Im internationalen Payment-Geschäft ist das Zahlen auf Rechnung der heisseste Trend. Auch hierzulande werden die etablierten Akteure den Fintechs nicht das Feld überlassen wollen.
«Buy now pay later» ist in aller Munde. Das Zahlen auf Rechnung – oder weniger vornehm ausgedrückt das Einkaufen auf Pump – ist als neues Wachstumsfeld im hart umkämpften Payment-Geschäft erkannt.
Die Riesen des Business sind bereit, dafür Milliarden in die Hand zu nehmen. So will der amerikanische Online-Zahlungsdienst Paypal für den japanischen Buy-now-pay-later-Spezialisten Paidy 2,7 Milliarden Dollar zahlen, wie am (gestrigen) Mittwoch bekannt wurde. Vergangenen August bot das Zahlungsunternehmen Square aus San Francisco 29 Milliarden Dollar für die australische Firma Afterpay – das grösste Übernahmeangebot aller Zeiten in «Down Under».
Internet-Giganten wie Apple und Amazon sind ebenfalls in dem aufstrebenden Segment zugange. Selbst der Kreditkarten-Riese Visa hat ein Angebot angekündigt.
Dank Buy now pay later wertvollstes Fintech Europas
Das sorgt auch am Schweizer Finanzplatz für Aufregung hinter den Kulissen, wie Beobachter berichten. Dies spätestens, seit Klarna auch in der Schweiz seine Shopping-App lanciert hat: Das schwedische Fintech ist ein Vorreiter der neuen Bezahlform und dank Buy now pay later zum wertvollstem Fintech Europas aufgestiegen. «Es ist nur logisch, dass sich auch die etablierten Schweizer Akteure im Kreditkarten-Geschäft mit Buy-now-pay-later-Diensten auseinandersetzen», berichtet Stephan Lohnert von der Beratungsfirma Capco in der Schweiz.
In den Online-Handel integrierte Zahlungen auf Rechnungen seien eines der wenigen Felder, die im Zahlungsgeschäft noch Wachstum versprechen, erklärt der Finanzexperte. Und mit den Zinsen auf den fälligen Raten eröffnet sich ein lukratives Segment im Zinsengeschäft.
Potenzial: 3 bis 5 Milliarden Franken
In der Tat. Lohnert schätzt den gegenwärtigen Umsatz mit Ratenabzahlungen auf Kreditkarten (so genannte Revolving-Kredite) in der Schweiz auf rund 3 Milliarden Franken pro Jahr. Mit dem Wachstum und den zusätzlichen Transaktionen von Buy-now-pay-later-Diensten erwartet der Capco-Berater ein potenzielles Marktvolumen von 3 bis 5 Milliarden Franken. Das sind Beträge, welche das hiesige Finanz-Establishment wohl kaum Newcomern wie Klarna überlassen wird.
Umso mehr, als es auch einiges zu verlieren gibt. Schon heute gleicht das Kreditkarten-Geschäft einer Kampfzone. Neobanken wie Revolut und N26 sind in die Schweiz vorgedrungen und sorgen für Druck auf die Gebühren. Zudem haben die Umsätze mit Kreditkarten aufgrund der Coronakrise einen empfindlichen Dämpfer erlitten, da insbesondere die Einkünfte aus dem einträglichen Segment Reisen und Gastro eingebrochen sind.
Buy-now-pay-later-Angebote drohen die Volumen der Herausgeber (Issuer) von Kreditkarten zu schmälern, das sind Firmen wie Viseca, Cornercard, UBS, Swisscard (Credit Suisse) oder Cembra Money Bank. «Umso mehr schauen sie sich nach neuen Ertragsquellen um», beobachtet Lohnert.
Aufgelegtes Geschäft für Twint?
Bis jetzt ist es diesbezüglich in der Schweiz ruhig geblieben. Klarna hat hierzulande die Ratenzahlung-Funktion noch nicht freigeschaltet, wie auf Anfrage zu erfahren war. Hingegen erklärte Markus Kilb, der CEO von Twint, unlängst vor Journalisten, dass sich das Unternehmen mit der Thematik auseinandersetze. Beobachtern zufolge gilt die Bezahlapp der Schweizer Banken, die hierzulande über mehr als 3 Millionen Nutzer zählt, als prädestiniert für Buy-now-pay-later-Angebote.
Aus genannten Gründen haben zudem die Issuer einiges Interesse, sich nicht überrunden zu lassen. Swissbilling, eine Tochter von Cembra, bietet bereits Rechnungskauf-Lösungen als Zahlungsmittel an.
Als mögliches Hindernis stellt sich die Regulierung in den Weg. Insbesondere das Bundesgesetz über den Konsumkredit (KKG) gilt aus Sicht der Finanzindustrie als starr, was wohl auch Buy-now-pay-later-Angebote zu spüren bekämen. Bei Rückzahlungsfristen von mehr als drei Monaten fallen Kredite nämlich in der Regel unter die Vorgaben des KKG.
Bei der Bequemlichkeit packen
Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie die hiesige Kundschaft auf die neuen Dienste anspringt. Schweizerinnen und Schweizer sind konservativ, was das Schuldenmachen mit Konsumkrediten betrifft. Doch in den letzten Jahren haben die Hemmungen diesbezüglich abgenommen.
Derweil machen die Vorreiter der Digitalisierung vor, wie man die Nutzer bei ihrer Bequemlichkeit packt. Händler wie Amazon bieten das Bezahlen auf Rechnung im Ausland schon als vollintegrierte Lösung auf ihrer Plattform an, per Knopfdruck werden die Ratenzahlungen vom Konto des Käufers abgebucht. «Wenn in der Schweiz ähnlich einfache Lösungen auf den Markt kommen, haben sie durchaus Chancen bei den Nutzern», sagt Lohnert von Capco.