Erstmals verrät Francesco de Ferrari detailliert, welche Übernahme-Kriterien die Schweizer Grossbank Credit Suisse in Asien hat. Fest steht, der oberste CS-Private-Banker in der Region muss einen Quantensprung schaffen.
Die Erwartungen an Tidjane Thiam sind klar: Der designierte CEO der Credit Suisse (CS) soll das Private Banking stärken – und dabei insbesondere den Ausbau in der Boom-Region Asien vorantreiben.
Noch bevor Thiam Ende Juni sein Amt bei der Schweizer Grossbank antritt, haben die Vorarbeiten zur Expansion im Singapurer Hauptquartier der CS-Privatbank schon begonnen. Wie weit sie gediehen sind, verrät der Leiter für das Private Banking in der Region Asien/Pazifik, Francesco de Ferrari (Bild), wie einem Beitrag auf dem Branchenportal «Finance Asia» zu entnehmen ist.
De Ferrari lässt schnell durchblicken, dass die CS rasch einen grossen Wachstumssprung braucht, und dass dies im Tagesgeschäft allein nicht möglich ist. «Wir werden uns definitiv nach anorganischem Wachstum umschauen», bestätigt der gebürtige Italiener, der seit 2011 das Asiengeschäft der CS-Privatbank verantwortet.
Skaleneffekt oder Brückenkopf
Allerdings, gibt der 45-Jährige noch im selben Atemzug zu bedenken, müssten die Zukäufe auch Sinn machen. Und er beschreibt, was er damit meint: «Entweder muss uns eine Akquisition helfen, rasch an Grösse zuzulegen und damit Skaleneffekte zum Tragen zu bringen», erklärt de Ferrari. «Oder es kann eine kleinere Übernahme sein, wenn sie uns hilft, in einem neuen Markt Fuss zu fassen.»
Laut de Ferrari war der Kauf der HSBC-Privatbank in Japan im Jahr 2012 ein Beispiel für letzteren Anspruch. Zudem mag sich der CS-Top-Banker, der zuhause fünf Kinder hat und einst wegen einer Begegnung mit Mutter Teresa in Indien eine Karriere im Investmentbanking an den Nagel hängte, nicht mit kleinen Fischen aufhalten.
«Seit 2012 haben wir im asiatischen Private Banking die Kundengelder um etwa 20 Milliarden Franken pro Jahr steigern können», erklärt de Ferrari. Eine Übernahme, die kleiner sei als diese Summe, wäre ein Trade-off, sagt der Asien-Spezialist, da die Integration meist ebenfalls zwölf Monate in Anspruch nehme.
Auslandsbanken im Visier?
Ein Blick auf ein aktuelles Ranking der Privatbanken in Asien zeigt, dass die CS letztes Jahr mit verwalteten Vermögen von 154 Milliarden Dollar auf dem dritten Platz hinter der amerikanischen Citigroup und der Schweizer Erzrivalin UBS rangierte.
Entsprechend laden kleinere Mitbewerber zu Spekulationen ein, die in Asien mindestens 20 Milliarden Franken an Kundengeldern verwalten. Unter den Schweizer Häusern finden sich in dieser Auswahl die Zürcher Julius Bär und die Privatbank EFG International. Gerade Julius Bär wurde in den Medien wiederholt – und ohne nennenswerte Basis – als Übernahmeziel der CS genannt. Ein solches Unterfangen wird auch CS-intern als «abwegig» bezeichnet.
In der Branche wird dagegen spekuliert, dass die CS am ehesten die Private-Banking-Abteilung eines anderen grossen Hauses übernehmen könnte, das sich derzeit in Schwierigkeiten befindet. Dabei würden die Schweizer am ehesten ein Ziel zwischen 40 und 60 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen anpeilen, heisst es.
Unter Zugzwang
Laut «Finance Asia» habe sich die CS zuletzt ebenfalls um die Private-Banking-Sparte einer Grossbank bemüht: Nämlich um jene der französischen Société Générale – was de Ferrari nicht bestätigen mochte. Die Einheit ging letztes Jahr an die Singapurer Bank DBS.
De Ferrari – und zweifellos auch seine Chefs bei der CS in der Schweiz – wissen, dass sie unter Zugzwang sind. Allein in dieser Woche kündigten die Deutsche Bank und die britisch-chinesische HSBC eine Wachstums-Offensive in Asien an. Und auch die UBS hat in der Region Grosses vor.
«Asien wird künftig die reichste Region der ganzen Welt werden», bestätigt de Ferrari. «Diese Wachstumschance wird noch sehr viele Privatbanken anlocken.»