Politischer Druck, soziale Unrast, Aufstände: Thomas Steinemann, Anlagechef der Privatbank Bellerive, zieht im Interview mit finews.tv deutliche Grenzen der Negativzinspolitik. Die Nationalbank solle ein Experiment wagen.
Dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen weiter senken wird, scheint eine ausgemachte Sache. Wird jedoch die Schweizerische Nationalbank (SNB) nachziehen?
Thomas Steinemann, Anlagechef der Privatbank Bellerive, zweifelt grundsätzlich an der Geldpolitik der Schweizer Notenbanker. «Es mehrt sich die Evidenz, dass höhere Zinsen unter Umständen nicht zu einer Frankenaufwertung führen», sagt Steinemann im Interview mit finews.tv.
«Nicht die Zinsdifferenz ist der Grund für den starken Franken, sondern die Flucht in die Sicherheit.» Der Dollar sei auch nicht stärker geworden, obwohl die US-Notenbank in den vergangenen drei Jahren acht Zinsschritte vollzogen habe.
Steinemann sieht in der Schweizer Geldpolitik keine Unabhängigkeit mehr. «Man fragt sich, wozu wir noch den Franken haben», so der Bellerive-CIO. Wenn die SNB expansiver werde, nur weil die EZB es tue, stelle das den Sinn einer eigenen Währung in Frage. Die SNB sollte das Experiment wagen und die Negativzinsen aufheben.
Geldpolitik schafft Verlierer
Einer weiteren Senkung in den negativen Bereich seien numerisch zwar keine Grenzen gesetzt. Doch Grenzen gebe es dennoch: Diese lägen an einem Punkt, «wo soziale Unrast aufkommt, weil die Negativzinsen die sozialen Systeme aushöhlen und die Bevölkerung realisiert, dass die Geldpolitik sie zu Verlierern macht», warnt Steinemann.
Grenzen der gegenwärtigen Geldpolitik würden auch dann erreicht, wenn es zu einem systemischen Kollaps käme, «beispielsweise, wenn der Immobilienmarkt zusammenbricht.»
Doch Steinemann kann der gegenwärtigen Wirtschaftslage durchaus auch viel Positives abgewinnen. Das düstere und durch die Geldpolitik geprägte Makrobild kontrastiere mit einer höchst dynamischen Unternehmenswelt, die auf ihn wie ein «Jungbrunnen» wirke, sagt er.
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