Der kommende Investorentag der Credit Suisse bringt Recherchen von finews.ch zufolge trotz dringlicher Lage wenig Neues. Damit manifestiert sich bei der Grossbank ein tieferes Problem, das auch den Rest der Branche angeht.
«We are on track» – wir sind auf dem richtigen Weg: Mit diesem Spruch lächelt Präsident Axel Lehmann seinen Mitarbeitenden auf der Intranet-Seite der Credit Suisse (CS) entgegen. Und mit der sinngemässen Botschaft werden Lehmann und Bankchef Thomas Gottstein auch am kommenden Dienstag vor die Investorinnen und Investoren treten.
Am «Investor deep dive» von nächster Woche wird im Wesentlichen das neu zusammengesetzte Management vorgestellt und die Strategie vom vergangenen November bekräftigt werden, wie Recherchen von finews.ch zeigen. Darauf hat die Bank die Analysten-Gemeinde dem Vernehmen nach schon im Vorfeld vorbereitet.
Aktie unter langjährigem Tiefstwert
Doch die «Message» der Bankführung, alles verlaufe nach Plan, hält dem Realitäts-Check kaum stand. Am Montag wird das Urteil des Bundesstrafgerichts in Bellinzona im Drogenring-Prozess erwartet. Im brisanten Fall um Dutzende Tonnen Kokain, Geldwäscherei und einer Bande aus Bulgarien hat die Bundesanwaltschaft der CS organisatorische Mängel vorgeworfen. Ein Schuldspruch könnte unberechenbare rechtliche Folgen für die Grossbank zeitigen.
Am 27. Juli 2022 wird das Geldhaus dann voraussichtlich einen weiteren Quartalsverlust vermelden; angesichts von Übernahmespekulationen, der Aussicht auf eine weitere Kapitalverwässerung sowie des zunehmend garstigen Umfelds für die wichtigsten Geschäftsfelder ist der Aktienkurs in den vergangenen Tagen unter den langjährigen Tiefstwert gefallen. Aktuell handeln die CS-Aktien knapp unter 6 Franken; seit Anfang Jahr haben die Titel mehr als ein Drittel ihres Werts verloren.
Hoffnung auf Nachricht von der Front
Umso dringender wäre ein Treiber für den Börsenwert gefragt. Doch wie es nun von Marktbeobachtern heisst, ist am Investorentag kaum damit zu rechnen. Höchstens wird noch die Erwartung gehegt, dass die CS gute Nachrichten aus dem operativen Geschäft vermeldet.
So hofft der Markt darauf, dass die Grossbank im Kern-Business mit der Vermögensverwaltung Neugeld anziehen konnte. Verlautbarungen von der Konkurrenz stimmen da aber nicht sehr zuversichtlich, während im Investmentbanking der Ausblick finster ist.
Das klassische Geschäft mit Firmenübernahmen und -fusionen steht weltweit praktisch still. Und der Ausstieg aus dem wichtigen Prime Brokerage (dem Service für Finanzinvestoren) nach dem Archegos-Debakel dürfte im Handel weiterhin tiefe Spuren hinterlassen.
Präsident als Schutzschild
Zu wenig, zu spät: das ist auch ein Vorwurf, welcher ein Doyen des hiesigen Banking, der anonym bleiben möchte, an die Adresse von CEO Gottstein richtet. Der Schweizer sei zwar ein solider Manager und kenne die Bank besser als jede andere Person auf der Chefetage des Instituts. Dennoch lege er zu wenig Verve und Ehrgeiz an den Tag, um den Konzern rasch aus seiner misslichen Lage zu befreien.
Obschon zeitweilig hart an Gottsteins Stuhl gesägt wurde, ist dennoch naheliegend, dass der Verwaltungsrat nicht so schnell auf den Knowhow-Träger verzichten wird. Jedenfalls gilt das für Präsident Lehmann, der sich bisher immer schützend vor den CS-CEO gestellt hat. «Der Verwaltungsrats-Präsident hat Thomas Gottstein klar sein Vertrauen ausgesprochen. Daran hat sich nichts geändert», hiess es dazu bei der Grossbank jeweils.
Oft nur Wunschdenken
Dabei hätte Lehmann anderes zu tun, als den Schutzschild zu geben. Als Fachmann für den Umgang mit Risiken in den CS-Verwaltungsrat geholt, ist er ein Garant für den Umbau des Risikomanagements und auch den Wandel der Firmenkultur. Denn die beste Abwehr nützt nichts, wenn die Weisungen von Mitarbeitenden nicht befolgt werden. Genau hier lag in der Vergangenheit das Problem des CS, und genau hier müsste Lehmann Resultate aufzeigen können.
Dass der Investorentag, wie zu vernehmen ist, nun vor allem der Bekräftigung von Bestehendem dienen soll, könnte auch Hinweis auf ein tiefer sitzendes Malaise sein: Die CS bekundet in der Praxis ein Innovations-Problem. Für einmal steht sie damit aber nicht alleine da. Zwar bekennen sich alle Schweizer Finanzinstitute dazu, Innovation zu fördern, die Digitalisierung umzusetzen und jüngere Kundengenerationen anzusprechen. Allerdings bleibt dies vielfach Wunschdenken.
Gut leben mit möglichst wenig Veränderung
Eine mögliche Ursache dafür – und wiederum längst nicht nur bei der CS – liegt darin, dass in den beiden Management-Stufen unterhalb der Geschäftsleitung noch immer überwiegend Männer über 50 Jahre sitzen; diese haben wenige Anreize, Prozesse und Geschäftsmodelle grundsätzlich zu überdenken, weil dies Risiken beinhaltet und so auch ihre Position gefährden könnte. Es sind Transformationsverweigerer. Sie leben gut mit möglichst wenig Veränderung, also mit Besitzstandswahrung.
Doch damit drohen nicht nur die heissen Eisen liegen zu bleiben, sondern auch die Chancen. Das Resultat ist Stillstand ad absurdum.
Mitarbeit: Claude Baumann, Samuel Gerber, Andrew Isbester