Der Veteran rückt bei der Credit Suisse direkt zum CEO Thomas Gottstein auf. Dabei repräsentiert Christian Meissner die alte Welt des Investmentbanking, welche die Grossbank dringend überwinden muss.
Es ist das Ende des kometenhaften Aufstiegs von Brian Chin bei der Credit Suisse (CS). Der Amerikaner hatte im vergangenen Juli mit nur 43 Jahren die gesamten Investmentbank-Aktivitäten der Grossbank übernommen; dies, nachdem er vier Jahre zuvor, nach dem Rausschmiss seines Vorgesetzten Timothy O’Hara, den Handel leiten durfte.
Im Archegos-Debakel bei der CS ist er nun das Opfer, wie die CS am Dienstag mitteilte.
Für ihn übernimmt Christian Meissner, ein Veteran des Investmentbanking, der mit 51 Jahren die Höhen und Tiefen des Metiers längst erfahren hat. Nach der Demission Chins ist er an einem neuen Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Ein Werdegang, der von überraschenden Wendungen geprägt gewesen ist – sowie einem Gespür fürs richtige Timing.
Tatsächlich ist für Meissner nun bereits zum zweiten Mal der CEO-Job bei einer Schweizer Grossbank in Reichweite.
Als Nachfolger von Sergio Ermotti im Gespräch
Dabei ist es erst drei Jahr her, als der Österreicher karrieretechnisch einen Durchhänger hatte. Ende 2018 ging er beim Banking-Riesen Bank of America als Chef der Investmentbank ab, nachdem er sich mit CEO Brian Moynihan überworfen hatte.
Wie die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlfplichtig) damals aus den Kulissen berichtete, zeigte sich Meissner frustriert über den zunehmend vorsichtigen Kurs des US-Instituts.
Vor lauter Risikoaversion sei es dem Investmentbanking nicht mehr möglich, seine Kunden zu bedienen, soll der Manager seiner Konzernleitung vorgeworfen haben.
Doch bereits Anfang 2019 machte der Investmentbanker wieder von sich reden – diesmal in der Schweiz. In den Medien wurde er als Nachfolger des zunehmend glücklos agierenden UBS-Chefs Sergio Ermotti gehandelt. Offenbar soll die Grossbank damals tatsächlich Gespräche mit Meissner geführt haben.
Investmentbanker bei der «pure-play»-Privatbank
Diese verliefen aber im Sand, denn Ermotti blieb bis im November 2020 im Sattel bei der Schweizer Nummer eins. Gerüchteweise war damals in der Branche zu hören, der Österreicher habe sich selber für den UBS-Chefposten ins Spiel gebracht.
Im Jahr 2020 gelang Meissner dann doch der Sprung ins Swiss Banking: Die «pure-play»-Privatbank Julius Bär wählte den Investmentbanker überraschend in den Verwaltungsrat. Dort diente er allerdings nur kurz. Vergangenen Oktober ernannte ihn die CS auf einen strategischen Posten: Als Co-Leiter IWM Investment Banking Advisory und Vice Chairman Investment Banking kommandierte der Österreicher seither die Scharnierstelle zwischen Private Banking und Investmentbanking.
Sinnigerweise rapportierte er in dieser Funktion an Chin, den er nun als CEO der Investmentbank beerbt.
Nochmals Nachrücken
Als Ersatz für Chin war Meissner auch aus diesem Grund die naheliegende Wahl. Mit 30 Jahren Erfahrung im Fach und seinem Netzwerk in Europa und dem Rest der Welt bringt er für den Posten sicherlich das Rüstzeug mit – und mehr: Falls auch CS-CEO Thomas Gottstein noch dem Fallout aus dem Greensill-Debakel und Archegos zum Opfer fallen sollte, wäre der Vollblut-Banker Meissner wohl in der Lage, für den Schweizer nachzurücken.
Allerdings dürfte es beim Konjunktiv bleiben. Wenn sich die CS nämlich ernsthaft bemüht, vom Investmentbanking mit seinen bösen Überraschungen Abstand zu nehmen und sich stattdessen der berechenbareren Vermögensverwaltung zuzuwenden, kann Meissner nicht der richtige Mann für die Spitze sein. Mit seiner Vergangenheit bei Goldman Sachs, Lehman Brothers und der Bank of America muss er als in der Wolle gefärbter Investmentbanker angelsächsischer Prägung gelten.
Gegen die Wand gedrückt
Im Archegos-Debakel meldete die CS mit 4,4 Milliarden Franken bisher den höchsten Verlust aller beteiligten Banken. Wie sich zeigte, wurde die Schweizer Bank von Wall-Street-Grössen wie Goldman Sachs und Morgan Stanley im Abverkauf von Aktienpositionen regelrecht gegen die Wand gedrückt.
Das ist der Beweis, falls es noch einen brauchte, dass das Institut weder über das Gewicht noch das Know-how verfügt, um in der Top-Liga des Investmentbanking mitzutun.
Es ist fraglich, ob das Meissner und Gottstein, beide von Hause aus Investmentbanker, einleuchtet. Gut möglich aber, dass der künftige CS-Präsident Antonio Hórta-Osório, der als CEO die britische Retailbank Lloyds zurechtrückte, es so sieht.