Finanzfirmen lassen eine dreistellige Milliardensumme auf dem Tisch liegen – weil sie die Bedürfnisse der Frauen nicht verstehen.
Banken, Vermögensverwalter, aber auch Versicherer und Firmen des ganzen Finanzspektrums zapfen ein riesiges Geschäftspotenzial viel zu wenig an: die weibliche Kundschaft.
Folgt man neuesten Berechnungen des international tätigen Beratungsunternehmens Oliver Wyman, entgehen allein den Versicherern Prämien in der Höhe von 500 Milliarden Dollar, weil sie die Bedürfnisse der Frauen zu wenig differenziert bedienen.
Vermögensverwalter und Fondsfirmen wiederum könnten laut den Wyman-Berechnungen 25 Milliarden Dollar an Gebühren mehr einnehmen. Im Kundensegment der Superreichen sind Frauen laut einer Studie der Schweizer Grossbank UBS und der Beratungsfirma PWC das schnellst wachsende Segment. Zudem verweisen Anlegerstudien darauf, dass vermögenden Kundinnen besonders viel Cash halten.
Fehlende Glaubwürdigkeit
«Frauen sind womöglich die grösste unterversorgte Kundengruppe im Finanzdienstleistungs-Business», sagte Jessica Clempner, Autorin des Wyman-Berichts. «Die Firmen lassen Geld auf dem Tisch liegen, weil sie ihren Kundinnen nicht zuhören und sie nicht verstehen.»
Das brachliegende Geschäft wird inzwischen vielerorts erkannt – aber es scheint bei den Anbietern an langfristigen und damit glaubwürdigen Initiativen zu mangeln, um das Potenzial auch zu erschliessen.
Dies zeigt das Beispiel der weltgrössten Privatbank UBS: Letztes Jahr teilte die Grossbank das Frauen-Fokus Programm «Unique» auf, nachdem dieses erst 2016 lanciert worden war. Bei Unique involvierte Bankerinnen sind teils zu anderen Anbietern weitergezogen.
Nur 20 Prozent Frauen im Management
Damit ist ein weiteres Problem angesprochen, dass sich bei der Erschliessung des 700-Milliarden-Dollar-Markts stellt: Am besten in der Lage, Frauen zu verstehen sind – Frauen. Doch von diesen sitzen immer noch wenige in einflussreicher Position bei Banken und Versicherern.
Nur jedes fünfte Geschäftsleitungsmitglied ist in der Branche weltweit weiblich, so Wyman weiter. Laut der Studie scheitern viele kompetente Frauen am Graben, der sich zwischen Kader und Management öffnet.