Zu wenig Anerkennung durch den Vorgesetzten führt zu Burn-out-Symptomen. Einfache Massnahmen könnten schon Wunder bewirken, findet Gisbert Straden.
Gisbert Straden (Bild) ist geschäftsführender Partner der Firma IM Training in Steckborn. Er berät Finanzinstiute in der Schweiz, Deutschland und Österreich in Fragen der vertriebsorientierten Personalführung.
Wir sehen es in der täglichen Arbeit: Der Vertriebsdruck in der Beratung nimmt zu. Die Gründe dafür sind bekannt: sinkende Erträge, geringere Margen und vor allem die Gefahr, dass verunsicherte oder enttäuschte Kunden zur Konkurrenz wechseln.
Dieser Druck bleibt nicht ohne Folgen. Viele Relationship Manager (RM) sind mit ihrer Arbeit unzufrieden und haben mit Burn-out-Symptomen zu kämpfen. Hinzu kommt, dass die Nichtwürdigung (ob gefühlt oder tatsächlich) der eigenen Leistung durch den Arbeitgeber bei vielen RM zu Kränkungsempfinden führt – im Extremfall zu einem Verlust des Selbstwertgefühls und einer Identitätskrise.
Fatales Schweigen
Das besonders Fatale dabei ist: Kaum ein RM ist bereit, über seine Stresssituation zu sprechen. In Zeiten, in denen viele Berater um ihren Arbeitsplatz bangen, trauen sich nur die wenigsten, diesen Druck anzusprechen – zu gross ist die Angst, sich damit für die nächste Entlassungsrunde zu qualifizieren.
Banken kümmern sich bislang nur in den seltensten Fällen um dieses Problem – und wenn, dann nur, wenn die Symptome bei manchen Mitarbeitern nicht mehr zu übersehen sind.
Subjektives Wohlbefinden
Damit nehmen die verantwortlichen Manager nicht nur eine hohe menschliche Verantwortung auf sich. Sie riskieren auch, dass viele Mitarbeiter weit unter ihren Möglichkeiten arbeiten und so die Performance ganzer Abteilungen unterdurchschnittlich bleibt.
Dabei würden schon einfache Massnahmen helfen, wie eine Plattform, um den empfundenen Stress im Gespräch los zu werden. Psychologen wissen, dass allein die Möglichkeit, sich einmal mit Kollegen über das eigene Erleben im Umgang mit Vertriebsdruck auszutauschen, schon zu einer signifikanten Steigerung des subjektiven Wohlbefindens führt.
Was können Ad-hoc-Massnahmen sein?
Kränkungserlebnisse könnten dramatisch gesenkt werden, wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern die Möglichkeit einräumen würden, sich im Rahmen von Veranstaltungen oder Foren darüber auszutauschen.
Was können Ad-hoc-Massnahmen sein? Um mit dem Vertriebsdruck konstruktiv umzugehen, hilft es schon, sich bewusst zu machen, das es völlig normal ist, in einer solchen Zeit Stress und Unwohlsein zu empfinden.
Die Berater müssen sich darüber klar werden, dass solche Ängste nichts mit einem persönlichen Scheitern zu tun hat – Akzeptanz statt Verweigerung ist hier das Mittel der Wahl.
Lernen aus der Vergangenheit
In einem zweiten Schritt wäre es wichtig, sich in Erinnerung zu, dass man in der Vergangenheit auch schon Krisen gemeistert hat. Was waren die Erfolgsstrategien dabei? Wo habe ich in anderen Bereichen meines Lebens erfolgreich Krisen gemanagt? Wie habe ich das gemacht? Sich solche Fragen zu stellen und sie zu beantworten, kann schnell zu positiven Erkenntnissen und zu einer inneren Stärkung führen.
Ein ganz wichtiger Punkt, den viele Berater oft übersehen, ist die Analyse der Qualität der Kundenbeziehung. Welche Kunden kann ich in einer solchen Situation gezielt ansprechen. Wen kann ich ansprechen, ohne auch von Kundenseite weiteren Druck zu erleben?
Das persönliche Konto analysieren
Das gute Gefühl, auf dem Beziehungskonto mehr «Einzahlungen» als «Abbuchungen» zu haben – eben dies gezielt zu analysieren –, hilft, sich selbst wieder aufzubauen. Viele Berater gehen zwar in solchen Situationen an die Kunden heran, von denen sie vermuten, dass sie eher eine positive Rückmeldung erhalten – aber eben nicht systematisch und gezielt.
Einer Auswertung von 2'000 Beratungsgesprächen im gehoben Bankenvertrieb zufolge gehen überdurchschnittlich erfolgreiche RM viel offensiver mit dieser Thematik um, als durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Performer.
Kundenbeziehungen sind belastbarer
Top-Berater formulieren etwa in jedem zweiten Gespräch Sätze wie: «Mein Ziel im heutigen Gespräch ist es, mit Ihnen darüber zu sprechen, wie wir unsere Geschäftsverbindung intensivieren oder ausweiten können.»
Dies fällt insbesondere den RM aus den Segmenten Private Banking respektive Private Wealth Management schwer. Hier herrscht in der Regel die Einstellung vor, dass man nicht zu viel Druck auf die Kundenverbindung aufbauen darf. Wobei sich immer wieder herausstellt, dass bei einer sauberen Analyse der Kundenverbindung sich diese als viel belastbarer herausstellt als angenommen.
Analogie aus dem Golfsport
Um es mit einem Bild aus dem Golfspiel zu verdeutlichen – die meisten Punkte gehen deshalb verloren, weil der Golfer zu kurz bleibt. Das, was sich auf der Driving Range als das richtige Eisen herausstellt, erweist sich auf dem Platz häufig als das falsche.
Unbeachtet bleibt etwa, dass in Stresssituationen das Adrenalin für eine hohe Muskelanspannung sorgt, und diese wiederum dazu führt, dass aus einem eigentlich richtigen Eisen ein zu kurzes wird. Das Ergebnis: Selbst wenn der Ball richtig getroffen wird, bleibt er zu kurz. Das Gesetz des Hebels.
Immer einen Schritt weiter
Insofern lautet der Tipp in Drucksituationen: Gehen Sie ein Schritt weiter als Sie glauben, gehen zu können. Und gehen Sie davon aus, dass Sie erfahren und professionell genug sind um das richtige Mass einzuhalten...