Der Wirtschaftsprofessor und Marketingexperte Nils Hafner nennt einige Banken, die es verstehen, Kundendaten sinnvoll und gewinnbringend zu nutzen.
Schweizer Banken würden ihre Kundendaten viel zu wenig nutzen, behauptet Nils Hafner, Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen (IFZ) in Zug.
Woran das liege, darüber könne man treffliche Forschungs-Thesen. Doch darum geht es ihm nicht. Vielmehr will Hafner Beispiele aufzuzeigen, in denen es Unternehmen verstanden haben, Kundendaten zu nutzen, um im Retailbanking gewisse Prozesse effizient und effektiv abzuwickeln. Grundlage dazu ist das Pareto-Prinzip von 80 zu 20.
Nur 20 Prozent sind wirklich wichtig
Das heisst: 80 Prozent aller Geschäftsvorfälle im Retailbanking sind Standardvorfälle, bei denen der Kunde lediglich eine rasche und unkomplizierte Lösung sucht.
Nur bei 20 Prozent der Kundenanfragen besteht ein Profilierungspotential und die Gelegenheit über die Lieferung aussergewöhnlicher Kundenerlebnisse Empfehlungen und Loyalität zu generieren.
Daraus folgert Nils Hafner: «Erfolgreich ist, wer in diesem Kontext auf Basis von Daten prozesseffiziente Lösungen anbieten kann.»
Digitale Schaufenstergestaltung
Ein Beispiel dazu sei die deutsche psd-Bank. Die Bank ist nach Geschäftskreisen organisiert, die sich gegenseitig nicht konkurrenzieren dürfen.
Für den Kunden aber ist es entscheidend, schnell den für ihn passenden Ansprechpartner in der «richtigen» Filiale zu finden. Also betreibt die Bank so genannte «digitale Schaufenstergestaltung».
Wo ist die nächste Filiale?
Das bedeutet, dass Kunden im Internet nicht standardisiert die selbe Homepage zu sehen bekommen, sondern auf Basis verfügbarer Daten von der Bank entschieden wird, welche (gefilterten) Informationen der Kunde sehen soll.
Die psd-Bank ist dabei in der Lage, durch eine Real-Time-Auswertung der Geodaten im Internet, also auf Basis der Information, wo sich der Kunde gerade befindet, ebendiesem Kunden auf der Startseite die nächstgelegene Filiale zu zeigen. «Wenn er in Karlsruhe ist, also die der psd-Bank in Karlsruhe», erklärt Hafner.
Da viele Kunden gerade im Banking nach einfachen Problemlösungen suchen (Wo ist die nächste Filiale?), sei das sicher ein vielversprechender Weg, folgert der Experte.
Ein neuer Mega-Trend
Gleiches gilt für Produkte, die ein Kunde besonders lang oder mehrfach im Internet «besucht». Hafner beschreibt diesen Trend in seinem Beitrag «Big Data wird zu Value Data». Er ist auch überzeugt, dass es in diesem Jahr noch einiges darüber zu berichten geben wird.
Ein anderes, schön in der Werbung aufbereitetes Beispiel zeigt laut Hafner die holländische Bank ING Direct in Kanada. Hier stelle sich die Frage, welche Elemente einer Bankfiliale heute noch zeitgemäss seien, um vom Kunden wertgeschätzt zu werden.
Schweizer Beispiele
«Auch da hat die ING nach einer grundlegenden Daten- und Verhaltensanalyse entschieden, Filialen umzugestalten, umzunutzen oder sogar zu schliessen», sagt Hafner.
Einen ähnlichen Weg der «Lounge» gehen in der Schweiz übrigens schon seit längerer Zeit die Luzerner Kantonalbank und im Direct-Brokerage die Swissquote mit ihren Swissquote-Lounges in Bern und Zürich.
Die Frage sei, so Hafner abschliessend, ob sich derartige Initiativen nur auf Hauptsitze oder Flagship Stores beziehen würden, oder ob es dem Retailbanking gelingt, auf der Basis von Kundeninformationen systematisch die Balance zwischen Kundenerlebnis und Prozesseffizienz zu finden.
Dieser Beitrag ist in der Originalversion auf dem «IFZ Retail Banking Blog» erschienen.