Am Mittwoch wird das Spital Wetzikon seine Anleihe nicht fristgerecht zurückzahlen können. Es handelt sich um den ersten Zahlungsausfall eines Schweizer Schuldners am Kapitalmarkt seit dem Fall Swissair vor über 20 Jahren. Das Debakel ist auch aus anderen Gründen bemerkenswert.

Am Mittwoch, dem 12. Juni, wird die 2014 unter Federführung der UBS lancierte Anleihe des Gesundheitszentrums Zürcher Oberland (GZO), zur Rückzahlung fällig – doch die Obligationäre werden wohl auf absehbare Zeit keinen Franken von den insgesamt 170 Millionen sehen. Dass das GZO, welches das Spital Wetzikon betreibt, in Finanznöte geraten ist, ist schon länger bekannt. Der Kanton Zürich will keinen Hilfskredit sprechen, und das GZO steht deshalb seit Mai in der Nachlassstundung. Vergangene Woche sorgte der Fall für weitere negative Schlagzeilen, beantragte doch das für den Neubau in Wetzikon zuständige Generalunternehmen Steiner ebenfalls Nachlassstundung.

Ein Markt von über 3 Milliarden Franken

Das GZO ist nicht das einzige Spital, das sich über Anleihen finanziert hat. Gemäss einer Basisstudie der ZKB vom August 2023 zählt das vor gut zehn Jahren durch den Spitalverband Limmattal eröffnete Marktsegment 16 Emittenten und bringt deutlich über 3 Milliarden Franken auf die Waage.

Ganz abgesehen von den strukturellen Problemen im Gesundheitswesen, die dabei auch eine Rolle spielen, ist der Zahlungsausfall des GZO gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert.

  1. Es kommt sehr selten vor, dass ein inländischer Schuldner am Anleihenmarkt seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Man muss über 20 Jahre zurückgehen, bis man in der Schweiz auf den letzten Fall stösst, der allerdings ein sehr prominenter war. Im Herbst 2001 geriet die Swissair, damals eine nationale Ikone, in die Bredouille und ging in Nachlassstundung. In der Folge wurde der Konzern, damals gemessen am ausstehenden Anleihenvolumen der grösste inländische Unternehmensschuldner überhaupt, zerschlagen und verwertet. Das Verfahren erwies sich als sehr langwierig: Die Schlusszahlung aus dem Liquidationserlös haben die Swissair-Obligationäre erst vor wenigen Monaten erhalten.
  2. Die Anleger werfen nicht alle Spital-Anleihen in einen Topf, sondern differenzieren. Die GZO-Anleihe handelte bis Anfang April praktisch zu pari (100 Prozent). Der Kurs sackte dann nach Bekanntwerden des Liquiditätsengpasses jäh ab und bewegt sich seither um 40 Prozent. Schuldpapiere von Spitälern, die wie das GZO von Gemeinden getragen werden, werden seither kritischer beurteilt – die beiden Kantonsspitäler Aarau und Luzern hingegen konnten seither neue Anleihen lancieren.
  3. Der Fall illustriert, dass bei staatlichen oder staatsnahen Schuldnern (die meisten Spitäler am Anleihenmarkt sind staatlich) die Ausgestaltung der staatlichen Unterstützung im Krisenfall entscheidend ist. Dabei ist zwischen expliziter und impliziter Garantie zu unterscheiden und bei der impliziten Garantie deren Ausmass abzuschätzen.
  4. Die Risiken von Fehleinschätzungen der Akteure sind erheblich. Die ZKB schätzte die implizite Garantie für die GZO in ihrer Studie als «sehr wahrscheinlich» ein, hatte dabei aber die zwölf Aktionärsgemeinden und nicht den Kanton im Blick. Offenbar wurde der Spitalführung der Ernst der Lage zu spät bewusst. Sie gelangte notfallmässig an den Kanton. Die Exekutiven von Gemeinden verfügen nur über sehr begrenzte Finanzkompetenzen, grössere Kredite müssen vom Gemeindeparlament bzw. der Gemeindeversammlung genehmigt werden. Die Zeit, um diesen politischen Prozess zu durchlaufen, war schlicht und einfach nicht mehr vorhanden.

Wie geht es nun mit der GZO-Anleihe weiter? Gemäss einem Bericht von Patrick Hasenböhler, Credit-Research-Analyst der ZKB, informierte die Spitalführung die Obligationäre am Freitag darüber, dass das operative Geschäft mit der Nachlassstundung und der entsprechenden Medienberichterstattung noch schwieriger geworden sei. Mit einem Investor, der ursprünglich 60 Millionen Franken in Eigenmittelform einschiessen wollte, fänden weiterhin «lose» Gespräche statt, hiess es an der Veranstaltung.

Sanierungsplan als Voraussetzung für Rettung

Bis Mitte August sollen aber unter der Ägide des Sachwalters die Grundlagen für einen Sanierungsplan geschaffen werden. Ohne Sanierungsplan kann das Spital auch keine Hilfskredite der Gemeinden beantragen. Auf Anfrage von finews.ch sagt Hasenböhler, dass die Obligationäre Geduld bräuchten, und kommentiert: «Derzeit lässt sich noch nicht abschätzen, wie der Sanierungsplan aussehen wird. Es ist aber gut möglich, dass die Obligationäre und die anderen Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen.»

Eine leicht optimistische Prognose lässt sich indes schon heute wagen: Die GZO-Obligationäre werden sicher nicht so lange auf die letzte Zahlung warten müssen, wie dies bei der Swissair der Fall war.