Die ehemalige Mitarbeiterin der UBS in London hat in einem Interview ihre Version der Geschichte erzählt. Wie die UBS den Fall gemäss der Version behandelte, erscheint damit höchst fragwürdig.
Die ehemalige UBS-Mitarbeiterin in London, die von einem Vorgesetzten mutmasslich vergewaltigt worden ist, macht der Grossbank weiterhin schwere Vorwürfe. In einem Interview mit der «Financial Times» sagte sie, die UBS habe im Zuge ihrer Untersuchung ihre Freundinnen ausgefragt, ob sie der Typ «one night stand» sei.
«Würde die UBS die Freunde von (Name des Betroffenen entfernt) fragen, ob er ein Vergewaltiger sei?» fragt sich die junge Frau, die nach ihrem Studium in der Handelsabteilung der UBS Investmentbank gearbeitet hatte.
Die UBS habe sie untersucht, obwohl sie diejenige gewesen sei, welche die Beschwerde vorgebracht hatte.
Die FCA und die Polizei sind orientiert
Die mutmassliche Vergewaltigung, welche im vergangenen Herbst geschehen war, ist durch eine Email des Opfer an UBS-Investmentbank-Chef Andrea Orcel ans Licht gekommen. Orcel sagte, er werde alles daran setzen, dass solche Vorfälle nie mehr geschehen. Die UBS hatte ihre grosse Betroffenheit ausgedrückt und angekündigt, sie werde ihre internen Prozesse für solche Fälle überprüfen.
Erneut kommentierte die Grossbank den Bericht und die Aussagen der jungen Frau aber nicht – aus Gründen der Vertraulichkeit, wie es hiess. Das Opfer hat sich inzwischen an die britische Finanzaufsicht Financial Conduct Authority (FCA) und auch an die Polizei gewandt.
Uneinvernehmlicher Sex
Die Personalabteilung der UBS, welche den Fall vergangenes Jahr untersucht hatte, unterliess es ihrerseits, der FCA Meldung zu machen. Dies hätte die Bank aber tun müssen.
Die junge Frau erzählte der «Financial Times» sie sei an einem Morgen im vergangenen September nach einem Firmenanlass, bei dem Alkohol getrunken wurde, in einem fremden Haus neben ihrem Vorsetzten aufgewacht. Sie habe sich nicht daran erinnern können, wie sie dorthin gelangt sei, glaubte aber, es sei zu uneinvernehmlichem Sex gekommen.
Sie meldete den Vorfall noch am selben Tag der HR-Abteilung der UBS. Diese habe eine Untersuchung und Unterstützung versprochen. Einige Zeit später sei der Vorgesetzte suspendiert worden.
Ende der Untersuchung immer wieder aufgeschoben
Die UBS habe ihr zunächst mitgeteilt, ein Bericht zur Untersuchung würde im November beendet sein. Im Anschluss daran würde dann eine disziplinarische Anhörung angesetzt, bei der sie ihre Vorwürfe hätte belegen müssen.
Das geschah aber nicht. Stattdessen habe die HR-Abteilung ihr immer wieder gesagt, die Anhörung werde kommende Woche stattfinden, «es dauert noch eine Woche, vielleicht auch zwei.» Über die Gründe der Verzögerung und den Inhalt der Untersuchung sei sie im Dunkeln gelassen worden. Einmal hiess es, es sei halt schwierig, einen gemeinsamen Termin für die disziplinarische Anhörung zu finden.
UBS-HR: «Die Leute reden halt gerne»
Vergangenen März schliesslich informierte das HR der UBS die junge Frau, dass ihr Vorgesetzter die Bank freiwillig verlassen habe. Es werde kein disziplinarisches Verfahren geben.
Sie habe daraufhin entschieden, die UBS zu verlassen. Sie habe sich vom HR zunächst versichern lassen wollen, dass sie nicht schikaniert würde und dass ihre Vorgesetzten sie nicht als «Problemfall» bezeichnen würden. Das HR habe dazu nur gesagt: «Die Leute verbreiten halt gerne Gerüchte.»