Olaf Toepfer: «Die Transformation ist für einige Banken nicht erreichbar»

Mit den sich stark verändernden Kundenanforderungen müssen Wealth Manager ihren Fokus stärken. Digitalisierung könne auch zu höherer Komplexität führen, warnt Olaf Toepfer von EY.

«Was wollen Kunden – und was sind die neuen Geschäftsmodelle im Wealth Management?» Dieser Frage ging Olaf Toepfer, Managing Partner und Leiter Banking & Capital Markets beim Beratungsunternehmen EY an einer Podiumsdiskussion der Veranstaltung «Silicon Valley meets Paradeplatz» nach.

Auf der Bühne sassen dabei Babak Dasmaltschi von der Credit Suisse, Nic Dreckmann von Julius Bär, Lombard-Odier-Partner Carl Verbrugge sowie Laurent Pivin vom Family Office P&P. Auf die einfache Frage folgten – wenig überraschend – keine einfachen Antworten.

Die Wealth Manager kämpfen mit den höchst unterschiedlichen Kundenanforderungen und vielfach dem Zwang, ihr Geschäft zu fokussieren sowie in Technologisierung zu investieren. Erst diese wichtigen Weichenstellungen entscheiden, welches Geschäftsmodell zur Anwendung kommt. finews.ch sprach im Anschluss mit dem Banking-Spezialisten von EY.


Herr Toepfer, welches ist das zukunftsträchtigste Geschäftsmodell im Wealth Management?

Das gibt es schlicht nicht: Das Geschäftsmodell eines erfolgreichen Wealth Managers hing immer von verschiedenen Faktoren ab. Das wird auch in Zukunft so sein: In welcher Region der Wealth Manager tätig ist, welche Kundenzielgruppe er bedient, wie weit und in welcher Form andere Geschäftsfelder wie Asset Management oder Investment Banking integriert sind, wie hoch die Wertschöpfungstiefe ist und ob der Setup global gewählt ist oder ob eine regionale Struktur besteht. Die Fragmentierung der Anbieter im Wealth Management ist unverändert sehr hoch – entsprechend divers sind die Geschäftsmodelle.

Was ist der Hauptgrund für die Fragmentierung?

Die Hauptursache sind unterschiedliche Anforderungen der Kunden. Der Faktor Technologie spielt aber tatsächlich eine Rolle bei der Differenzierung von Geschäftsmodellen. Denn eine zentrale Frage für Wealth Manager lautet heute: Welchen Mehrwert biete ich in Zukunft: Beratung und die Entwicklung komplexer Lösungen, eine effiziente Vermögensanlage und/oder individuelle Investmentopportunitäten?

«Eine Vielzahl von Anbietern definiert ihre Kernkompetenz anders»

Insbesondere die grössten Anbieter werden anstreben, eine globale Plattform für ihr eigenes Geschäft und für Dritte aufzubauen. Das wiederum ermöglicht kleine, spezialisierte Institute im Wealth Management.


Also wird dies zu einer weiteren Fragmentierung führen?

Mit globaler Marktführerschaft im Wealth Management ist strategisch das Ziel verbunden, eine Plattform mit voller Wertschöpfungstiefe aufzubauen. Das hat im Gegenzug sehr hohe Investitionen zur Folge. Eine Vielzahl von Anbietern im Wealth Management definiert ihre Kernkompetenz allerdings anders.

Wie?

Ein anderes Extrem unter den Geschäftsmodellen ist der reine Fokus des Wealth Managers auf die Wertschöpfung an der Front, beim Kunden. Umfassende Teile der Wertschöpfungskette werden ganz bewusst vom eigenen Geschäftsmodell ausgegrenzt und eingekauft: Das Leistungsversprechen wird in Zukunft stärker die Wertschöpfungstiefe definieren.

In der Branche wird seit bald zehn Jahren das Mantra wiederholt, dass sich Banken von produkteorientierten zu kundenorientierten Organisationen wandeln müssen. Wie erfolgreich sind sie dabei?

Zunächst einmal muss man feststellen, dass eine Vielzahl von Privatbanken ausgesprochen kundenzentriert ist. Richtig ist aber auch, dass über Jahrzehnte hinweg globale Finanzinstitute ihre Geschäftsmodelle produktzentriert aufgebaut haben. Und dies mit gutem Grund: Es bestand eine stark steigende Nachfrage nach Finanzdienstleistungen, und dies nicht nur im Wealth Management.

«Kunden erhalten bereits deutlich mehr Leistungen»

Der Kontext verändert sich und neben Regulatoren haben vor allem Kunden zunehmend mehr Macht in der Wertschöpfungskette. Ein verändertes Führungsparadigma konsequent umzusetzen, ist für grosse Finanzinstitute nicht ganz einfach.

Also ist diese «Client Centricity», von der alle Institute sprechen, nur PR?

Ganz so einfach ist es nicht. Wealth Management-Kunden erhalten heute bereits deutlich mehr Leistungen für vergleichbare Konditionen bei höheren regulatorischen Anforderungen. Aber es gibt auch Beispiele, bei denen Regulatoren den Mehrwert für Kunden ungewollt einschränken: In Grossbritannien beispielsweise ist aufgrund der Summe der regulatorischen Anforderungen im «mass affluent»-Geschäft eine Anlageberatung für komplexere Produkte schlicht zu aufwendig und teuer geworden.

Dennoch verfolgen alle diesen kundenfokussierten Beratungsansatz.

In jedem stark umkämpften und gesättigten Markt müssen Institute versuchen, den durch den Kunden empfundenen Mehrwert zu optimieren, um Geschäftsanteile zu gewinnen. Die Transformation zu einem konsequent kundenzentrierten Geschäftsmodell ist für einige Anbieter jedoch ein hochkomplexer Prozess und vielleicht sogar für einige Institute nicht erreichbar.

Warum?

Je komplexer eine Organisation ist, desto schwieriger ist es, eine nachhaltige Veränderung des Geschäftsmodells zu erreichen. Man sagt «Kultur ist stärker als Strategie»: Die Summe der Überzeugungen aller entscheidenden Personen kann gegen die Veränderung arbeiten.

«Da darf ich Ihnen widersprechen»

Was nicht bedeutet, dass es nicht produktzentrierte Geschäftsbereiche geben sollte: Im Investmentbanking macht dies Sinn – auch zum Wohl der Kunden.

Wealth Management scheint im Moment zwei grosse Treiber zu haben: Technik und Tradition, also die Digitalisierung von Prozessen und die Hinwendung zum traditionellen Beratungsgeschäft, in welchem Werte wie Demut und Transparenz wieder etwas gelten sollen.


Da darf ich Ihnen in einem Punkt widersprechen: Die Vielzahl der Wealth Manager vertreten die Werte Integrität, Respekt und Bescheidenheit unverändert – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Was ist Wealth Management in seiner reinsten Form?

Wealth Management ist die Begleitung von vermögenden Kunden in wesentlichen Zielen. Im Kern ist dies ein vertrautes Beraterteam, das in der Lage ist, entsprechend einem persönlichen CFO die Person oder typischerweise die Familie in der Vermögensverwaltung zu unterstützen. Dieser Zweck ist unverändert. Digitalisierung hat zwei Bedeutungen für Wealth Manager: Effizienzsteigerung intern und eine Verbesserung der Dienstleistung an der Kundenschnittstelle.

Worauf baut eine Digitalisierungsstrategie auf?

Das durchschnittliche Alter im Segment der HNW- und UHNW-Kunden liegt deutlich über 60 Jahre. Aber die Profile der Kunden hinsichtlich ihrer Entscheidungstreiber sind sehr unterschiedlich. Die Erwartungen hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit werden zudem von anderen Industrien getrieben.

«Das Leistungsversprechen bestimmt das Geschäftsmodell»

Eine Technologisierung der Kundenschnittstelle bedeutet somit vielfach den Aufbau eines komplexeren Geschäftsmodells. Institute werden somit entscheiden müssen, ob und wie sie die herkömmlichen Kanäle, wie auch die neuen Erwartungen adressieren.

Und wie sollen sich Wealth Manager entscheiden?

Entscheidend dabei ist: Das Leistungsversprechen jedes Wealth Managers wird schlussendlich determinieren, wo er im Geschäftsmodell aufhört, Dinge selbst zu tun. Es wird Banken geben, die sich zunehmend als Technologieunternehmen verstehen, andere werden sich ausschliesslich auf das Kundengeschäft konzentrieren.

Sie sagten, Banken sollen sich an der Automobilindustrie ein Beispiel nehmen.

Vergleiche zwischen Industrien sind immer mit Vorsicht zu ziehen. Aber ja, im Automobilbau haben sich die Hersteller spezialisiert und stellen in der Regel nur solche Teile selbst her, die für ihre Value Proposition wichtig sind - kein Fahrzeughersteller produziert Reifen. Ein anderes Beispiel: Während die Scheinwerfer früher als Komponente eingekauft wurden, ist aus Kundensicht heute das Erscheinungsbild und die Technik ein wesentlicher Aspekt des Fahrzeugcharakters. Deswegen wird bei einigen Anbietern die Konstruktion wieder integriert.

Banken tun das nicht?

Immer noch bilden eine Vielzahl von Instituten die nahezu komplette Wertschöpfung ab. Welcher Wealth Manager ist aus Kundensicht besonders glaubwürdig aufgrund einer überlegenen Abwicklung im Zahlungsverkehr oder der Wertschriftenabwicklung?

Also dreht sich bei den Banken in Zukunft alles um Segmentierung: Geschäftsfelder und Kunden.

Der Zweck der Kundensegmentierung ist strategisch die Bildung einer möglichst homogenen Gruppe von Zielkunden, die bestmöglich in ihrem Bedarf bedient wird. Die Segmentierung ermöglicht unterschiedliche Geschäftsmodelle.

Können Sie ein Beispiel machen?

UHNW-Kunden: Der Kern des Geschäftsmodells zielt auf das Lösen von komplexen Fragen der Vermögensverwaltung ab. In Abgrenzung ist das Affluent-Banking im Kern der Verkauf von Lösungen, Retail Banking ist und wird ein Produktgeschäft bleiben.

Was ist mit Fintechs?

Fintechs spezialisieren sich in der Regel auf spezifische Aspekte des Leistungsversprechens; es gibt bisher kaum glaubwürdige Beispiele im Wealth Management. Die Wahrscheinlichkeit, dass Fintechs aus eigener Kraft in kurzer Zeit genug Vertrauen aufbauen können, um bedeutende Vermögen aufbauen zu können, halte ich für sehr gering.


Olaf Toepfer ist seit gut drei Jahren Partner beim Beratungsunternehmen EY Schweiz und dort zuständig für die Bankbranche und Kapitalmärkte. Davor war der gebürtige Deutsche über zehn Jahre für den Strategieberater Roland Berger tätig, zuletzt als Senior Partner und Leiter Financial Services Switzerland.