah mehr.
Die Beziehungen zwischen den USA und Saudiarabien stecken in einer Krise. So hat US-Präsident Joe Biden Anfang Oktober dem traditionellen Verbündeten der Vereinigten Staaten Konsequenzen angedroht. Das Weisse Haus will die Beziehungen mit der saudische Haupstadt Riad überprüfen, nachdem das Ölkartell OPEC+ angekündigt hatte, die Öl-Fördermenge weltweit zu reduzieren.
Der Entschluss spiele Russland in die Hände, zeigte man sich in Washington schwer enttäuscht von Saudiarabien, das der bedeutendste Mitgliedstaat der OPEC+ ist.
Während die politischen Beziehungen an einem Tiefpunkt angelangt sind, herrscht im Banking-Mekka an der Wallstreet aber ganz offenkundig Tagesordnung. Der Ruf der Wüste lockt – oder womöglich doch eher der sagenhafte Reichtum im arabischen Königreich, der zahlreiche verheissungsvolle Geschäftschancen zu eröffnen verpricht. So reisen diese Woche einige der wichtigsten US-Finanzstars an eine jährliche Investorenkonferenz in Riad, die auch als «Davos in der Wüste» bezeichnet wird.
Viel Prominenz
Jamie Dimon, Chef der grössten US-Bank J.P. Morgan, Blackstone-Mitbegründer Stephen Schwarzman und David Solomon, Chef von Goldman Sachs, zählen zu den Aushängeschildern der «Future Investment Initiative», die am Dienstag beginnt. Die Wallstreet-Grössen gehören zu zahlreichen westlichen Führungskräften, die an der Investmentkonferenz sprechen werden. Auch Ray Dalio, der Gründer des weltgrössten Hedgefonds Bridgewater Associates, wird da als Speaker auftreten.
Offenkundig können die Finanzriesen der Verlockung, am Ölreichtum des Königreichs teilzuhaben, nicht widerstehen. Sie unterstützten damit den wichtigsten jährlichen Investorenanlass von Kronprinz Mohammed bin Salman «MBS». Die Biden-Administration dagegen steht dem saudischen Kronzprinzen ganz allgemein nicht so freundlich gegenüber wie die Regierung von Donald Trump zuvor.
Tempi passati
Der Kronprinz und Thronfolger, der laut königlichem Dekret jetzt auch Premierminister seines Landes ist, verfügt einen weitreichenden Einfluss. Indes wird er auch mit dem Mord am saudischen Journalisten und Dissidenten Jamal Khashoggi in Verbindung gebracht.
Der Rufschaden, den Saudiarabien deswegen erlitten hat, belastete 2018 auch die «Future Investment Initiative», wie finews.ch schon früher berichtete. Damals sagte eine Reihe hochkarätiger Finanzspezialisten ihre Teilnahme am Investorenkongress ab, unter anderem auch Jamie Dimon. Der Skandal um die Ermordung des Journalisten hielt auch den früheren Credit-Suisse-CEO Tidjane Thiam von der Teilnahme am Stelldichein der Mächtigen in Saudiarabien ab. Im Folgejahr 2019 war die zweitgrösste Schweizer Bank dann dort prominent vertreten.
Auf Anfrage von finews.ch heisst es bei der Credit Suisse, dass am diesjährigen Anlass in Saudiarabien keine CS-Redner auftreten werden. Die UBS kommentierte, dass «unsererseits keine offiziellen Vertreter das Wort ergreifen».
Die Petrodollars sprudeln
Während der Internationale Währungsfonds und die Weltbank vor einer globalen Rezession warnen, sprudeln in Saudiarabien die Petrodollars derzeit so stark wie schon lange nicht mehr. Das Land erlebt seinen ersten Ölboom seit fast einem Jahrzehnt, da die Rohölpreise infolge des Ukraine-Kriegs hochgeschnellt sind. Prognosen gehen davon aus, dass das Königreich in diesem Jahr eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt sein wird.
«In einer Welt, in der die Kapitalmärkte erstarrt und die Erträge der Investmentbanken rückläufig sind, verdient der Golf Aufmerksamkeit», erklärte ein Manager einer US-Bank gegenüber der «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig). Die riesigen Petrodollar-Gewinne kämen zu einer Zeit, in der Riad einen ehrgeizigen Plan zur Umstrukturierung der Wirtschaft und zur Entwicklung des konservativen Königreichs vorantreibe.
So ist der Public Investment Fund (PIF), dessen Vorsitz Prinz Mohammed innehat, eines der aktivsten staatlichen Investitionsvehikel der Region. Der Fonds hat sich verpflichtet, jährlich 40 Milliarden Dollar im Königreich zu investieren, während es eine Reihe von Megaprojekten überwacht. Zudem kauft es ausländische Vermögenswerte auf.