In einem Prozess des libyschen Staatsfonds gegen die Investmentbank Goldman Sachs kommen laufend neue pikante Details ans Licht. Die Schlammschlacht in London dürfte auch Schweizer Banker nervös machen.
«Hallo Schätzchen, erinnerst du dich an mich? Yousef aus London. Bin grad in Dubai gelandet. Bist du heut Nacht frei, zusammen mit einer Freundin?»
«Sorry, ich kann mich nicht an dich erinnern. Wo bist du?»
«Im Ritz Carlton. Wir trafen uns im Emirates Tower und dann im Mirage.»
«Ja, ich erinnere mich. Wollen wir uns heute Nacht sehen?»
«Mit Vergnügen. Ich bin mit einem Freund unterwegs. Treffen wir uns in einem Hotel?»
«Ich komme in dein Hotel, wenn du mir und meiner Freundin 1'500 Dollar gibst.»
«200 Dollar für jede.»
«Nein. 300.»
«Abgemacht. Aber deine Freundin muss so hübsch sein wie du.»
So und noch länger ging die SMS-Unterhaltung, die ein gewisser Youssef Kabbaj mit einem Callgirl in Dubai führte. Jetzt geht die Konversation um die Welt. Denn Kabbaj und sein namenloser «Freund» sind nicht irgendwer.
Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker steht im Mittelpunkt eines Prozesses in London, in dem sich ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen der amerikanischen Investmentbank und dem vom libyschen Despoten Muammar al-Gaddafi gegründeten Staatsfonds Libyan Investment Authority (LIA) entlädt.
Peinliche Einzelheiten
Aus dem Gerichtssaal, wo sich die beiden Parteien seit letztem Dienstag gegenüber stehen, dringen nun allerhand unschöne Einzelheiten in die Öffentlichkeit – wobei die Anheuerung von Prostituierten bisher die Pikanteste ist.
Dabei dürften nicht wenige Schweizer Vermögensverwalter nervös Richtung Themsestadt blicken. Denn auch für sie hat der Name LIA eine bitteren Beigeschmack.
Sogar Lloyd Blankfein wunderte sich
Doch der Reihe nach: 2006 wurde der libysche Staatsfonds aufgesetzt, um wie die Vorbilder aus Norwegen und den Emiraten die Ölmilliarden des Landes am Finanzmarkt zu investieren. Dazu wandte sich die LIA gleich an eine der ersten Adressen weltweit: Goldman Sachs.
Schon bald wälzte die «Königin des Investmentbanking» so riesige Deals für die Libyer, dass sogar CEO Lloyd Blankfein Wind davon bekam und sich intern erkundigte. Das berichtet das Branchen-Portal «Business Insider».
Doch da war schon das Jahr 2008 angebrochen, und das Unheil nahm seinen Laut. Mit der Finanzkrise erlitt die LIA massive Verluste auf den Goldman-Sachs-Trades. Rund 1 Milliarde Dollar Schadenersatz fordern die Libyer nun von der Bank – mit dem bitteren Vorwurf, diese habe das geringe Finanzwissen der LIA schamlos für hochriskante Wetten ausgenutzt.
Begehrten Praktikums-Platz beschafft
Plötzlich erinnern sich die Libyer auch, wie eng sie mit den Goldmännern im Vorfeld waren. Die Investmentbank hatte demzufolge mit Kabbaj einen «eingebetteten» Banker innerhalb der LIA, der dort die Interessen der Amerikaner lenkte.
Insbesondere gelang dies laut den LIA-Anwälten, weil Kabbaj Haitem Zarti zum Freund gewann, den Bruder eines wichtigen LIA-Lenkers. Die Freundschaft liess sich Kabbaj offenbar etwas kosten: Ferien in Marokko, Konferenzen in Dubai, Fünfstern-Hotels und gar ein begehrtes Goldman-Praktikum für Zarti.
Und eben Prostituierte.
So eingelullt, habe sich der Staatsfonds umso leichter übertölpeln lassen, so die Kläger. Das belegten sie mit der Mail eines weiteren Ex-Goldman-Sachs-Bankers. Der schrieb über den wichtigen Kunden: «Die lassen sich leicht flachlegen.»
Auch die CS enttäuschte die Libyer
Das alles bestreitet Goldman Sachs nun vehement. Doch der Prozess soll noch sieben Wochen dauern. Bis dahin geht die Schlammschlacht weiter.
Das dürfte auch jenen Schweizer Finanzinstituten unangenehm sein, die selber einst die LIA enttäuschten. Im Jahr 2011 veröffentlichte die britische Nichtregierungsorganisation Global Witness nämlich ein Papier des Beratungsunternehmens KPMG, das den Libyern empfahl, sich von schlecht rentierenden Hedgefonds diverser Anbieter zu trennen.
Darunter befanden sich auch Fonds der Schweizer Grossbank Credit Suisse und der Genfer Hedgefonds-Pionierin Notz Stucki, wie die Agentur «Bloomberg» berichtete.
Denkbar immerhin, dass ein Sieg gegen Goldman Sachs die LIA motivieren könnte, auch bei weiteren ihrer ehemaligen Finanzpartnern vorstellig zu werden. Global Witness schätzte damals die vom Staatsfonds auf diversen Investments erlittenen Verluste auf 1,25 Milliarden Dollar.