Da darf ich Ihnen in einem Punkt widersprechen: Die Vielzahl der Wealth Manager vertreten die Werte Integrität, Respekt und Bescheidenheit unverändert – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Was ist Wealth Management in seiner reinsten Form?
Wealth Management ist die Begleitung von vermögenden Kunden in wesentlichen Zielen. Im Kern ist dies ein vertrautes Beraterteam, das in der Lage ist, entsprechend einem persönlichen CFO die Person oder typischerweise die Familie in der Vermögensverwaltung zu unterstützen. Dieser Zweck ist unverändert. Digitalisierung hat zwei Bedeutungen für Wealth Manager: Effizienzsteigerung intern und eine Verbesserung der Dienstleistung an der Kundenschnittstelle.
Worauf baut eine Digitalisierungsstrategie auf?
Das durchschnittliche Alter im Segment der HNW- und UHNW-Kunden liegt deutlich über 60 Jahre. Aber die Profile der Kunden hinsichtlich ihrer Entscheidungstreiber sind sehr unterschiedlich. Die Erwartungen hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit werden zudem von anderen Industrien getrieben.
«Das Leistungsversprechen bestimmt das Geschäftsmodell»
Eine Technologisierung der Kundenschnittstelle bedeutet somit vielfach den Aufbau eines komplexeren Geschäftsmodells. Institute werden somit entscheiden müssen, ob und wie sie die herkömmlichen Kanäle, wie auch die neuen Erwartungen adressieren.
Und wie sollen sich Wealth Manager entscheiden?
Entscheidend dabei ist: Das Leistungsversprechen jedes Wealth Managers wird schlussendlich determinieren, wo er im Geschäftsmodell aufhört, Dinge selbst zu tun. Es wird Banken geben, die sich zunehmend als Technologieunternehmen verstehen, andere werden sich ausschliesslich auf das Kundengeschäft konzentrieren.
Sie sagten, Banken sollen sich an der Automobilindustrie ein Beispiel nehmen.
Vergleiche zwischen Industrien sind immer mit Vorsicht zu ziehen. Aber ja, im Automobilbau haben sich die Hersteller spezialisiert und stellen in der Regel nur solche Teile selbst her, die für ihre Value Proposition wichtig sind - kein Fahrzeughersteller produziert Reifen. Ein anderes Beispiel: Während die Scheinwerfer früher als Komponente eingekauft wurden, ist aus Kundensicht heute das Erscheinungsbild und die Technik ein wesentlicher Aspekt des Fahrzeugcharakters. Deswegen wird bei einigen Anbietern die Konstruktion wieder integriert.
Banken tun das nicht?
Immer noch bilden eine Vielzahl von Instituten die nahezu komplette Wertschöpfung ab. Welcher Wealth Manager ist aus Kundensicht besonders glaubwürdig aufgrund einer überlegenen Abwicklung im Zahlungsverkehr oder der Wertschriftenabwicklung?
Also dreht sich bei den Banken in Zukunft alles um Segmentierung: Geschäftsfelder und Kunden.
Der Zweck der Kundensegmentierung ist strategisch die Bildung einer möglichst homogenen Gruppe von Zielkunden, die bestmöglich in ihrem Bedarf bedient wird. Die Segmentierung ermöglicht unterschiedliche Geschäftsmodelle.
Können Sie ein Beispiel machen?
UHNW-Kunden: Der Kern des Geschäftsmodells zielt auf das Lösen von komplexen Fragen der Vermögensverwaltung ab. In Abgrenzung ist das Affluent-Banking im Kern der Verkauf von Lösungen, Retail Banking ist und wird ein Produktgeschäft bleiben.
Was ist mit Fintechs?
Fintechs spezialisieren sich in der Regel auf spezifische Aspekte des Leistungsversprechens; es gibt bisher kaum glaubwürdige Beispiele im Wealth Management. Die Wahrscheinlichkeit, dass Fintechs aus eigener Kraft in kurzer Zeit genug Vertrauen aufbauen können, um bedeutende Vermögen aufbauen zu können, halte ich für sehr gering.
Olaf Toepfer ist seit gut drei Jahren Partner beim Beratungsunternehmen EY Schweiz und dort zuständig für die Bankbranche und Kapitalmärkte. Davor war der gebürtige Deutsche über zehn Jahre für den Strategieberater Roland Berger tätig, zuletzt als Senior Partner und Leiter Financial Services Switzerland.
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