Der Private Banker Daniel Savary wechselte im vergangenen Jahr mit einem 18-köpfigen Middle-East-Team von Clariden Leu zu Julius Bär. Was hat er seither getan? 

Herr Savary, vor gut einem Jahr wechselten Sie mit einem insgesamt 18-köpfigen Team von der Bank Clariden Leu zu Julius Bär. Hatten Sie dabei kein schlechtes Gewissen dabei?

Nein. Wenn sich der Arbeitgeber neu ausrichtet, ist es normal, dass es zu Veränderungen kommt. Die Integration der Clariden Leu in die Credit Suisse war für meine Kunden wie auch für mich nicht die optimale Lösung.

Warum nicht?

Für mich als Manager ist es elementar auch selber Kunden zu betreuen. Denn wenn ich für einen Bereich verantwortlich bin, will ich auch direkten Kundenkontakt und wissen, mit welchen Herausforderungen meine Mitarbeiter konfrontiert sind. Ich will die Produktbedürfnisse kennen, den Margendruck spüren und wissen, welche Marktverhältnisse vorherrschen.


«Auf Kundennähe wurde sehr viel Wert gelegt»


Zudem störten sich viele Mitarbeiter nach der Integration an der strikten Kundensegmentierung, die sich weniger an den langjährigen Beziehungen als an den Prozessen orientiert. Bei Clariden Leu wurde auf die Nähe zum Kunden und eine nachhaltige Beziehung sehr viel Wert gelegt. Das schien mir nicht mehr gewährleistet.

Können Sie das noch etwas genauer erklären?

Wenn ein Relationship Manager zehn oder gar zwanzig Jahre im Geschäft ist, hat er normalerweise auch ein paar Kunden, die nicht aus seinem Marktgebiet stammen – dies kann unter Umständen bis zu 20 Prozent des Gesamtvolumens ausmachen.


«Wir haben den Businessplan übertroffen»


Dies sollte möglich sein, zumal das Private Banking ein sehr persönliches Geschäft ist und viele Neukunden über Empfehlungen bereits bestehender Kunden zu einem gelangen.

Bei Ihrem Wechsel hiess es, Sie und Ihr Team würden rund 3 Milliarden Franken an Kundengeldern betreuen. Stimmt das?

Das kann ich so nicht offiziell bestätigen.

Wie viel davon haben Sie bereits zu Julius Bär transferiert?

Wir haben den Businessplan für die nächsten drei Jahre bereits nach rund einem Jahr erreicht.

Seit 1. Juli 2012 sind Sie Head der Marktregion Eastern Mediterranean & Middle East (EMME). Was waren die wichtigsten Sofortmassnahmen, die Sie in der Folge trafen?

Wir haben eine beträchtliche Anzahl zusätzlicher Kundenberater engagiert, unter anderem auch mit dem Fokus auf Saudi-Arabien.

Wohin steuert Julius Bär in der arabischen Welt?

Unsere Hauptstossrichtung sind sicherlich die Länder im so genannten Golf-Kooperationsrat (GCC Länder), also, Kuwait, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Oman.


«Saudi Arabien ist sehr liquid»


In diesem Einzugsgebiet sind wir bereits mit drei Repräsentanzen vertreten. Wir analysieren die Situation jedoch laufend und prüfen momentan (onshore) Opportunitäten in Saudi Arabien. Saudi Arabien ist eines der «liquidesten» Länder der Welt. Die Zahl der sehr vermögenden Privatpersonen nimmt dort rasant zu.

Auf dem Schweizer Finanzplatz dominiert die Steuerthematik das Geschehen. Fällt diese Problematik im Nahen Osten weg?

Aus steuerlicher Perspektive ist der Mittlere Osten sicherlich weniger komplex, was aber nicht bedeutet, dass die Gesetze und regulatorischen Vorschriften in den vergangenen Jahren abgenommen hätten. Im Gegenteil.

Gemäss Weissgeldstrategie des Bundesrats müssen Schweizer Banken beispielsweise bei deutschen Kunden inzwischen einen Nachweis verlangen, dass das Geld tatsächlich versteuert ist. Wie ist das im Mittleren Osten?

Das Steuersystem ist in diesen Ländern anders beschaffen. Auf vielen Produkten und Dienstleistungen wird beispielsweise eine Quellensteuer erhoben und damit hat es sich.


«Wir sind der drittgrösste Akteur»


Man kann also keine Weissgeldstrategie fahren...

...weil es per Definition in den meisten Ländern im Mittleren Osten gar kein Schwarzgeld gibt. Jurisdiktionen wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate erheben beispielsweise keine Einkommens- oder Vermögenssteuern.

Wie schafft man sich Sympathien für Julius Bär in dieser Region?

Wir sind nach den beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse der drittgrösste Akteur im Schweizer Vermögensverwaltungsgeschäft und weltweit eine der renommiertesten Private-Banking-Gruppen überhaupt.


«Wir sind bereits prominent positioniert»


Ausserdem figuriert die Bank im Börsentableau des Swiss Market Index (SMI) und ist solide kapitalisiert. «Last but not least» sind wir im Mittleren Osten mit unseren drei bestehenden Standbeinen bereits sehr prominent positioniert.

Sie haben 15 Jahre lang zunächst für die Bank Leu und später für Clariden Leu gearbeitet. Wie haben Sie Ihren Kunden den Wechsel zur Konkurrenz erklärt?

Wenn sich Ihr Arbeitgeber sozusagen über Nacht von einer Boutique in eine Grossbank verändert, muss man allein schon für sich selber eine Standortbestimmung vornehmen. Bei meiner neuen Arbeitgeberin hätte ich meine Kunden jedoch nicht mehr ihren Gewohnheiten entsprechend weiter betreuen können.


«Viele ehemalige Kunden sind gefolgt»


Darum sind mir auch viele ehemalige Kunden aus eigener Initiative zur Julius Bär gefolgt, zumal das Private Banking – wie bereits erwähnt – ein sehr personenbezogenes Geschäft ist. Kommt noch hinzu, dass es in meiner mehr als 20-jährigen Karriere erst das zweite Mal war, dass ich meinen Arbeitgeber gewechselt habe und übrigens beide Male wegen Fusionen respektive Integrationen.

Stellen Ihre Kunden nun auch Fragen wegen dem Schweizer Bankgeheimnis?

Selbstverständlich. Der Schweizer Finanzplatz ist per se immer ein Thema. Doch in Ländern, wo es keine Steuerdiskussion gibt, ist es den Kunden relativ egal, ob das Bankgeheimnis für Steuerzwecke inskünftig verschwindet.


«Man hat nicht à priori etwas zu verheimlichen»


Was in der arabischen Welt aber mehr denn je zählt, ist die Diskretion. Nicht weil man à priori etwas zu verheimlichen hätte, sondern weil die meisten Araber grundsätzlich kein grosses Aufhebens um ihre Person und ihr Vermögen machen möchten.

Nochmals, was entgegnen Sie jenen Kunden, die sich Sorgen um das Schweizer Bankgeheimnis machen?

Diese Frage kann ich nach wie vor positiv beantworten. Ja, das Schweizer Bankgeheimnis gibt es noch, und darüber hinaus gibt es weiterhin Bestrebungen, dieses in der Verfassung zu verankern. Das zeigt, was den Schweizern das Bankgeheimnis wert ist.


«Finanzdaten sollten privat bleiben»


Natürlich muss ich auch viel Aufklärungsarbeit leisten und erklären, dass das Bankgeheimnis auch in der Vergangenheit nie dazu da war, Steuerhinterziehung oder Steuerbetrug zu ermöglichen.

Würden Sie es begrüssen, wenn das Bankgeheimnis in die Verfassung käme?

Ich persönlich befürworte, den Schutz der finanziellen Privatsphäre sehr, ob es dafür eine Verfassungsartikel braucht ist eine andere Frage.

Welchen Vorteil hätte ein Bankgeheimnis, das in der Verfassung verankert ist?

In der Schweiz sollte man weiterhin die Freiheit beanspruchen können, dass Finanzdaten privat bleiben. Genauso wie der Arzt das Arztgeheimnis kennt, sollte auch das Bankgeheimnis gewahrt bleiben.


«Die Betroffenen sollen das letzte Wort haben»


Die Privatsphäre ist ein schützenswertes Gut. Wir müssen heute generell etwas aufpassen, dass wir nicht zum gläsernen Bürger werden, uns alles vorschreiben lassen und schlussendlich keine Privatsphäre mehr geniessen.

Der Trend geht aber in diese Richtung.

Ja, aber wie gesagt, es sollte möglich sein, dass der Betroffene das letzte Wort hat, ob seine Bankdaten diskret behandelt werden oder nicht – solange er sich gesetzeskonform verhält. Nochmals, das Bankgeheimnis schützt nicht den Betrug, sondern einzig die Diskretion.

Die USA scheint das wenig zu kümmern. Welchen Einfluss auf die Kunden hat der Steuerstreit mit den Amerikanern, zumal Julius Bär auch im Visier der US-Justiz ist?

Die Kunden fragen schon danach. Wir erklären seit längerer Zeit dass wir mit den US-Behörden kooperieren und zuversichtlich sind eine Lösung zu finden. Zudem sind die meisten Schweizer Banken von diesem Thema betroffen.

Woher haben sie die Affinität, mit arabischen Kunden Bankgeschäfte zu machen?

Dies hat sich eher zufällig so entwickelt. Anfang der neunziger Jahre, als ich noch bei der UBS arbeitete, wurde ein Mitarbeiter frühpensioniert, so dass ich einen Teil seiner Kunden übernehmen konnte, mit dem Ziel, den Kundenstamm selbständig weiter auszubauen.


«Die Kunden sind preissenitiver geworden»


So lernte ich bereits als «Junior» die Levante und Ägypten kennen. Das war natürlich spannend und der Ausgangspunkt für meine heutige Tätigkeit.

Inzwischen hat sich allerdings schon manches verändert; die Kunden sind preissensitiver geworden, und die zweite und dritte Generation hat ihre Ausbildung im Westen absolviert. Sie verhält sich in vielen Situationen entsprechend dieser Gepflogenheiten.

Sprechen Sie Arabisch?

Nein, bloss ein paar Brocken. Doch das ist kein Nachteil. Viele arabischen Kunden sprechen sich in den Verhandlungen gerne mit ihren Beratern oder Familienangehörigen ab.


«Wir sind offen für gute Leute»


In solchen Situationen fühlen sie sich besser, wenn ihr Kundenberater nichts versteht. Wie gesagt, sie sind sehr auf Diskretion bedacht.

Julius Bär ist in in seinen Ursprüngen eine jüdische Bank. Ist das kein Problem in der arabischen Welt?

Nein. Julius Bär gehört ja nicht mehr einer Familie, sondern ist an der Schweizer Börse kotiert und mit einem breit gestreuten Aktionariat ausgestattet.

Sind Sie weiterhin auf der Suche nach Mitarbeitern?

Wir sind grundsätzlich immer offen für gute Leute. Aber ich suche keine Job-Hoppers, die überall «unheimlich viel geleistet haben und ständig neue Herausforderungen suchen».


«Lady's Banking ist nicht zu unterschätzen»


Was wir wollen, sind qualifizierte Profis, die über längere Zeit einen Track Record vorweisen können und ihre Kunden nicht «geerbt», sondern selber akquiriert haben. Aus den eigenen Reihen fördern wir auch konstant jüngere Leute.

Haben in der arabischen Welt auch Frauen eine Chance?

Absolut. Wir haben Arbeitskolleginnen, die Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate bearbeiten. Das «Lady's Banking» darf man nicht unterschätzen. Es gibt im Mittleren Osten immer mehr Frauen, die Geld besitzen und darüber selbständig entscheiden. Weibliche Relationship Manager sind genauso erfolgreich wie ihre männlichen Kollegen.


Daniel Savary 6Der 41-jährige Daniel Savary ist bei Julius Bär seit dem 1. Juli 2012 Head der Marktregion Eastern Mediterranean & Middle East (EMME)