Es stimmt, Scheitern wird im Banking streng sanktioniert. Entsprechend redet niemand gerne über gescheiterte Versuche wie unserer mit Pepper. Wir hören nur die geglätteten Erfolgsmeldungen. Die Folge ist, dass die Industrie nicht aus gemachten Fehlern lernen kann.

«Weil Technologie zuweilen überfordert, sind Emotions-Manager bei uns gefragt»

Wenn wir ehrlich ansprechen würden, dass sich etwa losgelöste Innovations-Hubs nur schwer reintegrieren lassen, oder dass es an der Basis eine fundamentale Orientierungslosigkeit gegenüber der Innovation gibt – wir könnten damit nur gewinnen.

Jetzt würde es mich interessieren, einen Ihrer Angestellten zu treffen. Arbeiten Saxo-Banker radikal anders als die Kollegen bei anderen Geldhäusern in der Schweiz?

Unser Business ist das Transaktionsgeschäft, insofern beschäftigen wir keine Berater im klassischen Sinn. Wir gehen davon aus, dass die Kunden primär den digitalen Kanal für die Kommunikation mit uns nutzen. Natürlich gibt es bei Saxo menschliche Anlaufstellen – die zeichnen sich aber vor allem durch ihre technische Kompetenz aus. Aber gerade weil Technologie zuweilen überfordert, sind Emotions-Manager auch bei uns gefragt. «Human interaction as a service» wird es im Banking meiner Meinung nach immer geben.

Den Begriff haben Sie selber kreiert?

(lacht) Ich glaube, ja. Ich kann allerdings nur dann «Human interaction as a service» anbieten, wenn die Kunden darin einen Mehrwert sehen. Und den Mehrwert der Beratungsleistung von heute stelle ich natürlich infrage. Dass mir jemand beispielsweise ein schlechte Nachricht auf empathische Weise überbringt – für dieses Erlebnis würde ich gerne zahlen. Und damit könnte sich eine Bank auch positionieren. Entsprechend gibt es eine Zukunft für den Erlebnis-Kundenberater.

Für einige wenige Kundenberater, heisst das wohl?

Möglicherweise. Sicher werden sich die Profile ändern müssen – die Vision des digital ergänzten Beraters funktioniert meiner Meinung nach nicht uneingeschränkt.

«Das wäre eine schöne Schlagzeile für Sie»

Es gibt zahlreiche Versuche, die leider nie öffentlich wurden, die zeigen, dass Kundenberater etwa im Chat mit einem Klienten kaum zusätzliche Informationen von Bildschirmen verarbeiten können. Vielleicht schaffen das ja künftige Generationen. Gamer sind etwa gut darin, zahlreiche Informationsquellen visuell zu verfolgen.

Sagen Sie bloss, dass der zukünftige Banker Gamer sein muss.

Das wäre eine schöne Schlagzeile für Sie! Ich sage lediglich, dass sich in diesem Bereich wunderbare Fähigkeiten finden, die uns nützlich sein können. Das ist sicher besser, als Dinosaurier in die Zukunft zu retten und sie als Psychologen und Vertrauensärzte schönzureden.

Ist die Finanzindustrie insgesamt technologie-feindlich?

Nein. Historisch ist sie sogar sehr technologie-lastig. Die Herausforderung besteht heute darin, die exponentiell voranschreitende Innovation für das Unternehmen abzuschöpfen. Das kann sich natürlich nicht jeder leisten. Eine wichtige Erkenntnis dazu besteht darin, dass Technologie nur Mittel zum Zweck ist, und nicht der Zweck an sich. Das zeigt sich etwa bei der Datenthematik.

Wie das?

Alle sagen, Bankdaten seien wertvoll.

Das sind sie gar nicht?

Insbesondere der eigene Datensatz wird in Zukunft signifikant an Wert verlieren. Was hingegen wertvoll ist, ist der Blick über die eigenen Daten hinaus. Entscheidend ist die Fähigkeit zur Datenanalyse. Wir sehen schon die ersten Überläufer in diese Richtung: J.P. Morgan paktiert etwa mit Facebook.

«Wenn wir Daten teilen, müssen die anderen das natürlich auch tun»

Wenn einige Grosse das vormachen, könnte ein Dammbruch folgen. Ich stelle mir die Frage, was wäre, wenn die Häuser wie die UBS und die Credit Suisse endlich ihre Daten mit IT-Riesen teilen würden – immer mit dem Einverständnis der Kunden natürlich.

Facebook, Amazon & Co. gelten als Angstgegner der etablierten Banken. Darf man es den Geldhäusern vorwerfen, wenn sie diesbezüglich zurückhaltend sind?

Wenn wir Daten teilen, müssen die anderen das natürlich auch tun. Daten zu schützen, das ist ganz tief in der Mentalität der Schweizer Banken verankert. Doch eigentlich ist dies nicht mehr wichtig, denn Rohdaten an sich sind eigentlich wertlos.

Die Industrie verbaut sich ganz viele Möglichkeiten, wenn sie bei der laufenden Demokratisierung der Daten nicht mittut. Wo wir künftig zwingend zu den besten gehören müssen, ist das Feld der Data Analytics. Banken sollten das zyklische Hoch nutzen, um ihre Gewinne in solche Fähigkeiten zu investieren, anstatt sie an die Eigner auszuschütten.

Was schwebt Ihnen da vor?

Das ist wohl ein Traum, aber ein «Swiss Financial Supermarket», auf dem die geballte Banken-Kompetenz aller hiesigen Anbieter transparent zugunsten der Nachfrager kuratiert würde, wäre eine echte Konkurrenz zu den Plattformen und Kundeninteraktions-Monopolisten dieser Welt.

«Dass wir künftig weniger Leute beschäftigen werden: Das lässt sich nicht schönreden»

Weniger ein Traum sind die nachgelagerten Prozesse. Hier werden wir auf jeden Fall Industrie-Utilities sehen. Denn Plattformen verstehen nur die Plattform-Sprache.

Die Saxo Bank Schweiz hat im vergangenen Semester ihrerseits kräftig investiert, was signifikant auf den Gewinn drückte. Ging das Geld in die Datenanalyse?

Die Applikationen für Datenanalyse oder Künstliche Intelligenz beziehen wir von der Gruppe – in der Schweiz müssen wir sicherstellen, dass der technologische Graben zwischen rückwärtigem Dienst und Front nicht zu weit wird. Entsprechend haben wir ins Backoffice investiert. Wer nämlich ein Backoffice 2.0 betreibt, kann beim Kunden vorne 4.0-Dienste anbieten.

Investieren Sie auch ins Personal?

Zur DNA von Saxo als Technologie-Bank gehört es, dass die Bank ohne grossen Personalbestand auskommt. Das zu ändern, erscheint mit Blick auf die Positionierung als wenig sinnvoll. Wir müssen hingegen darauf achten, dass unsere Mitarbeitenden die richtigen Fähigkeiten aufweisen. Dass wir künftig eher weniger Leute beschäftigen werden: Das lässt sich nicht schönreden, sondern entspricht der Logik unseres Fokus'.


Patrick Hunger ist seit 2016 CEO der Saxo Bank (Schweiz). Zudem ist er Vorstandsmitglied der Swiss Blockchain Association, Beiratsmitglied des Verbandes Swiss Finance Startups (SFS), des Thinktank RFS (Redesigning Financial Services) sowie im Vorstand von Swiss Cycling. Zuvor war Hunger unter anderem als Chefjurist und Geschäftsleitungsmitglied beim Credit Suisse Trust tätig.