Angesichts der weiter steigenden Zinsen zur Inflationsbekämpfung bieten Investment-Grade-Anleihen derzeit eine attraktive Rendite für das eingegangene Risiko wie seit zehn Jahren nicht mehr, wie Emmanuel Petit von Rothschild & Co Asset Management Europe im Interview mit finews.ch erklärt.

Mit den Zinserhöhungen der Zentralbanken und den geopolitischen Konflikten zwischen Ost und West haben sowohl Aktien als auch Obligationen an den Finanzmärkten stark gelitten. Eine rund zehnjährige positive Marktentwicklung ist damit vorerst zu einem abrupten Ende gekommen. Anlegerinnen und Anleger müssen sich neu orientieren, was allerdings zusätzlich erschwert wird durch die drohende Gefahr einer Rezession in den USA und vor allem in Europa.

Die Zinswende eröffnet Investorinnen und Investoren jedoch im Obligationenbereich Chancen, die in den Kreditzyklen zuvor wenig attraktiv erschienen, zumal wenig für eine Alternative zu Aktien sprach. Dies erklärt Emmanuel Petit im Gespräch mit finews.ch.

Für den Fall einer Rezession gewappnet

«Unsere neuen Investitionen konzentrieren sich auf das Investment-Grade-Segment. Damit sind wir für den Fall einer Rezession bestens gewappnet, denn Aufschwungsphasen beginnen in der Regel mit einer Überperformance von Investment-Grade-Papieren», erklärt der Leiter Fixed Income von Rothschild & Co Asset Management Europe.

Investment-Grade-Anleihen sind von Unternehmen oder Staaten begebene Schuldtitel mit einem Rating zwischen AAA und BBB- auf der Ratingskala von Standard & Poor’s. Aufgrund steigender Zinssätze zur Inflationsbekämpfung und sich ausweitender Spreads bieten Investment-Grade-Anleihen derzeit eine attraktive Rendite für das eingegangene Risiko, «wie wir sie seit 2012 nicht mehr gesehen haben», betont Petit.

Blick auf die US-Notenbank

Er ist auch überzeugt, dass man mittlerweile bei Unternehmensanleihen nicht unbedingt höhere Risiken eingehen müsse, um passable Renditen zu erzielen. Vieles werde in den nächsten Monaten davon abhängen, ob die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) eine Rezession in den USA in Kauf nimmt, um die Inflation auf den Zielwert zurückzuführen. «Die Antwort auf diese Frage ist für die weitere Entwicklung riskanter Assets zentral», sagt Petit und betont, dass selbst wenn die Inflationen aufgrund der jüngsten Zinserhöhungen ihren Höchststand erreicht haben könnte, scheine eine Rezession gerade infolge der gestrafften Geldpolitik unausweichlich.

Vor diesem Hintergrund plädiert der Obligationen-Experte von Rothschild & Co für Engagements im Investment-Grade-Segment. Die Unternehmen diesem Bereich verfügten nun – nach einer Phase, in der sie ihre Solvabilität und Liquidität verbessern konnten – über die erforderliche Widerstandsfähigkeit gegenüber möglichen Turbulenzen. «Ein Investment-Grade-Portfolio mit einer Laufzeit von fünf Jahren erzielt derzeit eine Rendite zwischen 3,5 und 4 Prozent – Ende letzten Jahres rentierte es nur mit knapp über 0 Prozent. Abgesehen von dieser durchschnittlichen Marktrendite sind die Anlagechancen derart breit gestreut, dass man in Emissionen investieren kann, die weitaus höhere Renditen bieten», betont Petit.

EZB mit begrenztem Spielraum

Doch wie weit lässt sich dieses Szenario auch auf Europa übertragen? Petit erkennt gewisse Parallelen. Er betont aber auch, dass das Wirtschaftswachstum durch den Krieg in der Ukraine beeinträchtigt wurde, was wiederum den Inflationsdruck auf die Rohstoffpreise verstärkte und die Konsumentenstimmung sowie das weitere Wachstum beeinträchtigt wurden. «Dies schränkt die Interventionsmöglichkeiten der Europäischen Zentralbank (EZB) drastisch ein, selbst wenn sie inzwischen auch reagiert hat», so der Experte von Rothschild. Letztlich spiegle sich dies in einem stärkeren Anstieg der Spreads für europäische Investment-Grade-Anleihen gegenüber US-Obligationen wider.

Seit Mitte 2021 beobachtete Petit eine starke Korrektur, vor allem im Segment der Investment Grade-Staats- und Unternehmensanleihen, die den Anstieg der Renditen von Staatsanleihen verstärkte. «Europäische Investment-Grade-Papiere korrigierten seit ihrem Tiefststand im August 2021 um gut 10 Prozent. Im Vergleich dazu betrug die Korrektur im März 2020 lediglich gut 8 Prozent und während der globalen Finanzkrise von 2008 sogar nur 7,6 Prozent.»

Ungewöhnliche Ausgangslage

Zudem – und das ist ungewöhnlich – schnitt das Investment-Grade-Segment risikobereinigt schwächer ab als der High-Yield-Markt, der im Berichtszeitraum ebenfalls stark nachgab. High-Yield-Anleihen oder Hochzinsanleihen, die von Unternehmen oder Staaten begeben werden, weisen ein hohes Kreditrisiko auf. Ihr Rating liegt unter BBB- auf der Ratingskala von Standard & Poor’s.

«Obwohl wir in der Vergangenheit eher dazu geneigt waren, in Korrekturphasen in Hochzinsanleihen zu reinvestieren, sind wir jetzt der Ansicht, dass das Rezessionsrisiko in den Bewertungen dieser Anlageklasse nicht ausreichend eingepreist ist. Deshalb nutzen wir Kaufgelegenheiten bei Papieren mit soliden Ratings – zwischen AAA und BBB-», folgert Petit.


Emmanuel Petit ist Leiter der Abteilung für festverzinsliche Wertpapiere und Senior Portfoliomanager für Unternehmensanleihen bei Rothschild & Co Asset Management Europe, wo er seit 2006 tätig ist. Zuvor arbeitete er bei HSBC Asset Management. Er hat einen Master in Corporate Finance von der Universität Paris II und ist Mitglied der Société Française des Analystes Financiers (SFAF).