Der Fintech-Boom bedeutet eine reale Gefahr für das traditionelle Banking – dieses Narrativ muss wohl neu geschrieben werden. Denn Fintech bedeutet für die Banken was ganz anderes.
Es ist in der praktischen Anwendung der Blockchain-Technologie ein Durchbruch: Über 15 Grossbanken, darunter die UBS, haben zwei Prototypen mit der sogenannten «Distributed Ledger Technologie» (DLT) erfolgreich geprüft. Das Einsatzgebiet waren Handels-Finanzierungen beziehungsweise Prozessierungen von Forderungen und Kreditbriefen.
Im traditionellen Banking ist das Invoice-Geschäft noch eher «papierig» und darum fehleranfällig und ineffizient. Die getesteten DLT-Prototypen waren schneller, sicherer und sparten Kosten.
Überschaubarer Zusatznutzen
Die Prototypen hat das Fintech-Konsortium R3 gebaut, ein partnerschaftliches Unternehmen, an welchem unter anderen Credit Suisse und UBS, aber auch US-Grossbanken wie J.P. Morgan und Goldman Sachs beteiligt sind.
Während der erfolgreiche Test der R3-Prototypen sicherlich ein wichtiger Schritt in der Entwicklung und im praktischen Gebrauch der Blockchain ist, so ist der Zusatznutzen allerdings überschaubar.
R3 schätzt, dass der Einsatz der Blockchain im Bereich Handels-Finanzierungen Effizienzgewinne von 10 bis 15 Prozent bringt und Handelsplattformen auf Basis der Blockchain-Technologie Banken ein Umsatzplus von rund 15 Prozent bescheren können.
Wo bleibt die Disruption?
Dies betrifft zwar nur den Bereich Handelsfinanzierungen, aber man fragt sich angesichts dieser Prognosen: Wo bleibt die Disruption? Immerhin haben Fintech-Gurus die Blockchain bereits als die wichtigste Erfindung seit dem Internet gefeiert und dem traditionellen Banking den Tod prophezeit.
Dieser Tod wird sobald nicht kommen, dafür sorgen sowohl Banken wie die vermeintlichen Disruptoren aus der Fintech-Szene. Beide arbeiten nämlich zunehmend Hand in Hand.
Der Weg heisst: Partnerschaft
Eine grossangelegte Umfrage bei 210 Banken in 24 Ländern des UBS Evidence Lab hat ergeben, dass bereit 38 Prozent aller Banken Fintech-Partnerschaften eingegangen sind.
Die UBS selber ist eine dieser Banken, welche sich den kooperativen Stil zu eigen gemacht hat. Dies scheint eine der wichtigsten Hinterlassenschaften ihres vormaligen Chief Information Offices Oliver Bussmann zu sein, der die Grossbank im März verlassen hat und seither über Social Media predigt, dass Innovation am besten durch Kooperation zustande kommt.
Enjoy my latest post: Want to innovate? Then collaborate! https://t.co/mcsuu09hGX #FinTech https://t.co/UT7rjBRWx0
— Oliver Bussmann (@obussmann) 11. August 2016
Zu den Fintech-Kooperationen der UBS gehören beispielsweise Contovista und Bexio in der Schweiz, in den USA hat sich die Bank am Robo-Advisor SigFig beteiligt. Die UBS ist damit keineswegs Vorreiterin, andere Finanzinstitute gehen konsequenter vor und übernehmen Fintechs gleich.
Übernahmewelle im Fintech-Sektor
So hat vor knapp einem Jahr der weltweit grösste Asset Manager Blackrock den Robo-Advisor FutureAdvisor übernommen, Invesco zog Anfang dieses Jahres mit dem Kauf von Jemstep nach und Goldman Sachs schnallte sich letzten März Honest Dollar um.
Laut UBS-Studie werden weitere Banken diesen Kooperationsstil übernehmen, sodass bereits nächstes Jahr über 50 Prozent aller Finanzinstitute Fintech und Innovationen auf diese Weise implementiert haben werden.
Innovationspotenzial ausserhalb anzapfen
Der Grund für Kooperationen ist aus Bankensicht ein relativ einfacher: Selber sind sie zu schwerfällig und zu traditionsbehaftet, um eine interne Innovationskultur aufzubauen. Schneller und effizienter ist es, das Innovationspotenzial ausserhalb ihrer bürokratisierten und mit vielen Partikularinteressen belasteten Organisationen anzuzapfen – bei den Fintechs.
Der Effekt dieses Kooperationsstils ist zweierlei: Erstens können Banken ihre Innovationsgeschwindigkeit massiv erhöhen und damit die Chancen deutlich verbessern, dass einzelne Fintech-Anwendungen auch einen betrieblichen Erfolg haben.
Kooperation verhindert Konfrontation
Zweitens – und dies ist mindestens so wichtig – verhindern Kooperationen Konfrontationen. Sprich: Indem Banken Fintechs an Bord holen, bannen sie gleichzeitig die potenziell disruptive oder zumindest disintermediäre Gefahr, welche von ihnen tatsächlich ausgeht.
Die Konsequenz daraus zeigt sich am Beispiel R3: Die bestimmenden Technologien im Finanzsektor – wie nun auch die Blockchain – kontrollieren nach wie vor die Banken.
Ein «plain level playing field»
Es ist bezeichnend, dass das R3-Konsortium von den grössten Playern im globalen Finanzsektor finanziert wird, während hinter der Blockchain die Idee einer offenen, grenzenlosen und vollkommen demokratischen Technologie steht, die niemandem gehört.
Kooperationsmodelle wie R3 bewirken noch etwas: Sie schaffen ein «plain level playing field». Die Partner erhalten gleichermassen Zugang zu ein und derselben Technologie. Das disruptive Element einer solchen, durch eine Kooperation entwickelten Technologie ist somit ausgeschaltet.
Kapital fliesst in Richtung Fintech
Was ist das Resultat? Fintechs erhalten Zugang zu Kapital und Startup-Gründer werden für ihren Mut belohnt, wenn sie von einer Bank übernommen werden. Gleichzeitig öffnet die Einbindung einer Fintech-Anwendung, zum Beispiel eines Robo-Advisors oder einer Kreditplattform, in ein Bankensystem den Zugang zu einer Kundenbasis, die sonst mühselig erarbeitet werden müsste.
Funktionieren Fintech-Anwendungen, erhöhen sie die Kunden-Zufriedenheit, was wiederum gut für die Bank ist. Das ist durchaus positiv zu werten.
Aus Innovationen werden Effizienzgewinne
Die Kehrseite ist: Fintech landet auf dem Boden der Realität der Banken. Innovationen dienen in dieser Welt der Vereinfachung von Prozessen oder enden als modernisierte Software-Lösung oder Applikation. Fazit: Die einst prognostizierte Disruption wird nicht mehr als Effizienzgewinne der etablierten Finanzwelt bringen.