Die Schweiz vergeudet wertvolle Lehren aus der Abschaffung des Bankgeheimnisses vor einem Jahrzehnt. Es müsste gehandelt werden, doch die Politik bockt schon wieder.

Obwohl die Schweiz Schauplatz einiger der weltweit grössten Korruptionsskandale der jüngeren Geschichte ist, zeigt sie ein erstaunliches Desinteresse an diesem Thema.

Der kürzliche Abgang des Leiters der Geldwäschereibehörde (MROS), Daniel Thelesklaf, deckt Schwachstellen im Verteidigungsplan der Schweiz gegen Geldwäscherei auf. Der Gesetzgeber hat gezögert, Schlupflöcher zu schliessen - und die Schweiz droht international wieder in Ungnade zu fallen.

Das permanente Risiko der Schweiz

Die Bekämpfung der Geldwäscherei ist eine zutiefst unpopuläre politische Bühne - vor allem in einem Parlament, das mit Rechts- und Finanzfachleuten überfüllt ist. Der Plan von Bern ist, wie ein Kritiker es ausdrückte, nicht mehr zu tun, als was von supranationalen Gremien wie der FATF verlangt wird.

Einerseits ist das Geldwäschereithema für die offizielle Schweiz von hoher Bedeutung: «Als ein führendes Zentrum für Offshore-Vermögensverwaltung ist die Schweiz einem permanenten Geldwäscherei-Risiko ausgesetzt», sagte Finma-Chef Mark Branson letzte Woche. Er skizzierte, wie die Finanzaufsicht nach einer Reihe von schädlichen Skandalen wie Petrobras, 1MDB und FIFA ihre Bemühungen intensivierte, proaktiver zu werden.

Doch die Politik bremst

So weit, so gut - aber die Politik hat weder einen Plan noch den Wunsch, dies zu unterstützen. Der jüngste Vorstoss aus dem Ausland sind die Anti-Terrorismus-Richtlinien des Europarates, deren Verabschiedung die Autorität der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS), die als Schnittstelle zwischen Banken und Aufsichtsbehörden fungiert, massiv stärken würde. Der Gesetzesentwurf wurde im Stillen von beiden Kammern verabschiedet und könnte bereits im Januar in Kraft treten.

Der Haken: Die Änderungen würden die Meldestelle zu einer weitaus mächtigeren Behörde machen als beispielsweise die Staatsanwaltschaft, die sich die Mühe machen muss, eine strafrechtliche Untersuchung einzuleiten, um fast ebenso viele strafrechtliche Beweise zu sammeln.

Mit der Macht kommen die Revierkämpfe: Die MROS ist organisatorisch ein Teil der Polizei, die gerne die Fülle von Daten in die Finger bekommen würde, über die rund 60 Geldwäschebekämpfungsexperten inzwischen verfügen (die Einführung eines von der UNO unterstützten digitalen Tools in diesem Jahr hat ebenfalls geholfen).

Schweiz fast rausgeworfen

Der Abgang von Thelesklaf, dem zweiten, der in weniger als zwei Jahren aus dem Amt scheidet, verdeutlicht die Belastung des Systems: Bei seinem Abgang geht es weniger um einen Showdown mit der Polizeichefin Nicoletta della Valle als vielmehr um die Aufteilung der Macht, der Kompetenzen und des Territoriums.

Gerade für die Egmont-Gruppe, in derndie Fäden der Geldwäschereibekämpfer rund um den Globus zusammen laufen, wäre das aber wichtig. Die Schweiz ist ausserdem dafür bekannt, dass sie die Überprüfungen durch die FATF, eine internationale Gruppe zur Überwachung der Geldwäscherei, jeweils nur knapp besteht . Bekanntlich wurde sie 2012 beinahe rausgeworfen, bis das Parlament sich beeilte, die Rechtsetzung zu beschleunigen.

Wenn der Papst verwedelt

Egmont wird mit ziemlicher Sicherheit in den kommenden Wochen und Monaten den Abgang von Thelesklaf und von Stiliano Ordolli vor ihm im Jahr 2018 genau unter die Lupe nehmen. Die Gruppe verlangt die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder - und die Beweislast liegt bei den Ländern, was bedeutet, dass die Schweiz wohl einige unbequeme Fragen beantworten muss.

Die jüngsten Unruhen des Vatikans mit der Egmont-Gruppe – von Papst Franziskus heruntergespielt – veranschaulichen die Gefahren: Der Heilige Stuhl war nach einem Skandal in seiner eigenen Geldwäschereibehörde im vergangenen Jahr vom Informationsfluss aus der Egmont Gruppe abgeschnitten.

Die Vorbilder sind da

In der Schweiz ist die MROS heute 22 Jahre alt - eine erwachsene Person der Generation X. Sie braucht Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit - und vielleicht auch den Auszug aus dem Elternhaus. Die Idee der Unabhängigkeit der MROS von der Polizei ist schwer zu verwirklichen - aber Deutschland hat es 2017 getan und die Verantwortung für ihre FIU von der Bundespolizei auf die Zollbehörden übertragen.

Experten mögen die Idee einer öffentlich-privaten Allianz nach dem Vorbild der australischen Fintel-Allianz. Das SIF, das gerade zehn Jahre alt geworden ist, könnte ein weiterer natürlicher Lebensraum für die MROS sein. 

Konstruktiv oder nicht?

Bern weiss das alles, verbringt aber erstaunlich wenig Zeit mit diesem Thema. Aktualisierungen der Geldwäschereigesetzgebung werden oft als Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung formuliert, um sie schmackhafter (und schwieriger zu bekämpfen) zu machen.

Anfang dieses Jahres haben es die Gesetzgeber dennoch getan und dabei Pläne torpediert, Rechtsanwälte in das Prozedere einzubeziehen. Die MROS erhielt im vergangenen Jahr nur fünf Verdachtsmeldungen von Rechtsanwälten und Notaren - nur 0,1 Prozent ihrer Gesamtzahl.

Die Schweiz hat mehrere grosse Bestechungsskandale am Hals - darunter eine lange schwelende Untersuchung zu den Spuren Danske Bank in die Schweiz.

Die Schweiz hat sich lange geweigert, ihr Bankgeheimnis aufzugeben. Schliesslich war es zu spät und sie wurde dazu gezwungen. Ebenso könnte die Schweiz zu einer effektiveren Geldwäscherei gezwungen werden. Sie hat die Wahl, störrisch zu bleiben oder  konstruktivem vorzugehen.