Es muss unser Ziel sein, uns von fossilen Energieträgern zu verabschieden. Aber ein Ausstieg von einem Tag auf den anderen ist nicht möglich. Ohne diese Energiequellen würde die Weltwirtschaft zusammenbrechen. Entsprechend wichtig ist, dass dafür weiter Geld bereitsteht. Die Finanzierung muss jedoch auf transparente Weise geschehen und mit Umweltauflagen verbunden sein. Scheinheilig wird es für mich dann, wenn versucht wird, solche Transaktionen zu vertuschen.
UBS & Co sollen ruhig Kohle- und Ölförderung finanzieren, sagt die Nachhaltigkeits-Expertin?
Nein, aber mir ist es lieber, eine westliche Grossbank wie die UBS macht das, und zwar auf transparente Weise. Das ist die alte Problematik von Engagement versus Desinvestition: Eine bekannte Stiftung bewirkt als Aktionär einer Ölfirma wohl mehr für die Nachhaltigkeit als ein undurchsichtiger Staatsfonds aus Nahost.
Das ist dann auch mit der Ethik vereinbar?
Ein Gedanke, den man immer im Hinterkopf behalten sollte, lautet: ist mein Verhalten universalisierbar? Das heisst, was geschieht, wenn sich alle anderen so verhalten wie ich? Auf die Grossbank übertragen lautet die Frage: was passiert, wenn sich alle Institute auf einmal von Kohle- und Ölkunden verabschieden?
«Heute sehe ich das differenzierter»
Dann gingen überall die Lichter aus. Das bedeutet aber keinen Freipass für die Investition in fossile Energien – glaubwürdig ist diese nur für grosse Investoren mit einem klar definierten Engagement-Ansatz hin zu mehr Nachhaltigkeit. Und das mit messbaren Zielen.
Viel ist die Rede davon, dass der Schweizer Finanzplatz zu einem Hub für nachhaltige Investments aufsteigen könnte. Standort-Wettbewerb mit Nachhaltigkeit – wie passt das zusammen?
Von meiner akademischen Prägung her müsste die Antwort lauten: Mit Nachhaltigkeit und Ethik Geld machen, das ist verwerflich! Heute sehe ich das differenzierter.
Wie?
Wenn sich mit Ethik Geld machen lässt, ist das nicht automatisch verwerflich. Das wäre nur dann der Fall, wenn Nachhaltigkeit allein um eines finanziellen Vorteils willen propagiert würde. Wenn sich eine win-win-Situation zwischen Nachhaltigkeit und Standortvorteil erreichen lässt, würde ich das begrüssen.
Der Klimawandel ist ein Phänomen, das sich über Dekaden abspielt und kaum zu lenken ist. Ist es nicht blauäugig, daraufhin Investmentprozesse langfristig auszurichten?
Was ist denn die Alternative? In dreissig Jahren möchte ich in einer Welt leben, in der ich eine Rente von meiner Pensionskasse erhalte und nicht auf zwölf Quadratmetern wohnen muss, weil wegen Dürrekatastrophen Flüchtlingsströme unser Land überschwemmen...
...das ist ein Horrorszenario.
Was ich sagen will: Der Klimawandel ist jenes Phänomen, das derzeit unsere Lebensqualität am meisten bedroht. Dann muss dieses Phänomen doch eine Benchmark für Pensionskassen sein, um ihre Anlagepolitik danach auszurichten.
Dorothea Baur ist selbständige Beraterin für Ethik mit Fokus auf den Finanz- und Technologiesektor. Sie promovierte an der Universität St. Gallen (HSG) zu wirtschaftsethischen Themen und war danach in Forschung und Lehre an europäischen Wirtschaftsuniversitäten tätig. Seit vier Jahren unterstützt sie mit ihrer eigenen Firma Unternehmen und Organisationen bei Fragen rund um Nachhaltigkeit und Verantwortung.
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