Ungebildet, zynisch, gierig, fies. Offenbar weiss heute jeder, wie Bankangestellte sind und was sie alles falsch machen. Wer stellt sich hin und widerspricht?
Die Banker wohnen in Lofts mit Blick auf den Zürichsee, zahlen notfalls 15'000 Euro für ein Biedermeiersofa, haben reihenweise Kunden mit 50 bis 250 Millionen Anlagevermögen, organisieren denen die Huren (natürlich «platinblond»), und sie sind – kurz gesagt – ungebildet, herablassend, zynisch, fies. Charakterlumpen.
In «Bank, Banker, Bankrott» zeichnet René Zeyer die Vermögensverwalter und Private-Banker dermassen karikiert und schemenhaft, dass man das Buch kaum als Roman bezeichnen mag: Es ist eher ein Comic in Textform. Doch es steht auf Platz 1 der Schweizer Bestsellerliste, und zwar – kein Witz – in der Kategorie Sachbuch.
Das beweist: Über Banker kann man heute jeden Blödsinn erzählen, es wird gekauft. Und es wird auch geglaubt.
Was die Banker alles falsch machen
Nicht nur René Zeyer – einst Journalist, heute PR-Mann – weiss, wie Banker ticken. Auch der Psychoanalytiker Peter Schneider weiss es: Sie sind vom Realitätsverlust bedroh und leiden unter Konformitätsdruck (nachzulesen im «Tages-Anzeiger» vom 11. Februar 2009). Der Journalist Philipp Löpfe weiss es ebenfalls: Sie hocken auf «ihrem pseudo-elitären Ross». Der Philosophieprofessor Hartmut Kliemt weiss, dass ihnen die «Widerstandskraft gegen den Herdentrieb» fehlt. Und der Berater Stefan Boëthius hat festgestellt, dass sie oft unter «Ohnmacht und Schuldgefühlen» leiden, «abends stark psychisch angeschlagen» sind und «erhebliche Schlafprobleme» haben.
Das Modewort Gier
Das ist ein Nebeneffekt der Finanzkrise: Plötzlich wissen alle, wie Banker sind. Daraus wird dann abgeleitet, was die Banker alles falsch machen. Fast täglich steht die Berufsgruppe mittlerweile pauschal am Medienpranger. Man wirft ihr vor, zuviel Businessenglisch zu verwenden; man wittert Schamlosigkeit – und natürlich Geldgier. In den Zeitungsartikeln, welche die Schweizer Mediendatenbank erfasst, tauchte das Wort «Gier» letztes Jahr 340 mal in einem Beitrag über Banker auf; ein Jahr zuvor waren es noch 75 mal gewesen.
Noch vor wenigen Jahren wurden die Bankangestellten in der Schweiz als vielschichtige Gruppe wahrgenommen (und dabei teils anerkannt, teils kritisiert); im Jahr 2009 aber steht eine Figur für sie alle: der Investmentbanker amerikanischen Zuschnitts. Der Bonusjäger.
«Nicht alle Bankdirektoren haben das Zeug zum Heiligen»
Sind die bösen Medien schuld? Das greift zu kurz. Denn auf der anderen Seite fehlt es an Bankpersönlichkeiten, die öffentlich hinstehen und sagen, wie Banker wirklich sind. So, wie das früher Leute vom Schlage eines Alfred Schaefer oder Robert Holzach taten. Von Schaefer, dem Architekten der modernen SBG und späteren UBS, stammt denn das durchaus selbstkritische Zitat: «Banken sind nur schlecht als Kirchen geeignet, und nicht alle Bankdirektoren haben das Zeug zum Heiligen.»
In diesen Tagen diskutieren Banker höchstens über ihren Geschäftsgang (und auch das möglichst wenig). Sie beteiligen sich nicht mehr an den grossen gesellschaftlichen Debatten; selbst wenn über staatliche Konjunkturpakete oder Rezessionssorgen debattiert wird, fehlt stets die Stimme eines Bankfachmanns. Sehr krass illustriert dies die «Arena»: Letzte Woche stritt die Fernseh-Runde über die Boni, diese Woche palaverte sie über die UBS – aber kein einziger Banker war anwesend.
Da ist es nur logisch, dass PR-Leute, Psychologen, Philosophen, Publizisten und Politiker die Lücke füllen.