2011 bescherte der Finanzwelt allerlei Überraschungen. Am Ende war es nicht die «Occupy»-Bewegung, die etwas bewegte. finews.ch über die Hot Spots 2011.
Sarasin im Samba-Schritt
Ein Lehrstück in Sachen Eigeninteressen: Anfangs war die Sache klar: Die Zürcher Julius-Bär-Gruppe bekundete reges Interesse, die Basler Bank Sarasin zu übernehmen. Der Plan war kühn, weil es so zu einer ganz grossen Schweizer Privatbank gekommen wäre, die einerseits neue Akzente im Swiss Banking auf der Welt hätte setzen können, und zum andern hätte sich Julius Bär auf diese Weise die moderne und leistungsstarke Informatik-Plattform vom Rheinknie einverleiben können. Dass dabei auch noch ein paar Hundert Arbeitsplätze bei Sarasin auf der Strecke geblieben wären, schien als Kollateralschaden verkraftbar zu sein.
Allerdings machten die «Bären» die Rechnung ohne das Top-Management von Sarasin, dass sich immer energischer dagegen wehrte, von Julius Bär geschluckt zu werden. Vor allem die Führungscrew unter dem früheren CS-Mann Joachim Strähle zog sämtliche Register, um nicht unter das Diktat von JB-CEO Boris Collardi, ebenfalls ein ehemaliger CS-Mann, zu gelangen. So zog sich der Übernahme-Poker um Sarasin immer mehr in die Länge und die holländische Hauptkationärin, die Rabobank, sah sich immer mehr in der Defensive.
Und als ob dies alles nicht schon genügte, mischte sich nun auch noch Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz ins Geschehen ein und buhlte um die Braut vom Rheinknie, die er mit seinen Retailbanken paaren wollte, um so eine weitere, dritte Kraft im Swiss Banking ins Leben zu rufen. Mittelfristig schwante ihm sogar ein Triumvirat mit Vontobel, mit der die Raiffeisen-Gruppe bereits eine Kooperation unterhält.
Schliesslich kam doch alles anders; selbst die zumeist am besten informierten Experten staunten, dass es schliesslich die brasilianische Safra-Gruppe, die das Rennen machte und Sarasin übernahm. Erst noch für weniger Geld als Julius Bär geboten hatte. Warum das so ist, hat noch niemand erklärt, wobei bis heute kein einziger Vertreter der Safra-Gruppe jemals etwas zum Deal und zu den Absichten des neuen Duos etwas verlauten liess. Safra schweigt.
In der Branche heisst es inzwischen, die Rabobank habe Safra den Zuschlag gegeben, weil sie sich davon neue Absatz- und Expansionskanäle in Brasilien erhoffe, einem Markt, auf den die Holländer schon seit geraumer Zeit ein Auge geworden haben, aber noch kaum präsent sind. Man darf gespannt sein, wie leichtfüssig sich die brasilianisierten Basler im Safra-Samba bewähren werden.
Clariden Leu am Ende
Ein Lehrstück für klassisches Missmanagement: Vier Jahre lang ritt sich das Top-Management der CS-Privatbankentochter Clariden Leu in den Ruin. Die Kundenvermögen schrumpften wie Schnee an der Frühjahrssonne, die besten Mitarbeiter sprangen ab, und mit leeren Versprechen machte sich die Führungscrew um Clariden-Leu-CEO Hans Nützi zunehmend lächerlich in der Branche. Fazit: Das Konzept, fünf verschiedene Finanzinstitute zu fusionieren, erwies sich bloss auf dem Reissbrett als kühner Plan, in der Realität scheiterte das Unterfangen an den kulturellen Differenzen der einzelnen Institute.
Doch die Schuld an dieser Tragödie liegt nicht nur beim Clariden-Leu-Chef. Geradezu fahrlässig verhielt sich die Credit Suisse. Weder der Verwaltungsrat, noch Private-Banking-Chef Walter Berchtold griffen jemals ein, sondern überliessen die Bank Clariden Leu ihrem Schicksal. Erst als es zu spät war, nämlich im vergangenen Frühjahr, wurden die CS-Verantwortlichen doch noch aktiv, schickten Hans Nützi in die Wüste und glaubten allen Ernstes, mit einem neuen CEO und entsprechenden Durchhalteparolen nochmals durchstarten zu können.
Allerdings erwies sich dieser Plan als Rohrkrepierer, zumal sich herausstellte, dass der neue Hoffnungsträger, CEO Olivier Jaquet, seine Steuern im Fürstentum Liechtenstein von der CS bezahlt kriegte, obschon sein Lebensmittelpunkt an der Zürcher Goldküste ist. Schliesslich war es Hans-Ulrich Meister, der als Nachfolger von Walter Berchtold, der seinerseits zum Chairman Private Banking (weg)befördert wurde, dem Ganzen ein Ende setzte. Clariden Leu wird 2012 in die Credit Suisse integriert.
Damit verschwindet der älteste Bankname der Schweiz. Weder ein Verkauf der Bank wurde in Erwägung gezogen, noch versuchten die Verantwortlichen, mit Clariden Leu eine aktive Rolle im derzeitigen Konsolidierungsprozess zu übernehmen.
Abgeltungssteuer ad absurdum
Ein Lehrstück ohne Ende: Die Idee ist eigentlich schon uralt. Bereits vor Jahren plädierte der Ostschweizer Privatbankier Konrad Hummler für eine Abgeltungssteuer mit der Europäischen Union, um das Thema Steuerhinterziehung endlich vom Tisch zu haben. Sein Vorstoss ging aber zunächst einfach unter.
Dann war es der Bankier Alfredo Gysi, der im Namen der Auslandsbanken in der Schweiz das Ansinnen wieder zum Traktandum machte. Im Herbst 2010 konnten sich dann die entsprechenden Politiker aus der Schweiz und Deutschland zu einer Absichtserklärung durchringen, um mittelfristig zu einer Lösung zu kommen.
In diesem Jahr schien die Abgeltungssteuer dann tatsächlich Gestalt anzunehmen, wobei man sich sogar über die Garantiezahlungen der Schweizer Banken nach Deutschland einigen konnte. Doch am Ende kam doch wieder alles anders, weil sich plötzlich Widerstand aus Deutschland regte. Vor allem linken Politikern geht das Abkommen viel zu wenig weit. Also soll 2012 nachverhandelt werden, was die ganze Angelegenheit nicht einfacher macht. Denn mittlerweile bekundet auch Frankreich kaum Interesse an einer Abgeltungssteuer.
Immer mehr zeigt sich, dass es den Europäern nicht eigentlich um ein solches Abkommen geht, sondern um den automatischen Informationsaustausch, der das Schweizer Bankgeheimnis vollständig aushebeln würde.
UBS oder ich bin dann mal weg
Ein Lehrstück zum Thema «Schwarze Schwäne»: Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet bei der UBS, die durch die Finanzkrise an den Rand des Ruins getrieben worden war, so etwas geschehen kann: Ein subalterner Händler in London verspekuliert innert kürzester Zeit Milliarden, bevor er sich im vergangenen September der Polizei stellt.
Wo blieb die Risikokontrolle, wo blieben all die Regeln und Bestimmungen, welche die Schweizer Grossbank über all die Jahre eingeführt hatte? Die ganze Angelegenheit erwies sich, obwohl sie rein finanziell der UBS kaum einen grossen Schaden bereitete, als dermassen peinlich, dass am Ende der viel gepriesene CEO Oswald Grübel den Hut nehmen musste. So besehen wurde der Vollblutbanker zum Opfer eines Schwarzen Schwans und eine gut 40-jährige Karriere ging auf diese Weise eher unrühmlich respektive sang- und klanglos zu Ende. Selbst Grübels grösste Kritiker müssten einräumen, dass der gebürtige Deutsche das nicht unbedingt verdient hat.
Doch mit Grübels Abgang war es noch nicht getan. Schwer tat sich der UBS-Verwaltungsrat mit der Nomination eines Nachfolgers, ernannte er den Tessiner Sergio Ermotti zunächst nur ad interim, was für eine gewisse Verunsicherung sorgte, zumal, wie sich bald herausstellte, Ermotti an verschiedenen steueroptimierten Firmenkonstrukten mit Ablegern in karibischen Steueroasen beteiligt war.
Per se ist daran nichts auszusetzen, doch offensichtlich kann sich der CEO einer Schweizer Grossbank, die sich ihrerseits zur Weissgeld-Strategie bekennt, nicht allzu viel erlauben. Ermotti trennte sich denn auch von seinen diversen heiklen Investments und wurde alsdann im November auch definitiv zum CEO der UBS ernannt. Nun darf man gespannt sein, wie er den Tanker UBS navigieren wird, der 2012 sein 150-jähriges Bestehen feiert.
Bankgeheimnis Goodbye
Ein Lehrstück für den Niedergang des Bankgeheimnisses: Eigentlich drohte die grösste Gefahr für den Schweizer Finanzplatz immer aus den USA. Das war bereits in den sechziger und siebziger Jahren der Fall, als man der Schweiz unterstellte, eine Drehscheibe für die Finanzgeschäfte der kommunistischen Staaten zu sein. Später, in den neunziger Jahren brachte die Kontroverse um die nachrichtenlose Vermögen die beiden Schweizer Grossbanken gehörig unter Druck.
Seit der Einführung des QI-Abkommens Anfang des 21. Jahrhunderts ist das Schweizer Bankgeheimnis vollends dem Untergang geweiht. Doch erst die unglaublichen Machenschaften der UBS im amerikanischen Offshore-Geschäft führten letztlich dazu, dass der schweizerische Diskretionsschutz definitiv nicht mehr das ist, was er einmal war. Der Rest ist Geschichte.
Ex-UBS-Private-Banker Bradley Birkenfeld pflichtete sein übriges dazu bei, dass die UBS in die Bredouille geriet und am Ende Tausende von vertraulichen Kundendaten ausliefern musste. Doch damit nicht genug. In diesem Jahr ging der Druck der USA auf den Schweizer Finanzplatz in die nächste Runde, indem man ein knappes Dutzend Schweizer Banken in Geiselhaft nahm.
Nun stehen sie unter Druck, nicht nur happige Zahlungen leisten zu müssen, sondern einmal mehr Tausende von Daten, aber auch Informationen, Emails und Dokumente den US-Behörden auszuhändigen. Noch ist nicht klar, welche Lösung genau getroffen wird. Doch soviel steht fest: Für die Schweizer Banken dürfte die ganze Angelegenheit eher unrühmlich enden. Und 2012 dürfte das Jahr werden, in dem das Argument «Schweizer Bankgeheimnis» definitiv als ein leeres Versprechen durchgeht.