Banken und Sparer machen ihrem Ärger über die Negativzinsen Luft. Doch wie alles in der Welt, gibt es auch hier eine positive Seite. Allerdings sind dabei die Kundenberater gefordert wie selten zuvor, schreibt finews.ch-Redaktor Frédéric Papp.

Von Frédéric Papp, Redaktor finews.ch

Auch acht Jahre nach der Finanzkrise sind die Zeiten an der Zinsfront noch nicht wieder normal. Die Notenbanken, allen voran die Europäische Zentralbank (EZB), halten die Leitzinsen im negativen Bereich, mit der Hoffnung Wirtschaftswachstum zu erzielen – bislang mit wenig Erfolg.

Das Zinsregime der EZB muss auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) übernehmen, um einer weiteren Überbewertung des Franken entgegenzuwirken, mit teuren Folgen für die Banken: Denn diese müssen auf Einlagen bei der SNB einen Negativzins von 0,75 Prozent bezahlen.

Allein im ersten Quartal 2017 strich die SNB einen Gewinn auf den Frankenpositionen von 500 Millionen Franken ein. Der Grossteil davon stammt aus den erhobenen Negativzinsen auf Girokontoguthaben, wie die Schweizer Währungshüter kürzlich mitteilten.

Sparer sind die Leidtragenden

Vermehrt wälzen die Banken diese Kosten auf ihre Kunden ab. So hat die Migros Bank im vergangenen März bekanntgegeben den Negativzins von 0,75 Prozent an Privatkunden, die mindestens 1 Million Franken bei der Genossenschaftsbank horten, weiterzugeben. Ebenso hat die UBS angekündigt, Strafzinsen auf grosse Eurobestände europäischer Kunden zu erheben, wie finews.ch berichtete.

Die tiefen Zinsen führen auch zu Übertreibungen in einzelnen Anlagesegmenten, die noch Rendite versprechen, wie Immobilien, Obligationen mit tieferer Bonität oder Alternative Anlagen.

Zwang zur Innovation

Gleichzeitig bietet die historisch einmalige Situation an den Zinsmärkten auch Chancen – insbesondere für die Banken.

Zum einen sind sie wie kaum zuvor gezwungen, innovativ zu denken, sprich Finanzprodukte und -lösungen mit einem angemessenen Rendite-Risiko-Profil zu entwickeln. So bietet beispielsweise der Private-Equiy- und Private-Debt-Markt lukrative Möglichkeiten für Banken und Anleger gleichermassen. Auch das eine oder andere Schwellenland gilt es, genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die Zeiten, in denen Kundenportfolios mit 60 Prozent Obligationen und 40 Prozent Aktien – meist Schweizer Titel – abgefüllt wurden, sind damit definitiv vorbei.

Zwang zum Dialog

Kundenberater sind demnach gefordert wie selten zuvor. Nicht nur müssen sie Renditen für ihre Klientel erwirtschaften, sie müssen auch auf der Hut sein, nicht in überhitzte Marktsegmente zu investieren.

Der Dialog mit den Kunden ist somit wichtiger denn je und zugleich eine Chance, die Klientel besser kennenzulernen – eine Aufgabe, die bei den Banken in der Vergangenheit, aber auch heute noch, zu wenig Aufmerksamkeit geniesst.

Dabei wäre es so einfach: Kunden, insbesondere wohlhabende Kunden, verlangen aufgrund der tiefen Zinsen nach Beratung. Eine ehrliche, auf das Kundenwohl fokussierte Beratung bindet nicht nur den Kunden enger an die Bank, sondern kann auch Folgegeschäfte nach sich ziehen.

Zwang zur Kundenfokussiertheit

Dabei lohnt es sich auch, die Masse an Kunden im Affluent-Segment und darunter zu beachten. Gerade in diesen Bereichen liegt hinsichtlich Beratungsqualität noch viel Potenzial brach, wie finews.ch in einem vielbeachteten Bericht darlegte.

Anstatt weiter mit Negativzinsen für Sparer zu drohen, sind Banken daher besser beraten, ihren Job gewissenhaft zu erledigen. Den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, eine Erkenntnis, auf die das Gros der Schweizer Banken scheinbar erst vor kurzem gekommen ist, beinhaltet genau dies:

Ganzheitliche und kompetente Beratung, ohne dabei den Verkauf von irgendwelchen Finanzprodukten zu forcieren, von denen oft die Bank selber am meisten profitiert. Die tiefen Zinsen bieten dafür eine einmalige Chance.


 Frédéric Papp ist Redaktor bei finews.ch. Zuvor war er bei «cash.ch» tätig. Er studierte Philosophie, Betriebswirtschaft und Politik an der Universität Zürich. Studiumsbegleitend arbeitete er als freier Wirtschaftsjournalist beim «Zürcher Oberländer» und als Sachbearbeiter bei der Zürcher Kantonalbank. Auf seinem ersten Bildungsweg absolvierte Papp eine Lehre als Bankkaufmann bei der Schweizer Privatbank Rahn & Bodmer.