Früher war es das Mammut, heute der Börsengewinn. Ein Hirnforscher erklärt das Gierverhalten der Anleger. Was Geld, Kokain und Schokolade gemeinsam haben.

Es heisst zwar immer, Emotionen hätten an der Börse nichts zu suchen. Doch für Hirnforscher Christian Elger, Direktor und Professor der Klinik für Epileptologie am Universitätsklinikum Bonn, ist Gier grundsätzlich ein sinnvoller, physiologischer Vorgang», wie er dem «Handelsblatt» sagte.

Die Erklärung dafür gehe auf Zeiten zurück, in denen unsere Vorfahren in Höhlen lebten. Vor 200'0000 Jahren war die Ernährung und die Jagd nach Nahrung das Hauptproblem. «Wenn Sie nicht zugeschlagen haben, wenn Sie nicht gierig waren, wenn ein Mammut des Weges kam, mussten Sie vielleicht verhungern» so Elger. Und das habe unser Gehirn geprägt.

Börsengewinn statt Mammut

Das sei natürlich heute nicht mehr nötig. Trotzdem gilt auch heute noch: «Gier treibt uns an». Heute sei es nur eben nicht mehr das Mammut, sondern die Gehaltserhöhung oder der lockende Börsengewinn.

Ständig strebten wir Menschen nach Belohnung. Es regiert Elger zufolge nicht das Entscheidungszentrum, das halbwegs rational handelt, sondern nur noch das Belohnungszentrum im Kopfcomputer.

Immer mehr, immer schneller

Und dann dreht sich die Spirale immer schneller. Börsengewinne fördern in der Tat das Suchtverhalten, sagt der Hirnforscher. «Börsengewinne sind wie Kokain. Wir wollen die Belohnung – immer mehr, immer schneller.» Das sei die Perversion der Börse: alles gehe immer schneller, High Frequency Trader, die Flash Boys, dominieren, so Elger. «Oft ist das reine Zockerei und hat mit vernünftiger Geldanlage wenig zu tun.»

Anders als vor Tausenden Jahren geht es heute vor allem um Geld und Statussymbole. Geld sei einer der besonders gewichtigen Antriebsfaktoren, neben Kokain, neben Schokolade. «Der Kick, den Börsengewinne auslösen, ist wie Kokain.» Die Leute ruinierten sich. Sie könnten einfach nicht mehr aufhören. «Nicht umsonst soll Kokainkonsum in der Bankenwelt weit verbreitet sein», schlussfolgert Elger.

Die Börsenatmosphäre zwinge die Leute unbewusst dazu, einfach permanent zu handeln und Positionen hin- und herzuschieben. «Es ist eine mit Testosteron geschwängerte Stimmung.» Das reisse mit.