Der Kontrast hätte nicht grösser sein können: Während sich die Krypto-Milliardäre im Suvretta House, wo die Preise für ein Doppelzimmer bei derzeit 900 Franken anfangen, unter ihresgleichen vergnügten, rauschte der Preis für den Bitcoin und andere digitale Tokens so richtig in den Keller. Doch das schien offenbar keinen der anwesenden Teilnehmer gross zu kümmern.
«Sehen Sie nicht, wie hier alle happy sind?», fragte mich Daniel Masters, Präsident der auf Jersey domizilierten Firma Global Advisors Bitcoin Investment Fund (GABI), beim Stehlunch, während livrierte Kellner um uns herumhuschten. Und er hatte tatsächlich recht. Die Stimmung bei Kalbsgeschnetzeltem und Bündner Spezialitäten hätte gegensätzlicher nicht sein können zum Umstand, dass China Kryptowährungen verbieten will und die halbe Welt danach trachtet, den Bitcoin und seine Artgenossen unter strengste Kontrollen zu setzen.
Milliarden von Dollar vernichtet
Alle Anwesenden, von den Kryptoherstellern über die Clique der Anwälte, Berater und Vermögensverwalter bis hin zu den eingangs erwähnten Milliardären, waren in Hochstimmung und voller Zuversicht für die virtuelle Welt von morgen. Doch wie war das alles möglich, nachdem die massiven Preisverwerfungen der vergangenen paar Tage in den Kryptowährungen nicht weniger als 370 Milliarden Dollar im Handumdrehen vernichtet hatten?
«Viele Investoren brachten ihre Schäfchen frühzeitig ins Trockene», klärte mich Daniel Masters auf, dessen Firma selber Kryptowährungs-Fonds und damit verbundene Dienstleistungen anbietet, darunter auch lukrative ICOs, also Emissionen von digitalem Geld. «Nun besitzen diese Leute extrem viel Bargeld und können zu wesentlich tieferen Kursen wieder einsteigen. Deswegen sind hier alle so happy», folgerte Masters.
Die Karawane zieht weiter
Seine Äusserungen sind sinnbildlich für die Stimmung an der ersten Schweizer Konferenz, die sich ausschliesslich den Kryptowährungen widmet und noch bis heute Freitag dauert. Das Datum für das Stelldichein wurde nicht zufällig nur wenige Tage vor dem Beginn des alljährlich Weltwirtschaftsforums (WEF) im nahen Davos gewählt. Die Karawane der Tagungsteilnehmer, zu der auch Masters gehört, wird am Wochenende ins Landwassertal dislozieren, wo dem diesjährigen WEF auch US-Präsident Donald Trump seine Aufwartung machen wird.
Eine Ausnahme ist Richard Liu, der sich voll und ganz auf St. Moritz konzentriert. Dem Gründer von FBG Capital, einem Pekinger Hedgefonds für digitales Geld, ging es vor allem darum, an dem Anlass Gleichgesinnte zu treffen und neue Investoren anzusprechen, zumal er eben einen weiteren Crypto-Fonds mit 100 Millionen Dollar geäufnet hat, der ab kommendem März an der Börse gehandelt werden soll.
Niemand aus der «analogen» Finanzwelt
Ein Fintech-Fachmann, der unter anderem auch nationale Finanzaufsichtsbehörden berät, wie er zumindest versicherte, erklärte, dass eigentlich niemand eine Ahnung habe, wie man mit Kryptowährungen verfahren solle. Dem pflichtete der Partner jener Schweizer Anwaltskanzlei bei, die in Fachkreisen für ihr Know-how in Sachen Krypto am bekanntesten ist. Er sagte, auch die Rechtswissenschaft habe auf viele drängende Fragen noch keine Antwort gefunden.
Divergierende Meinungen blieben rar – was unter den Superreichen in St. Moritz auch nicht unbedingt gefragt war. Wichtig war eher, dass keine Banker aus der «analogen Finanzwelt» zugegen waren, wie ein Teilnehmer witzelte. Aber auch Vertreter von nationalen Finanzaufsichtsbehörden suchte man mit einer Ausnahme vergebens – ein Vertreter der Finanzmarktaufsicht Liechtensteins war anwesend.
Besuch vom Finanzminister
Immerhin aber: Am Donnerstagnachmittag machte der Schweizer Wirtschaftsminister, Johann Schneider-Ammann, dem Anlass seine Aufwartung und verkündete, dass die Regierung eben eine Arbeitsgruppe zu den Themen Blockchain und ICOs ins Leben gerufen habe, wie auch finews.ch berichtete. Dass indessen ein Bundesrat einem privaten Anlass mit seiner Präsenz so viel Bedeutung beimisst, stiess in anderen hiesigen Wirtschaftskreisen nicht auf besonders viel Verständnis.
«Nicht die Technologie setzt die Rahmenbedingungen in der Finanzwelt von morgen, sondern die Regulation», erklärte Günther Dobrauz, Kadermann beim internationalen Beratungsunternehmen PwC, «doch niemand glaubt mir.»
Geld in Sicherheit bringen
Insofern sind die Banken auch nicht tot, wie es manche Fintech- und Krypto-Liebhaber gerne sähen. Vielmehr sind sie nach wie vor Teil des internationalen Finanzsystems und damit auch besser verwurzelt als ihre Gegenwelt der virtuellen Geldschöpfung. Unter diesen Prämissen würde es nicht überraschen, wenn schon bald manche Investoren mit riesigen Beständen an virtuellem Geld dastünden, die angesichts der erodieren Kryptowährungs-Kurse keinen Rappen mehr wert sind.
«Suchen Sie sich einen Weg, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen», riet PwC-Mann Frederik Gregaard am Anlass. «Denn die traditionelle Finanzwelt wird alles daran setzen, virtuelle Währungen zu verhindern. Dahinter stehen nicht einmal böse Absichten, sondern schlicht und einfach 600 Jahre Bankkultur.»
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