Es sind vermutlich verschiedene Gründe, weshalb sich die Schweiz mit ihrer an sich hochleistungsfähigen Finanzbranche in der internationalen Positionierung immer wieder so schwer tut. Mag sein, dass die jahrhundertealte Fixierung auf das lukrative Private Banking, also auf die Vermögensverwaltung für wohlhabende Personen und Familien, den Blick auf neue, innovative Gebiete allzu lange vernebelt hat. Gleichzeitig sorgte der abrupte Wegfall des Bankgeheimnisses zumindest eine Zeit lang für eine enorme Verunsicherung unter den Akteuren der Schweizer Finanzbranche.

Die rasche Umsetzung des Automatischen Informationsaustauschs (AIA) mit zahlreichen, zum Teil heiklen Ländern hat zudem für viel Unverständnis bei ausländischen Kunden gesorgt. So setzte die Schweiz essenzielle Werte, wie Diskretion, Verlässlichkeit und Vertrauen leichtfertig aufs Spiel – ein Verhalten, das in den meisten anderen grossen Finanzentren schlicht undenkbar wäre.

Zu viele Köche

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Letztlich ist es aber eine ganz andere Ursache, die dazu beiträgt, dass die Schweiz trotz ihrer hervorragenden Finanzhäuser sich selber im Wege steht: Es gibt zu viele Institutionen, die sich unkoordiniert um die Finanzbranche kümmern wollen. Angefangen bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (Bild oben, Verwaltungsrat), die sich zunehmend einem Kräftefeld divergierender Partikularinteressen ihrer Mitglieder ausgesetzt sieht, über die Verbände der Privat- und Auslandsbanken, bis hin zu den diversen Lobbygruppen im Parlament oder in der Öffentlichkeit, den Arbeitsgruppen der unabhängigen Vermögensverwalter, Kleinstbanken oder Fintech-Startups und last but not least der Finma, den Expertengruppen des Bundes und der Schweizerischen Nationalbank.

Kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund eine konsistente Finanzplatzpolitik kaum gedeihen kann. Zu wenig kohärent agieren die diversen Interessensgruppen – von den Medien ganz zu schweigen. Mag sein, dass sich die Schweizer Finanzbranche unter dem Imperativ der globalen Digitalisierung etwas bewegt. Doch auch zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise hat die hiesige Szene noch sehr viel von diesem Nimbus, den der Schweizer Privatbankier Hans J. Bär 2004 in seinen Memoiren als «fett, aber impotent» umschrieb.