Geht die Schweiz gestärkt aus der Finanzkrise hervor? Gut möglich. Trotzdem gibt es in diesem Jahr noch einige Unwägbarkeiten. 10 Traktanden.
1. Was erreicht Urs Rohner?
Im April übernimmt ein vergleichsweise junger und unverbrauchter Manager das Verwaltungsratspräsidium der Credit Suisse (CS) – allerdings ein Nicht-Banker. Das kann Wagnis oder Chance sein, um die CS aus der europäischen Schusslinie herauszunehmen. Denn nach wie vor macht Deutschland mit gestohlenen Kundendaten mächtig Druck auf die die Bank und verdächtigt deren Mitarbeiter, Kunden beim Hinterziehen von Steuern geholfen zu haben. Urs Rohners Vorteil: Als einstiger Chef bei ProSiebenSat.1 ist ihm die deutsche Seele nicht fremd.
2. Risiko Abgeltungssteuer
Mit grossem Trara haben Ende 2010 die Schweiz und Deutschland eine Absichtserklärung für eine Abgeltungssteuer vereinbart. Klarheit, was das nun für die Banken und Kunden bedeutet, herrscht deswegen aber noch nicht. In diesem Jahr startet ein harter Verhandlungsmarathon, bei dem sich die Schweiz nicht über den Tisch darf.
3. Generationswechsel bei Vontobel
Man darf gespannt sein, welche Akzente der künftige Chef Zeno Staub setzen wird. Er übernimmt im Mai als Nachfolger von Herbert Scheidt das Zepter bei der Zürcher Traditionsbank. Verkauft er die tieftourig laufende Vermögensverwaltung und setzt auf die Karte Investmentbanking? Oder hat er andere Pläne? Jedenfalls verspricht der Generationswechsel bei Vontobel spannende Zeiten.
4. Finma in Vollbesetzung
Nach der glücklosen Ära von Ex-UBS-Manager Eugen Haltiner als Präsident der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) folgt eine der SP zugeneigte Anwältin und Professorin. Obwohl das Profil für das Präsidium von Anbeginn klar war, erwies sich die Suche nach der geeigneten Person als schwierig. Anne Héritier Lachat empfahl sich früh als Kandidatin und setzte sich zielstrebig durch. Das spricht für sie – weniger hingegen, dass sie keine praktische Bankerfahrung mitbringt, wie das im Vorfeld der Ausmarchung explizit gefordert wurde.
5. Bewährungsprobe für Neubanker
Kaum je zuvor sind in der Schweiz wohl so viele neue Banken entstanden wie im letzten Jahr. So besehen hat die Finanzkrise auch ihre positiven Auswirkungen. Der Ex-Swissfirst-Banker Thomas Matter startet eine Unternehmerbank, in Genf erhielt die aufstrebende Reyl & Cie die Banklizenz, und mittlerweile ist auch SAM-Gründer Reto Ringer mit seiner Globalance Bank operativ. Bereits im Rennen ist seit Ende 2010 auch die Bank Gutenberg. Doch gibt es für diese vielen Akteure auch einen Markt? Das wird sich in diesem Jahr weisen.
6. Die Schweiz als Hedge-Fund-Eldorado
Zahlreiche renommierte Hedge Funds sind im letzten Jahr von London in die Schweiz umgezogen; darunter Brevan Howard, Europas grösster Hedge Fund, oder BlueCrest Capital, Grossbritanniens viertgrösster Hedge Fund. Auch die renommierte US-Firma Moore Capital eröffnete in Zürich einen Ableger. Das zeigt, wie wichtig Standortfaktoren sind, und dass es sehr wohl darauf ankommt, die Rahmenbedingungen laufend zu verbessern. Nun bleibt zu hoffen, dass die Ankunft der Hochfinanz-Player nicht bloss eine temporäre Modeerscheinung war.
7. Nachfolgeregelung bei der UBS
Die Ausgangslage ist klar: Spätestens 2012 braucht die grösste Schweizer Bank eine neue operative Führung. Dann tritt CEO Oswald Grübel definitiv ab. Im nächsten April stösst der Tessiner Banker und frühere UniCredit-Vize-CEO Sergio Ermotti zur UBS in die Geschäftsleitung. Damit hat die grösste Bank der Schweiz ihren Kronfavoriten bestimmt. Kaum ein anderer Schweizer Banker bringt derzeit einen besseren Leistungsausweis mit Auslandserfahrung mit. Bewährt er sich in den Folgemonaten ist der Weg frei nach ganz oben.
8. Bankiervereinigung vor Neustart
Lange war es ruhig um den Dachverband der Schweizer Banken, weil zuerst der Präsident wechselte und dann der CEO. Mit der nunmehr wieder voll bestückten Führungscrew unter Patrick Odier und Claude-Alain Margelisch ist die Bankiervereinigung 2011 voll gefordert, will sie die wichtigsten Traktanden der Banken nicht der SP, den Medien und Bundesbern überlassen. Ob der frühere tunesische Machthaber Ben Ali sein Geld auch in der Schweiz gebunkert hat, dürfte das nächste Thema sei.
9. Problem Frankenstärke
Die Frankenstärke hält an. Bereits wird darüber spekuliert, ob der Euro auf 50 Rappen fällt. Je tiefer die Einheitswährung, desto stärker schrumpfen auch die europäischen Kundengelder in den Depots der Schweizer Banken. In diesem Umfeld sind kluge Anlagestrategien gefragt.
10. Schafft Philipp Hildebrand die Wende?
Als Architekt der UBS-Rettung lieferte Philipp Hildebrand sein Gesellenstück ab. Dann als Präsident der Schweizerischen Nationalbank bot er dem Gehabe der Grossbanken paroli und mutierte vollends zum Held auf dem Finanzplatz Schweiz. Doch seit er mit seinen Euro-Käufen im Frühling 2010 Milliarden verpulvert hat und die SNB seither einen eher hilflosen Kurs steuert, hat sich der Wonderboy in eine persönliche Reputationskrise geritten. 2011 muss er die Wende schaffen.