Die politische Positionierung der Krypto-Firmen und ihrer Köpfe gibt in den USA zu reden. Die Sympathien scheinen diesmal auf Seiten der Republikaner zu liegen. Die klassische Finanzwirtschaft in Gestalt der Banken übt sich derweil in grösserer Zurückhaltung als auch schon.
An der Debatte gestern Nacht kam das Thema nicht zur Sprache, obwohl Krypto-Exponenten dies zuvor gefordert hatten. In der amerikanischen Wirtschaftsberichterstattung ist es aber ein wichtiger Faktor, zumindest für die Betroffenen: Setzt die Krypto-Szene ihre Chips auf die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, oder auf den Republikaner Donald Trump?
«Alle sind verrückt geworden», titelt aktuell das Newsportal «Politico» – «Aus dem Inneren des Krypto-Bürgerkriegs zu den Wahlen 2024». Das «Wall Street Journal» bemerkt, Trumps Pläne für die Krypto-Industrie begründeten «potentielle Konflikte» für den Republikaner (Artikel bezahlpflichtig).
«Innige Umarmung» der Branche
Vergangene Woche protokollierte «Bloomberg», dass Trumps Umfeld weitere Anstrengungen für eine «innige Umarmung» der Branche unternehme (Artikel bezahlpflichtig). Und die «New York Times» legte bereits vor Monaten dar, «wie Krypto-Geld die Wahlen beeinflussen will».
Dem einhelligen Tenor der Medienberichte ist zu entnehmen, dass der republikanische Kandidat die Industrie erfolgreich umgarnt, während sich die demokratische Kandidatin an der Seitenlinie hält. Ihr vor wenigen Tagen enthülltes Wahlprogramm klammert das Thema aus.
Trump: Vom Skeptiker zum Bannerträger
Trump hat eine bemerkenswerte Wandlung durchgemacht. Im Jahr 2019 hatte er auf Twitter geschrieben, Kryptowährungen bestünden aus «dünner Luft». Heute will er «die USA zur Krypto-Hauptstadt des Planeten» machen.
Auf seiner eigenen Social-Media-Plattform «Truth Social» schrieb der Republikaner: «Allzu lange wurde der Durchschnittsamerikaner von den grossen Banken und Finanzeliten ausgepresst. Es ist Zeit, zusammenzustehen.»
Weltweit Stablecoins auf Dollar-Basis
Gemeinsam mit seinen Kindern wirbt Donald Trump für die Organisation «World Liberty Financial», welche die weltweite Etablierung von Stablecoins auf Dollar-Basis bezweckt und damit die Dominanz des Dollars erhalten und ausdehnen will.
Dass sich die Branche eher hinter Trump stellt als hinter Harris, kommt nicht von ungefähr. Zwar hat die amerikanische Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) unter Aufsicht der aktuellen Administration den Weg für Krypto-ETFs geebnet.
Biden-Regierung: «Aggressiver Crackdown»
Ebenso hat die SEC aber im Nachgang zum betrügerischen Konkurs der Krypto-Börse FTX auch zahlreiche Rechtsverfahren gegen Krypto-Firmen (insbesondere Handelsplattformen wie Ripple) angestrengt, die ihrer Ansicht nach eine bewilligungsfähige Tätigkeit unbewilligt ausüben. Die «New York Times» spricht in dem Zusammenhang von einem «aggressiven Crackdown».
Der von Präsident Joseph Biden eingesetzte SEC-Chef Gary Gensler ist laut «Politico» gemeinsam mit der demokratischen Senatorin aus Massachusetts, Elizabeth Warren, einer der «grössten Gegner der Industrie».
Millionen für Trump
Im Präsidentschaftswahlkampf haben daher mehr oder weniger prominente Krypto-Köpfe ihre Unterstützung für Trump bekanntgegeben. Marc Andreessen, Mitgründer der stark in Krypto-Anlagen investierten Risikokapital-Firma Andreessen Horowitz, sagte kürzlich, der Republikaner sei «die richtige Wahl» für «die Zukunft unseres Geschäfts».
Cameron und Tyler Winklevoss, Mitgründer des auf digitale Anlagen spezialisierten Unternehmens Gemini stellten Trump je eine Million Dollar an Spenden in Aussicht.
Einige unterstützen Harris
Und Howard Lutnick, der CEO von Cantor Fitzgerald, welche die Anlagen von Tether Holdings, der Herausgeberin des bekannten USDT-Stablecoins, managt, wirkt gar in Trumps Übergangsteam mit.
Ganz einmütig ist die Trump-Begeisterung in der Krypto-Szene freilich nicht. Der Milliardär und Krypto-Investor Marc Cuban ermutigte vor einigen Monaten die dann noch existente Kampagne von Joe Biden, sich den Anliegen der abdriftenden Krypto-Szene zu öffnen. Und der Mitgründer und Präsident von Ripple, Chris Larsen, unterstützt Kamala Harris, wie «Coindesk» vor ein paar Tagen berichtete.
Wichtiger als die Präsidentschaftswahl
Ripple-CEO Brad Garlinghouse rührt derweil die Werbetrommel für die Republikaner. «Die Wahl 2024 wird die bedeutungsvollste in der Geschichte von Krypto», lässt er sich zitieren. «Wir werden Zeuge davon, wie eine Technologie ein parteipolitisches Thema wird.»
Politisch wichtiger als die Schlacht ums Weisse Haus ist für die Krypto-Branche der Wahlkampf um den Kongress, wo die Gesetze geschrieben werden.
Kriegskasse von über 150 Millionen Dollar
In Spendenpools, sogenannten «Political Action Committees» (PACs), haben Kryptofirmen wie Coinbase, Ripple und Andreessen Horowitz über 150 Millionen US-Dollar gesammelt, um in bundesstaatliche Wahlkämpfe für Senat und Repräsentantenhaus einzugreifen.
In diesen Lobby-Gruppen der Branche als solche ist weniger parteipolitische Schlagseite zu erkennen. Sie unterstützen Kandidatinnen und Kandidaten beider Parteien, von denen sie sich eine vorteilhafte Gesetzgebung und Regulierung versprechen.
Für Banken ist es diesmal heikel
Weniger interessant als in der Krypto-Szene gestaltet sich die Ausgangslage bei den traditionellen Banken. Viele der grössten Finanzinstitute hatten in den letzten Wahlen die Demokraten unterstützt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 unterstützte die Wall Street das Gespann Biden-Harris mit 74 Millionen Dollar; Trump erhielt nur knapp einen Drittel davon.
Doch dies ist diesmal mit Hindernissen behaftet. Aufgrund der «Pay to Play»-Gesetzgebung riskieren Finanzinstitute, die mit ihren Wahlkampfspenden auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene die Politik beeinflussen, dass sie von der SEC von der Erbringung bestimmter Dienstleistungen für Kommunen und Bundesstaaten ausgeschlossen werden, zum Beispiel von der Verwaltung des Anlagevermögens öffentlicher Pensionskassen.
Da Kamala Harris mit Tim Walz einen amtierenden Bundesstaats-Gouverneur als Vizepräsidentschaftskandidaten ausgewählt hat, griffe diese Regel. Etliche Banken haben ihre Angestellten angewiesen, ohne Zustimmung des Arbeitgebers keine Wahlkampfspenden an das Team Harris/Walz auszurichten, wie «Business Insider» zuerst bemerkte (Artikel bezahlpflichtig).