Wenn es nach Boris Collardi geht, soll das Swiss Banking zum Exportjuwel mutieren. Prominente Unterstützung für diesen Plan hat er bereits. Steht die Branche am Wendepunkt?
Die Lohn- und Bonusdiskussion der vergangenen Monate hat dem Ansehen der Bankbranche nachweislich geschadet. Weite Kreise der Bevölkerung haben keinerlei Verständnis mehr für das abgehobene Verhalten mancher Manager. Gleichzeitig geht dabei umso mehr vergessen, welche wirtschaftliche Bedeutung die Bankbranche für unser Land nach wie vor hat.
«Wer ausserhalb der Bankbranche weiss schon, dass die Kosten- und Ertragsstruktur der Banken durchaus mit jener von typischen Exportfirmen in der Maschinen-, Uhren- und Tourismusindustrie vergleichbar ist?», sagt Julius-Bär-Chef Boris Collardi (Bild unten, Keystone).
Mehr Pragmatismus
Vor diesem Hintergrund rief er in seiner Funktion als Präsident der Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken (VAV) vergangene Woche in Erinnerung, dass das Vermögensverwaltungsgeschäft eine Schlüssel-Exportindustrie sei, der man viel mehr Sorge tragen müsse. Anlass dafür war der zweite «Private Banking Day», den die VAV zusammen mit der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken (VSPB) am Donnerstag im Zürcher Kaufleutensaal abhielt.
Dabei plädierte Collardi vor allem für mehr Pragmatismus im Umgang mit der EU – nicht zuletzt seit dem Brexit. «Ich halte es in der aktuellen, offenen Situation mit ihren unvorhersehbaren Entwicklungen für entscheidend, dass wir uns – aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der EU für die Schweiz – mit ihr langfristig arrangieren, unabhängig davon, ob uns ihre institutionelle Weiterentwicklung und ihre Zusammenarbeitsform mit Grossbritannien «gefallen» oder nicht», betonte der Banker.
Mehr Planungssicherheit
«Zudem müssen wir eng verfolgen, was mit dem Brexit passiert, wie die EU darauf reagiert und welche Lösungen sich abzeichnen. Mangels langfristiger Planungssicherheit gilt es, die Szenarien laufend zu aktualisieren», so der VAV-Präsident weiter.
Unterstützung erhält die Finanzbranche seit geraumer Zeit ausgerechnet aus Bundesbern, von dort also, wo zuvor unter Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf eher der Abgesang auf den Schweizer Finanzplatz angestimmt worden ist. Eine Entwicklung, die viele Bankiers in den vergangenen Jahren mit enormer Sorge verfolgt haben.
Neuer Wind
Seit Bundesrat Ueli Mauer als Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) amtet, scheint tatsächlich ein neuer Wind zu wehen, was nicht zuletzt auch Maurers kürzliche Asienreise unterstreicht.
(Thomas Kupfer, Schweizer Botschafter in Singapur (links) , Bundesrat Ueli Maurer)
Erstmals seit langem begab sich im vergangenen April ein Bundesrat mit einer Delegation an hochrangigen Vertretern des Schweizer Finanzplatzes in die wichtigsten Wachstumsmärkte für die Branche: China (Peking, Schanghai), Hongkong und Singapur, wie auch finews.ch berichtete.
Aus dem Gleichgewicht
Allerdings rief Maurer den Bankmanagern am vergangenen Donnerstag auch ins Gewissen: «Wenn wir Ihre Branche im Exportbereich fördern wollen, dann brauchen wir dazu die Heimbasis, die Bevölkerung. Das scheint mir nicht nur in der Schweiz, sondern auch international derzeit aus dem Gleichgewicht. Und das ist gefährlich, weil es unberechenbar ist.»
Damit spielte Maurer unmissverständlich auf die jüngste Lohn- und Bonusdiskussion an, zu der sich bereits Johann Schneider-Ammann vor einigen Wochen geäussert hatte, als er in einem Interview mit der «Zentralschweiz am Sonntag» zu hohe Boni als eine «Dummheit» bezeichnete, die nichts mit dem Markt zu tun habe und «eine Rücksichtslosigkeit» sei, die sich früher oder später bei den sozialpartnerschaftlichen Auseinandersetzungen rächen werde.
Eine Art Staatsfonds
Maurer kündigte am vergangenen Donnerstag allerdings nicht nur weitere gemeinsame Reisevorhaben mit dem Bankensektor an, sondern offenbar prüft der Bundesrat auch eine Art Staatsfonds. So sagte Maurer: «Sie (die Banken) haben geklagt, dass Sie zu viel Geld und zu wenig Anlagemöglichkeiten hätten. Das ist ein Problem, wir haben zwar keine Lösung, aber machen uns Gedanken.»
«Ich würde nicht ausschliessen, dass wir gemeinsam ein Investmentvehikel schaffen können, dass längerfristig auch Investitionen im grösseren Kreis ermöglicht, als wir uns bisher gewohnt waren. Auch hier kann es vielleicht funktionieren, wenn wir als Einheit auftreten», sagte der Finanzminister.
Ganz neue Töne
«Da sind noch viele Hürden zu lösen, aber ich denke, wir sollten nicht zuerst beklagen, was nicht möglich ist, sondern eher schauen, wie es zu machen ist. Daran werden wir arbeiten und mit Ihnen weiter in Kontakt sein», sagte Maurer.
Das sind tatsächlich ganz neue Töne aus einem Lager, das bislang eher den Rückzug ins Réduit proklamiert hatte. So gesehen erhalten auch Kriterien wie Wachsamkeit, Handlungsfähigkeit und Eigenständigkeit ein neues Gewicht und «sind erforderliche Merkmale für zukünftige politische Entscheide über die Rahmenbedingungen des Finanzplatzes Schweiz», wie Collardi erklärte.
Überraschende Übereinstimmung
Unter diesen Prämissen war der «Private Banking Day 2017» besonderes Ereignis, denn erstmals seit langem demonstrierten Behörden und Banken eine gewisse «unité de doctrine», wie man sie in den vergangenen zehn Jahren kaum mehr gesehen hatte.