Sie sind es sich gewohnt, die Nächte durchzuarbeiten und pausenlos um die Welt zu jetten. Doch das Homeoffice bringt die Investmentbanker ans Limit.

Das sind ungewohnte Töne. «Wenn das so weitergeht, werde ich wohl verrückt», erklärt ein Londoner Investmentbanker dem britischen Branchenportal «Financial News» (Artikel bezahlpflichtig). Wenn die Verlegung ins Homeoffice noch mehrere Monate anhalten sollte, fürchtet der Finanzprofi um seine mentale Gesundheit.

Was ist da los? Die Dealmaker und Regenmacher sind sich ein hartes Arbeitsumfeld gewohnt. Als junge «Analysten» mussten sie in der Regel nächtelang durcharbeiten. Grosse Übernahmen und Fusionen werden oftmals angepackt wie militärische Operationen, die auch den Managern viel abverlangen. Das gilt insbesondere in Krisensituationen, wie sie jetzt die Coronavirus-Pandemie hervorgerufen hat.

Mit dem «rig» im Wohnzimmer

Dabei hat die logistische Umstellung aufs Homeoffice relativ reibungslos geklappt – im Investmentbanking der Schweizer Grossbank Credit Suisse verfügen laut dem Bericht 86 Prozent der Angestellten über die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten. Nur wenige Händler müssen noch bei den Banken noch vor Ort ausharren, die anderen sitzen vor ihren «rona rigs» im Wohnzimmer.

Doch nun stellen die ins Homeoffice Relegierten fest, dass dieses nicht unbedingt mehr Effizienz und Freiraum bedeutet, sondern zusätzlichen Aufwand. Die teils mörderische Arbeitslast habe nicht abgenommen, berichten Kader, während Koordination und Betreuung von Mitarbeitenden und Kunden nun viel mehr Zeit in Anspruch nehme.

«Solche Ringe unter den Augen»

Das spüren gerade die Chefs. «Ich habe solche Ringe unter den Augen, dass ich keine Videokonferenzen mehr mache», klagt einer jener «Dealmaker» gegenüber «Financial News». Bei anderen Chefs schwingt die Sorge um jüngere Mitarbeitende mit. Diese hätten die Finanzkrise von 2008 ja nicht erlebt und drohten unter der Krisenbelastung zusammenzubrechen, berichten sie.

Tatsächlich sind auch die Jungbanker im Stress. Er sei es sich gewohnt, mitten in der Nacht für einen Auftrag aus dem Schlaf gerissen zu werden, berichtet einer. Aber nun, da die Vorgesetzten dank den Konferenzsystemen wüssten, wer eingeloggt ist und wer nicht, wisse er nicht, ob er überhaupt aufhören dürfe zu arbeiten.

M&A auf Eis

Im Guten heisst das immerhin, dass die Arbeit noch vorhanden ist – keine Selbstverständlichkeit für Investmentbanker, ist doch etwa das europäische Geschäft mit Fusionen und Übernahme (M&A) wegen der Krise praktisch zugefroren. Das wird mittelfristig auch Implikationen für die Jobs in der Branche haben.

Kurzfristig liegen jedoch auch die Stellenabbau-Programme auf Eis. Wie finews.ch berichtete, haben sich Grossbanken wie die UBS dazu bekannt, Entlassungen auszusetzen; dort hat dies CEO Sergio Ermotti jüngst in einer persönlichen Botschaft an die Mitarbeitenden nochmals bekräftigt. Derweil wird berichtet, dass die Deutsche Bank ihre neue Strategie in diesem Umfeld wohl nicht umsetzen kann – auch hier standen Hunderte Bankjobs auf der Kippe.

Auch hier dürfte jedoch gelten, dass Aufgeschoben nicht gleich Aufgehoben ist. Zum Homeoffice-Stress der Investmentbanker könnten sich demnach noch Existenzängste gesellen.