Der Schweiz-Chef der Euronext Søren Bjønness will hiesige Fintechs an die Börse bringen. Ein Unterfangen mit Hindernissen, wie er im Gespräch mit finews.ch darlegt.
Am von der Mehrländerbörse Euronext gesponserten Zürcher «IPO Day 2018» referierte Søren Bjønness am (gestrigen) Dienstag vor vollen Rängen. Doch im Inkubator, den der Euronext-Länderchef hierzulande für Tech-Startups anbietet, treten sich Schweizer Fintech-Entrepreneure nicht gerade auf die Füsse.
Im so genannten Techshare-Programm von Euronext, über das auch finews.ch schon berichtete, findet sich derzeit eine einzige Finanztechnologie-Firma. Es handelt sich dabei um die Zürcher Kreditvermittlungs-Plattform Loanboox, die gerade den Sprung ins Ausland vorantreibt.
Und ewig lockt das schnelle Geld
Im Gespräch kommt Bjønness rasch auf die Hindernisse auf dem Weg ins Börsenrund zu sprechen. «Leider stellen wir fest, dass das schnelle Geld eines Verkaufs stark lockt», sagt der gebürtige Norweger. Insbesondere die Wagniskapital-Geber würden nach fünf bis sieben Jahre ungeduldig und forderten einen Verkauf. «Voreilig, wie sich dann meistens herausstellt.»
Tatsächlich haben diverse hoffnungsvolle Fintechs der ersten Stunde an etablierte Finanzfirmen verkauft. So die Finanzplanungs-Spezialistin Contovista, der Hypothekenvergleichs-Dienst Moneypark, der Robo-Advisor True Wealth und das Business-Software-Unternehmen Bexio. Aus der Verkaufswelle folgerte finews.ch, dass die von den digitalen Herausforderern angestrebte Disruption am Schweizer Finanzplatz abgesagt sei.
«Nehmt wenigstens nicht das erste Angebot an»
Bjønness betont seinerseits, dass eine Disruption nur aus der Unabhängigkeit heraus erfolgen könne. «Wer verkauft, ist nicht mehr selbstbestimmt.» Als Angestellter einer Börsenbetreiberin liegt es auf der Hand, dass Bjønness den Gang an die Börse, ein so genanntes IPO, als Ausweg aus diesem Dilemma betrachtet. «Die Unabhängigkeit ist ein grosses Thema, das wir mit Fintech-Gründern und Managern intensiv diskutieren.» Er macht letzteren klar, dass alles aufs Fressen und Gefressenwerden hinausläuft.
Fintechs, die einen schnellen Verkauf dennoch nicht ausschliessen wollen, rät Bjønness: «Nehmt wenigstens nicht gleich das erste Angebot an!»
Wer unabhängig bleiben will, steht aber je nachdem noch einige Arbeit bevor. Typischerweise sei ein IPO nach der dritten Wagniskapital-Runde sinnvoll, beschreibt der Schweiz-Chef der Mehrländerbörse das Vorgehen. Derzeit spricht Bjønness darüber auch mit Kryptofirmen. Viele von diesen machen einen Bogen um die traditionellen Börsen und kapitalisieren sich auch mit Token und Coins, über so genannte ICO. Der Euronext-Mann argumentiert aber, dass es aber auch für Krypto-Startups durchaus Sinn mache, mit einer traditionellen Finanzierung das Kryptorisiko zu begrenzen.
Unter Kollegen
Die Aktivitäten der in Amsterdam beheimateten Euronext in der Schweiz geben dabei über die Fintech-Szene hinaus zu reden. Nicht zuletzt im Umfeld der Schweizer Börsenbetreiberin SIX, die sinnigerweise mit Jos Dijsselhof von einem früheren Euronext-Manager geführt wird. «Wir kennen die Kollegen von der SIX. Meiner Meinung kommen wir gut aneinander vorbei in der Schweiz, da wir uns auf Technologiethemen fokussieren», sagt Bjønness dazu.
Tatsächlich sind der SIX die kotierten Unternehmen noch nicht in Scharen davon gelaufen. Rund zehn Schweizer Firmen sind derzeit auf der Euronext-Plattform gelistet.