Das Beschatten von Ex-Mitarbeitenden ist am Schweizer Finanzplatz weiter verbreitet als gedacht. Nach der Khan-Affäre bei der Credit Suisse bekennt sich auch die Derivate-Spezialistin Leonteq zu Überwachungsmassnahmen.
Während im «Spygate» bei der Credit Suisse (CS) die Staatsanwälte noch ermitteln, kommt der nächste Beschattungsfall am hiesigen Finanzplatz ans Licht. So äusserte sich Ex-Leonteq-Chef Jan Schoch (Bild unten) erstmals öffentlich zur Überwachung von Personal, das von Leonteq zu seiner neuen Firma Anova wechselte.
Pflicht zur Beschattung?
«Leonteq schreckte nicht davor zurück, eine über mehrere Wochen durchgeführte Beschattung der zur Anova wechselnden Personen durch Detektive in Auftrag zu geben», beklagte sich Schoch bei der Schweizer Börsenzeitung «Finanz und Wirtschaft» (Artikel bezahlpflichtig) am (heutigen) Mittwoch. Im vergangenen Juni hatte der Finanzblog «Inside Paradeplatz» erstmals über die Überwachungs-Aktion bei der Zürcher Derivate-Spezialistin berichtet.
Sinnigerweise demetiert Leonteq die Massnahmen gar nicht erst. Es habe «konkrete Anhaltspunkte über schwerwiegende arbeitsrechtliche und gesetzliche Pflichtverletzungen» bei den abgesprungenen Mitarbeitern gegeben. Es sei deshalb Pflicht von Leonteq gewesen, die «nötigen Schritte» einzuleiten, sagte ein Sprecher.
Härtere Gangart
Überwachung ist nötig – dessen ist man sich offenbar nicht nur in den erwähnten Fällen bei der CS und der Leonteq sicher gewesen, sondern auch weit verbreitet in den Chefetagen hiesiger Finanzinstitute. Das fängt bei Systemen an, welche die Arbeitsweise von Angestellten überwachen und hört bei Aufträgen an Detektive auf, die dem Vernehmen nach dank der Finanzbranche ein gutes Auskommen haben.
Die Gangart hat sich in den vergangenen Jahren sogar verschärft, weil die Akteure in der Vermögensverwaltung nur noch schwer neues Geschäft anzuziehen vermögen. Es sei denn, man wildert bei der Konkurrenz. Diese Taktik hat inzwischen bedenkliche Ausmasse angenommen, glaubt man den Wortmeldungen aus der Branche.
«Sicherlich nicht effektiv»
So erklärte Vincent Taupin, der CEO der Genfer Bank Edmond de Rothschild, dass es sich kaum noch lohne, eine Bank zu übernehmen – weil dann sofort die Abwerbeschlacht beginne. «Wie kann der Kauf einer Bank von Interesse sein, wenn man dann feststellt, das dort gar niemand mehr arbeitet?», enerviert sich Taupin.
Das Überwachung zum courant normal am Finanzplatz gehört, bestätigte auch Guy de Picciotto (Bild unten) gegenüber finews.ch. Der CEO der Genfer Bank UBP warnte aber gleichzeitig vor dem Instrument. «Ehrlich gesagt, beobachtet man einen Manager, der zur Konkurrenz geht, um sicherzustellen, dass er keine Leute abwirbt? Ja. Ist das effektiv? Sicherlich nicht.»
Scherbenhaufen für alle Beteiligten
Tatsächlich zeigt sich bei der CS wie bei Leonteq, dass die Bespitzelung ein zweischneidiges Schwert sein kann. In beiden Fällen flogen nämlich die Schlapphüte auf. Bei Ex-CS-Manager Iqbal Khan soll es im Anschluss zu einem Gerangel zwischen Khan und seinen Beschattern gekommen sein, worauf Khan Anzeige erstattete.
Bei Leonteq verlangten die Ex-Mitarbeiter Einblick in ihre Dossiers und streiten sich nun mit der einstigen Arbeitgeberin vor Gericht über gesperrte Lohnzahlungen. Zurück bleibt also auch hier ein Scherbenhaufen für alle Beteiligten.