Pierre Ceyrac: «Dem High-Yield-Markt reicht ein mässiges Wachstum»
Hochverzinsliche Anleihen brachten 2024 zweistellige Gesamterträge ein, auch deshalb, weil die Refinanzierung dank sinkender Zinsen meist geräuschlos verlief. Als Reaktion auf die US-Zollpolitik haben sich aber nun etliche Investoren aus den risikobehafteten Anlagen verabschiedet. Pierre Ceyrac, Portfoliomanager bei Aviva Investors, ist noch daran, die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft abzuschätzen – und hofft, dass es nicht zu einer Rezession kommt.
Eigentlich ist es noch nicht so lange her, dass finews.ch das Gespräch mit Pierre Ceyrac, Portfoliomanager für Hochzinsanleihen (High Yield Bonds, HY) bei Aviva Investors, geführt hat. Der Fixed-Income-Spezialist weilte damals auf einer Roadshow für seine zwei Global-High-Yield-Bond-Fonds – einer mit einer längeren und einer mit einer kürzeren Duration (um Couponzahlungen bereinigte Restlaufzeit), beide in Dollar basiert – in Zürich. In den zwei Gefässen sind rund 4 Milliarden Dollar investiert.
Aufregerthema Nummer 1 war die Aufhebung der Schuldenbremse in Deutschland, die den Weg für massive Rüstungs- und Infrastrukturinvestitionen frei machen soll.
US-Zollpolitik schüttelt auch den High-Yield-Bond-Markt durch
Damals waren auch die Risikoaufschläge (Spreads) für High Yields zu sicheren Staatsanleihen historisch betrachtet sehr eng – eine Konsequenz der hervorragenden Performance der Anlageklasse seit Ende 2023.
In der Zwischenzeit hat die Ankündigung der neuen US-Zollpolitik die Aktienbörsen und auch den Markt für hochverzinsliche Anleihen durchgeschüttelt. Dort treten definitionsgemäss Schuldner auf, die von den Ratingagenturen unterhalb der Anlagequalität bewertet werden, also mit BB+/Ba1 oder tiefer. Dass Investoren in Krisenzeiten Sicherheit und Liquidität suchen und entsprechend riskante Anlagen scheuen, ist ein bekanntes Muster. Die Neueinschätzung der Risiken hat auch am HY-Markt zu einer deutlichen Ausweitung der Spreads geführt.
Weshalb der Markt für hochverzinsliche Anleihen Rezessionssignale hasst
Deshalb erkundigte sich finews.ch bei dem in der Zwischenzeit in die Zentrale nach London zurückgekehrten Portfoliomanager, wie er und seine vier Kollegen – darunter auch ein Spezialist, der sich ausschliesslich mit notleidenden Anleihen (Distressed Securities) befasst, diese turbulenten Tage erlebt haben.
Ceyrac und sein Team sind immer noch daran, die Wirkung der Massnahmen und Gegenmassnahmen auf die Konjunktur abzuschätzen. «Die HY-Märkte brauchen kein starkes Wirtschaftswachstum, aber sie hassen es, wenn es in Richtung Rezession geht», führt er aus. «Dann könnten sich die Spreads noch weiter ausweiten, da sie dazu tendieren, die Ausfallquote in neun bis zwölf Monaten zu antizipieren.»
Risiko vor dem Ausverkauf reduziert
Bisher haben in Dollar denominierte HY-Bonds mit tiefer Bonität (Triple-C) am stärksten auf den Zollstreit reagiert. Die Risikoaufschläge haben sich in diesem Segment um über 180 Basispunkte ausgeweitet, bei hochverzinslichen Anleihen in Euro fiel die Zunahme etwas kleiner aus.
Ceyrac gibt an, dass er das Risiko in seinen Fonds Anfang April, noch vor dem Ausverkauf, reduziert habe und nun entsprechend einen grösseren Liquiditätsbestand halte. Damit verfügt er über Handlungsspielraum, um sich dann wieder stärker im Markt zu engagieren, wenn für ihn die Zeit dafür gekommen ist.
Dollar-Anleihen dominieren den Markt
Trump-Schock und damit verbundene Hektik hin oder her, seiner Anlageklasse und der Grundphilosophie bleibt Ceyrac treu. Und er gibt nach wie vor dem europäischen Segment den Vorzug, auch wenn er sich bewusst ist, dass die Korrelation zum US-Markt gross ist.
Sein Universum setzt sich zu drei Vierteln aus HY-Bonds in Dollar zusammen – der Rest entfällt zum grössten Teil auf Euro-Papiere. Die Emittenten stammen aus allen Branchen, also normale Unternehmen, aber auch Finanzschuldner (Financials). Banken und Versicherungen weisen meist ein Rating in der Anlagequalität (Investment Grade) auf, begeben jedoch aus regulatorischen Gründen oft spekulativ geratete nachrangige Anleihen und solche mit Eigenkapitalcharakteristiken, wozu auch die mit dem Fall Credit Suisse ins Scheinwerferlicht geratenen Additional-Tier-1-Bonds gehören.
Umfassende Analyse
«Bei unserem Anlageansatz steht die fundamentale Analyse im Vordergrund, aber wir berücksichtigen auch quantitative Indikatoren», hält der Portfoliomanager fest. Zuerst wird abgeklärt, wie gross der mit der Anlageklasse HY verbundene Risikobeitrag zum Portfolio eines Kunden sein soll. Dann findet eine umfassende Analyse statt. «Wir schauen uns alles an: die Historie des Schuldners, die absolute und relative Bewertung einer Anleihe, die Spreadentwicklung, die Nachfrage-Angebots-Konstellation, Zahlungsausfälle, die Liquiditätsausstattung eines Emittenten, die Liquidität im Markt usw.»
Nur ein kleiner Teil der Anleihen im Fonds fällt in die Kategorie Distressed. «Wir sind kein Vulture-Fonds, der sich darauf spezialisiert hat. Aber wir haben mit Antonio Gurrea einen Experten für dieses Marktsegment im Team, der unseren Entscheidfindungsprozess bereichert.» Ceyrac begründet dies mit dem Argument, dass Portfoliomanager oft einen gewissen Bias gegenüber bestimmten Anleihen entwickeln.
Distressed-Spezialist entlastet Portfoliomanager
«Besonders, wenn ein solcher Bond plötzlich auf Distressed-Niveau handelt, obwohl es noch nicht zum Zahlungsausfall gekommen ist, ist es sehr wertvoll, wenn man eine neue Einschätzung erhält. Das ist eine grosse Entlastung für die Portfoliomanager.»
Aviva Investor ist die Asset-Management-Tochter der britischen Versicherung Aviva, welche die ganze Palette (Auto, Haus, Gesundheit und Leben) abdeckt. Die Gesellschaft verwaltet aktuell Vermögen über 233 Milliarden Pfund in Anlagelösungen für die öffentlichen und privaten Märkte.
Bessere Finanz- und ESG-Informationen als früher
Aviva war eine der ersten Versicherungsgesellschaften, die sich im Rahmen einer ESG-Strategie ein ehrgeiziges CO2-Ziel setzte.
«Unser HY-Universum schrumpft dadurch um etwa 3 Prozent. Früher bestand das Problem darin, dass die entsprechenden Informationen in unserer Anlageklasse kaum vorhanden waren.» Der Löwenanteil der Emittenten sind nichtkotierte Gesellschaften, die oft zur Finanzierung von Private-Equity-Transaktionen an den Anleihenmarkt gelangen. «Heute informieren diese Schuldner viel umfassender als früher über ihre finanzielle Situation und die ESG-Kennziffern», erläutert Ceyrac.
Problemlose Refinanzierung – auch dank tieferer Zinsen
Dass hochverzinsliche Anleihen 2024 zweistellige Gesamterträge abgeworfen haben, liegt gemäss Ceyrac auch daran, dass sich die Sorge, angesichts des höheren Zinsniveaus könnten viele Schuldner mit der Refinanzierung auslaufender Anleihen überfordert sein, als unbegründet erwies. «Die Zinssenkungen der Zentralbanken haben dazu geführt, dass fällige Bonds problemlos abgelöst werden konnten.» Und der zweite Effekt: «Tiefere Zinsen unterstützen die Konjunktur, so dass Unternehmen besser in der Lage sind, ihre Schulden zu bedienen.»
Und, um zum früheren Aufregerthema, dem Fiskalpaket Deutschlands, zurückzukommen. Auch dieses wird von Ceyrac positiv eingeschätzt: «Das Paket sorgt dafür, dass die Rezession in Deutschland endet. Dem HY-Markt geht es dann gut, wenn die Wirtschaft wächst. Das Wachstum muss nicht einmal besonders kräftig sein, es reicht, wenn es mässig ist.»