Der Immobilienmarkt hat die Corona-Krise weit hinter sich gelassen. Doch wegen den Folgen des Ukraine-Kriegs, der Inflation und steigenden Zinsen könnte der jahrzehntelange Preistrend nach oben ein Ende finden, warnt eine neue Studie.
Im Jahr 2021 hat sich der Schweizer Markt für Rendite-Immobilien bereits vollständig von den Folgen der Corona-Pandemie erholt. Die Wertentwicklung verzeichnete Rekordwerte, und die Immobilien-Performance ist wieder auf das Vorkrisen-Niveau geklettert. Das ist das Ergebnis des «Swiss Property Benchmark», den die auf Immobilien-Dienstleistungen spezialisierten Firma IAZI am Mittwoch vor den Medien präsentierte.
Doch beim Blick nach vorn stapeln sich die Unsicherheiten. Inflation, steigende Zinsen, Konjunktur-Risiken und nicht zuletzt auch die Folgen des Ukraine-Krieges könnten auf den Wert und die Renditen der Schweizer Immobilien durchschlagen.
«Kein Grund zur Panik, aber...»
Durch die wachsenden Unsicherheiten habe sich die Fragestellung für die Investoren grundlegend geändert. «Bis zum Beginn des Krieges hat man sich gefragt, wo kann ich noch Rendite erzielen? Jetzt heisst es: Wie kann ich meine Vermögenswerte bewahren?», erläuterte IAZI-Chef Donato Scognamiglio die Lage.
«Es gibt zwar keinen Grund zur Panik, aber die Sorgen steigen.» Die Nachfrage nach Sachwerten werde tendenziell anziehen, bei gleichzeitig wachsendem Druck auf die Bewertungen.
Auf Inflation folgen unweigerlich höhere Zinsen
Spätestens mit dem Ukraine-Krieg sei klar geworden, dass die Inflation nicht temporär ist. «Auf das Gespenst der Inflation werden unweigerlich Zinssteigerungen folgen», so Scognamiglio weiter. «Es kann sogar durchaus sein, dass die Schweizerische Nationalbank die Zinsen schon vor der Europäischen Zentralbank anhebt.» Die Nationalbank habe es in den vergangenen Jahren immer geschafft, mit ihren Massnahmen die Märkte zu überraschen.
Die Inflation per se sei nicht das Problem. «Aber auf den Zinsniveau, auf dem wir jetzt sind, werden Steigerungen deutlich auf den Marktwert der Immobilien durchschlagen.»
Mieten, Hypothekar-Kosten und Referenzzinssatz werden anziehen, ist Scognamiglio überzeugt. Die höheren Energiepreise würden bei den Wohnungsmietern zeitverzögert über die Nebenkosten ankommen. Bei einer typischen Mietwohnung mit Ölheizung, bei der die Nebenkosten rund 15 Prozent der Gesamtmiete ausmacht, rechnet Iazi mit einer Steigerung der Nebenkosten um rund 40 Prozent. Auf die Rendite der Vermieter habe dies aber keinen Einfluss.
Flüchtlinge brauchen Raum
Die höhere Inflation und steigende Zinsen werden aber über den Referenzzinssatz früher oder später für höhere Mieten sorgen. Bei Gewerbeimmobilien werde das deutlich schneller gehen, da hier die Mieten zu 100 Prozent indiziert seien.
Den Unsicherheiten stehe entgegen, dass die Schweiz und Investitionen in Schweizer Vermögenswerte gerade in Krisenzeiten als «sicherer Hafen» betrachtet wird. Auch werde durch den verstärkten Zustrom von Flüchtenden die Nachfrage nach Wohnraum weiter steigen, insbesondere in den Zentren.
Die hohe Bewertung der Immobilien sei ein fiktiver Wert. Aber die hohe Verschuldung in der Schweiz werde dafür sorgen, dass die Preise nicht allzu stark nachgeben werden. «Wer liquide ist, hat kein Problem. Wer eine hohe Verschuldung hat und zu hohen Bewertungen gekauft hat, kann bei sinkenden Preisen Probleme bekommen.»
20 Jahre Boom
Damit könnte also der jahrzehntelange Trend nach oben am Schweizer Immobilienmarkt ein Ende finden. «Wer in den vergangenen 20 Jahren in Immobilien investiert war, konnte gar nichts falsch machen», sagte Scognamiglio. «Mit den Werten ging es konstant nach oben, und mit den Zinsen konstant nach unten.»
Dabei hat sich die Bewertung der Liegenschaften von den Einnahmen deutlich abgekoppelt. Die Quadratmeter-Preise für Wohnliegenschaften haben sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt (siehe Grafik unten). Die Mieten sind aber nur um 26 Prozent gestiegen.
Das vergangene Jahr war beim Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung von einer Reihe von positiven Entwicklungen geprägt. Fast alle Branchen wachsen, und auch der Umsatztrend im Detailhandel hat über die Pandemie hinweg nach oben gezeigt. Einzig das Gastgewerbe und die Hotellerie leiden nach wie vor unter den der Krise.
Wohnungsmieten rauf – Gewerbemieten runter
Die Mieten bei Wohnungen sind 2021 im Vergleich zum Vorjahr um ein Prozent gestiegen und im Gewebe um 2,5 Prozent gesunken. «Das zeichnet aber ein verzerrtes Bild», sagte Scognamiglio. Bei den Mietern zieht pro Jahr nur rund jeder zehnte um, bei den Firmen werden Verträge in der Regel alle fünf Jahre neu verhandelt.
Bei den Wohn-Renditeimmobilien habe die Performance im Verhältnis zum Marktwert im vergangenen Jahr 7,1 Prozent betragen, wovon 4,1 Prozent auf die Wertentwicklung zurückzuführen war. «Das ist die grösste Wertsteigerung, die wir je gemessen haben», so der IAZI-Chef weiter. Bei den Gewebeimmobilien stiegen die Werte um 2,7 Prozent und die Performanz erreichte 5,6 Prozent.
In die Marktbetrachtung von IAZI fliessen die Zahlen der Renditeliegenschaften von institutionellen Immobilieninvestoren in der Schweiz ein. Das sind mehr als 13'000 Liegenschaften mit einem Marktwert von über 250 Milliarden Franken.