Gemäss Medienberichten steht die Credit Suisse kurz vor wichtigen strategischen Entscheidungen. Tabula Rasa wird Präsident António Horta-Osório gemäss Recherchen von finews.ch aber nicht wagen. Wo er den Hebel aber trotzdem ansetzen sollte.
1. Verkaufen? Kommt nicht infrage
Bei den Planspielen um die Credit Suisse (CS) ist immer wieder von einem Verkauf ins Ausland die Rede. Mit einem Börsenwert von derzeit 23,8 Milliarden Franken wäre die Grossbank für einige ausländische Finanzhäuser ein Schnäppchen.
Dennoch steht ein solches Szenario derzeit überhaupt nicht zur Diskussion, wie eine leitende und mit der Sache vertraute Person der CS am Dienstag gegenüber finews.ch bekräftigte. CEO Thomas Gottstein hat in früheren Gesprächen mehrmals die Hauptgründe genannt, weshalb ein grenzüberschreitender Schulterschluss in der Praxis keinen Sinn mache: Eine solche Übung würde die Ressourcen des Managements allzu sehr absorbieren; der Zeitaufwand zur Erlangung der Betriebslizenzen in den wichtigsten Finanzzentren wäre enorm, die besten Leute würden abspringen. Ein weiterer Knackpunkt wäre die IT der beiden fusionierenden Institute.
Was auch aus der CS zu vernehmen ist: António Horta-Osório ist nicht als Verwaltungsrats-Präsident angetreten, um die CS zu verscherbeln. Also muss er die Bank von innen heraus verändern. Dazu hat er verschiedene Möglichkeiten.
2. Weniger Investmentbank, höhere Bewertung
Eines der dringendsten Probleme der CS ist ihre derzeitige Verletzlichkeit. Mit einer Bewertung, bei der man 50 Rappen für einen Buchwert von 1 Franken zahlen muss, ist das «Schiff» CS für Angreifer leicht zu entern. Um die Bank widerstandsfähiger zu machen und ihre Bewertung zu steigern, muss Horta-Osório in der Investmentbank ansetzen. Sprich: Die CS muss ihre Ambitionen im Bereich Global Markets, also im Handel mit Produkten aller Art, begraben und sich mit der Investmentbank auf die Zusammenarbeit mit dem Wealth Management fokussieren.
Was die CS schwach mache, sei ihr Handelsgeschäft mit Kredit- und Zinsprodukten, haben Analysten von J.P. Morgan kürzlich festgehalten. Erstens sei dieses Geschäft volatil, absorbiere zu viel Kapital und weise kaum Synergien mit dem Private Banking auf. Ob das Problem Global Markets allerdings schnell lösbar ist, bleibt fraglich.
Eine rasche Abwicklung von Handelspositionen hätte unweigerlich hohe Abschreiber zur Folge; ganz abgesehen von einem erneuten grösseren Stellenabbau.
3. Wenn schon Handelsgeschäft, dann als Zulieferer
Wenn das Wealth Management künftig die Hauptausrichtung der CS werden soll, dann könnte eine Sondereinheit innerhalb der Investmentbank bedeutend werden: Global Trading Solutions (GTS). Diese Produkte- und Services-Einheit ist vor gut einem Jahr aus einer Zusammenlegung mit International Trading Solutions (ITS) und den entsprechenden Aktivitäten in der Region Asien-Pazifik entstanden. GTS funktioniert als Schnittstelle zwischen Investmentbank und den vermögenden Privatkunden der CS sehr gut.
Die Einheit liefert bereits 18 Prozent der Erträge in der Investmentbank, wuchs gemäss den Analysten von J.P. Morgan 2020 um 31 Prozent. Die Erträge im Wealth Management, die in der Zusammenarbeit mit GTS erwirtschaftet worden sind, stiegen um 34 Prozent. Wenn Horta-Osório vor den Investmentbankern schwärmt, sie würden hervorragende Nebenleistungen für das Wealth Management bieten, meinte er wohl GTS.
4. «Accelerate» à la UBS mit dem Wealth Management
Gemäss einem Bericht der Nachrichtenagentur «Reuters» ist die Zusammenlegung der Wealth-Management-Einheiten der CS geplant: Das Schweizer, das asiatische sowie das übrige internationale Geschäft (IWM) kämen unter ein Dach. Mit diesem Schritt würde Horta-Osório die divisionale und regionale Strategie, welche die CS unter CEO Tidjane Thiam ab 2015 verfolgt hatte, rückgängig machen.
Was wie ein Herumschieben und Umorganisieren von Geschäftseinheiten aussieht, wäre in der Tat die Bildung eines einheitlichen Kronjuwels innerhalb der CS. Es wäre noch mehr, nämlich die Wiederholung der «Accelerate»-Strategie von 2012 der UBS, mit welcher die grösste Schweizer Bank sich als global führenden Wealth Manager positionierte und eine Vorbildfunktion erlangte, wie sich ein Investmentbanking betreiben lässt, das auch Aktionären einen Mehrwert bieten kann.
5. Asset Management als Manövriermasse
Das Asset Management der CS (CSAM) ist seit vergangenem März wieder das, was es jahrelang war: die Wetterecke der Bank. Nach dem Debakel um die geschlossenen Greensill-Fonds, das weiterhin nicht abgeschlossen ist, führt die Bank das Fondsgeschäft nun als eigene Division. Der Grossbanken-Veteran Ulrich Körner vertritt die Sparte in der Geschäftsleitung.
Von diesem Setting ausgehend wäre aus Sicht des CS-Präsidenten alles möglich: Ein Verkauf der mit gut 440 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen eigentlich zu kleinen Einheit, was Geld für den Ausbau an anderer Stelle in die Kasse spülen könnte. Diverse Szenarien sind hier denkbar, und es böte sich die Chance eines sauberen Schnitts. Ein Merger mit einem anderen Fondshaus würde zumindest das Problem mit der kritischen Masse lösen; es stellten sich aber Führungsfragen.
Forciert Horta-Osório die CS-Vermögensverwaltung zugunsten der Investmentbank, wäre auch der Ausbau des Fondsgeschäfts eine Option – Private Banking und Asset Management verschwimmen sowieso immer mehr. Eine komplette Überarbeitung der Fondspalette würde dann wohl nötig: Gerade mit Alternativen Anlagen hatte CSAM zuletzt zu viele kostspielige Pannen erlitten, um einfach weitermachen zu können.
6. Mehr Schweiz in der Credit Suisse
Zentral, wie es der Firmenname ausdrückt, ist für die CS ihre Schweizer Herkunft. Doch diese Hülle muss auch einen echten schweizerischen Inhalt haben. In letzter Konsequenz heisst das, die CS muss wieder schweizerischer werden und Werten wie Zuverlässigkeit, Standfestigkeit, Qualität und Kompetenz nachleben.
Das kann die CS allerdings nur, wenn die Kontrolle (und Unternehmenskultur) unmissverständlich von Zürich aus geht, und man sich an den anderen Standorten auf dieser Welt strikte danach richtet. Zwangsläufig hätte dies zur Folge, dass die berühmt-berüchtigte Haudegen-Kultur der einstigen Credit Suisse First Boston (CSFB) gestutzt würde.
Ein stärkerer Fokus auf die Schweiz würde auch im Ausland, namentlich in Asien gut ankommen, zumal dort die schweizerischen Tugenden ganz hoch im Kurs stehen. Gäbe die CS diese Werte auf, würde es für ausländische Kunden keinen Grund mehr geben, mit dieser Bank eine Geschäftsbeziehung einzugehen.
7. Den Umgang mit Risiken neu lernen
Die CS will die «Unternehmerbank» sein, ein Credo, dass das Frontpersonal verinnerlicht hat. CS-Banker sehen sich oftmals selber als «Intrapreneure» – innerhalb des Instituts mit viel Eigeninitiative agieren – was grosse Karrieren ermöglicht, aber auch dramatische Rücksetzer nach sich zieht. Nach dem Doppel-Debakel um Archegos und Greensill ist klar, dass diese Kultur auf den Prüfstand muss.
Horta-Osório hat bei der britischen Bank Lloyds gezeigt, dass er gut darin ist, eine Wende in den Köpfen des Personals herbeizuführen. «Ich bin dazu erzogen worden, anderen zu dienen»: Dieses Credo von «AHO» könnte für eine CS stehen, die den Kunden ins Zentrum stellt – und nicht den schnellen Deal.
Eine solche Kultur würde auch der Compliance dienen, zumal bei der Grossbank kein Stein auf dem anderen bleiben darf. Gerade die Greensill-Affäre deutet daraufhin, dass Warnsignale übersehen oder von Einheit zu Einheit anders beurteilt wurden. Dagegen kann nur eine Risikoabwehr helfen, die systemisch arbeitet, Warner stärkt, den Verwaltungsrat direkt einbindet und Verantwortlichkeiten klar festlegt.